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Vorzeitige Wahlen in Kasachstan

18. Februar 2011

Kasachstan hält im April vorzeitige Präsidentschaftswahlen ab, warum ist unklar. Die Opposition glaubt, Staatschef Nasarbajew fürchte den Verlust seiner Popularität und wolle sich rechtzeitig die Wiederwahl sichern.

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Wahlwerbung des kasachischen Präsidenten Nasarbajew (Foto: DW)
"Starker Präsident - erfolgreiches Land" - Wahlwerbung des kasachischen Präsidenten NasarbajewBild: DW

Ganz regulär stünden die nächsten kasachischen Präsidentschaftswahlen im Dezember 2012 an. Doch vor wenigen Wochen brachte eine Gruppe regimetreuer kasachischer Intellektueller die Idee auf, Präsident Nursultan Nasarbajew per Referendum im Amt zu halten - ohne weitere Wahlen und gleich bis zum Jahr 2020. Begründung: So könne man sich zwei teure Wahlkampagnen in den Jahren 2012 und 2017 sparen.

Und Nasarbajew, der "Führer der Nation", sei ohnehin der bestmögliche Präsident für Kasachstan. Innerhalb weniger Wochen unterschrieben fünf Millionen Kasachen die Initiative, Nasarbajew selbst befürwortete ein Referendum. Doch dann die Kehrtwende Ende Januar: Kein Referendum, verkündete der Präsident, stattdessen vorzeitige Präsidentschaftswahlen am 3. April diesen Jahres. Kurz darauf kürte ihn seine Partei Nur Otan zum Präsidentschaftskandidaten.

Wladimir Kozlow, Chef der Oppositionspartei Alga (Foto: Edda Schlager/DW)
Wladimir Kozlow, Chef der Oppositionspartei AlgaBild: Edda Schlager

Unterstützung dank "Gehirnwäsche"

Niemand bezweifelt, dass Nasarbajew die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird. Er gilt in Kasachstan als ein Garant für Stabilität, erfreut sich großer Beliebtheit. "Ich hoffe sehr, dass er im Amt bleibt", sagt eine junge Frau in der Fußgängerzone von Almaty. Und ein Mann ergänzt: "Was immer unsere Regierung entscheidet, wir vertrauen ihr völlig."

Die jungen Leute glauben tatsächlich an den Präsidenten. "Dank der Gehirnwäsche durch die offiziellen Medien", sagt Wladimir Kozlow, Chef der Oppositionspartei Alga. Die Medien werden seiner Meinung nach auch dazu genutzt, die Leute einzuschüchtern. "Man liest von Verhaftungen, Verhören. Und die Leute verstehen: 'Wenn ich etwas Negatives sage, geht es mir genauso."

Mit Absicht kurzfristiger Termin

Bulat Abilow, potenzieller Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Azat-OSDP (Foto: Edda Schlager / DW)
Bulat Abilow, potenzieller Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Azat-OSDPBild: Edda Schlager

Oppositionspolitiker Kozlow kündigte im vergangenen Jahr an, für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen. Doch die vorzeitigen Wahlen kommen für ihn zu früh. Er als Russe hatte bis Ende 2012 noch Kasachisch lernen wollen - das Beherrschen der Staatssprache ist Voraussetzung für jede Kandidatur. Nun reicht die Zeit nicht zur Vorbereitung, am laufenden Wahlkampf beteiligt er sich deshalb nicht.

Bulat Abilow, Chef der konkurrierenden Oppositionspartei Azat-OSDP, ist sicher: "Die Wahlen sind absichtlich so kurzfristig anberaumt, um anderen Kandidaten keine Zeit für die Vorbereitung zu lassen." Nur die Präsidentenpartei Nur Otan könne in so kurzer Zeit eine Wahlkampagne aufziehen. Azat-OSDP ist die größte Oppositionspartei Kasachstans, und Abilow gilt als potenzieller Präsidentschaftskandidat. Doch die Partei hat beschlossen, sich nicht an Wahlen zu beteiligen, solange nicht allen Kandidaten gleiche Bedingungen eingeräumt würden. Sie fordern gleich viel Zeit für Werbespots in Radio und Fernsehen für alle Kandidaten sowie Vertreter aller Parteien in den Wahlkommissionen. Beides sei nicht erfüllt, so Abilow.

