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Polen: Sicherheit hat Vorrang

18. November 2015

In ihrer Regierungserklärung macht Ministerpräsidentin Szydlo klar: Nationale Sicherheit ist wichtiger als europäische Solidarität. Präsident Duda sorgt derweil mit der Begnadigung eines Parteifreundes für Empörung.

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Beata Szydlo bei ihrer Rede Parlament in Warschau (Foto: rtr)
Bild: Getty Images/AFP/J.Skarzynski

Polens neue Regierung hat Forderungen nach europäischer Solidarität in der Flüchtlingskrise eine Absage erteilt. Derzeit gebe es Versuche einiger Länder, "Probleme zu exportieren, die sie ohne Beteiligung anderer Staaten geschaffen haben", sagte Ministerpräsidentin Beata Szydlo in ihrer Regierungserklärung im Warschauer Parlament. Daher seien die Rufe nach Solidarität in dieser Frage unangebracht. Polen beteilige sich am Kampf gegen den Terrorismus, die "Sicherheit der Polen und Polinnen" habe dabei oberste Priorität, erklärte Szydlo mit Blick auf die Anschlagsserie in Paris.

Zusagen zur Umverteilung einhalten

Polens neue nationalkonservative Regierung war am Montag vereidigt worden. Szydlos Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hatte die Wahl Ende Oktober haushoch gewonnen und besitzt in beiden Parlamentskammern nun die absolute Mehrheit. Die PiS, deren Vorsitzender Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski ist, hatte im Wahlkampf mit ihrer strikten Anti-Flüchtlings-Rhetorik für Empörung gesorgt.

Nach den islamistischen Attentaten in Paris hieß es zunächst, die neue Regierung wolle sich nicht mehr am EU-Umverteilungsprogramm für Flüchtlinge beteiligen. Inzwischen bekräftigte Szydlo jedoch, dass Warschau sich an die Zusagen ihrer liberal-konservativen Vorgängerregierung halten werde. Laut einem Beschluss der EU-Innenminister sollen 160.000 Flüchtlinge innerhalb der EU umverteilt werden.

Als Vorhaben für ihre Regierungszeit kündigte Szydlo mehr finanzielle Hilfen für Familien und eine Herabsenkung des Rentenalters an. Motto ihres Regierungsprogramms sei wirtschaftliche Entwicklung, sagte Szydlo.

Präsident begnadigt Parteifreund

Unterdessen sorgt Polens Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls der PiS angehört, für einen juristischen und politischen Skandal. Duda begnadigte den neuen Geheimdienstminister, seinen Parteifreund Mariusz Kaminski, der erstinstanzlich zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Ein Sprecher des Präsidialamtes erklärte, Duda sehe hinter dem juristischen Vorgehen gegen Kaminski eine "politische Ursache" und wolle dem Ganzen "ein Ende setzen".

Kaminski war in seiner vorherigen Funktion als Leiter der Antikorruptionsbehörde CBA wegen Kompetenzüberschreitung verurteilt worden. Das Gericht hatte ihm außerdemdem für zehn Jahre die Ausübung von öffentlichen Ämtern untersagt. Kaminski hatte gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt. Damit wurde es möglich, ihn ins Kabinett zu berufen und zum neuen Geheimdienstminister zu ernennen.

Imageschaden für die PiS?

Viele polnische Juristen sind entsetzt und sprechen von einem Schritt in Richtung totalitärer Staat. Außerdem machen sie darauf aufmerksam, dass der Präsident niemanden begnadigen könne, dessen Verurteilung wegen eines anstehenden Berufungsverfahrens nicht rechtskräftig sei. Der neue Justizminister Zbigniew Ziobro vertritt hingegen die Ansicht, die Vollmachten des Präsidenten seien durch die Verfassung nicht auf rechtskräftig Verurteilte begrenzt.

Jenseits der juristischen Fragen aber könnte die Begnadigungsakt des Präsidenten für der PiS einen Imageschaden bescheren. Denn er vermittelt den Eindruck: wer der richtigen Partei angehört, darf in Polen offenbar auf uneingeschränkte Gnade hoffen.

cw/wl (dpa, afp)