Bekenntnis zur Demokratie?

Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew (Foto: dpa)
"Führer der Nation": der kasachische Präsident Nursultan NasarbajewBild: picture alliance/dpa

Die Wahlen werden nur dem Etikett nach demokratisch sein, sind sich die Oppositionspolitiker einig: Nasarbajew laufe auf allen Kanälen als scheinbar alternativloser Kandidat, andere wären nur Marionetten, wirklich ambitionierte Anwärter lasse man nicht zu. Ein Wahlergebnis über 90 Prozent gilt schon jetzt als wahrscheinlich.

Nasarbajew aber verkauft die vorzeitigen Wahlen als Bekenntnis zur Demokratie, er beuge sich schließlich nur dem Willen der Wähler. Anstelle des vom Volk geforderten, nicht verfassungsgemäßen Referendums habe er sich freiwillig für den demokratischen Weg, also für Wahlen entschieden.

Die offene Frage nach dem "Warum"

Die entscheidende Frage aber, warum er ohne ersichtliche Zwänge - überhaupt vorzeitige Neuwahlen anordnete, anstatt bis nächstes Jahr zu warten, bleibt offiziell unbeantwortet. Selbst Bulat Sultanow, Leiter des dem Präsidenten unterstellten Instituts für strategische Studien in Almaty, fällt eine Begründung schwer: "Weil im nächsten Jahr Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zusammengefallen wären, wollte man dies entzerren. Der Präsident hätte jetzt ein Parlament wählen lassen können, dann hätte ihn aber die Opposition beschuldigt, an der Macht festzuhalten." Stattdessen stelle er die Parlamentswahlen zurück und sein Amt jetzt zur Disposition.

Skyline von Astana (Foto: picture alliance / dpa)
Skyline von Astana: mit der erst vor wenigen Jahren aus dem Boden gestampften neuen Hauptstadt hat Nasarbajew sich einen Traum erfülltBild: picture-alliance/dpa

Doch warum sollten in einem angeblich demokratischen Land wie Kasachstan nicht beide Wahlen in einem Jahr stattfinden können? Sind zwei Wahlkampagnen zu teuer für das öl- und gasreiche Kasachstan? Wären die staatlichen Strukturen überfordert? Bulat Abilow von der oppositionellen Azat-OSDP sieht den Grund vor allem in den politischen Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise Kasachstans: Die Inflation nehme zu, die Preise stiegen monatlich. "Die Leute werden immer ärmer und deshalb unzufriedener." Auch die Unruhen in der arabischen Welt hätten die Entscheidung für vorzeitige Wahlen beeinflusst.

Einfluss der arabischen Welt

Wahlplakat Nasarbajew (Foto: DW)
Nursultan Nasarbajew ist seit 1991 Präsident Kasachstans und hat bereits zweimal die Verfassung geändert, um im Amt zu bleibenBild: Edda Schlager

Tatsächlich kam die überraschende Kehrtwende des Präsidenten, statt eines Referendums Neuwahlen durchzuführen, in der Zeit, als die Regime in Tunesien und Ägypten gestürzt wurden.

Vielleicht will Nasarbajew also seine Popularität nach dem OSZE-Vorsitz im vergangenen Jahr - innenpolitisch ein gefeierter Erfolg - für eine sichere Wiederwahl nutzen. Ende 2012 könnte er bereits erheblich an Zustimmung verloren haben, denn die Schere aus Arm und Reich klafft so weit auseinander wie nie zuvor. Die Öl-Milliarden fließen in die Taschen der Eliten, nicht aber in die Wirtschaft oder ein funktionierendes Sozialsystem. Wenn sich Nasarbajew jetzt auf scheinbar demokratischem Weg eine weitere Amtszeit sichert, kann er aufkeimende Proteste leichter ersticken - dank seiner frisch erworbenen Legitimität.

Autorin: Edda Schlager
Redaktion: Esther Felden