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VW baut aus - in Portugal

Jochen Faget9. November 2015

Das VW-Werk Autoeuropa gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern und Devisenbringern Portugals. Auch dort kämpft VW aber gegen die Imageschäden durch den Software-Skandal. Trotzdem hilft der Staat beim Werksausbau.

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Portugal Setubal Hafen VW Export Schilder
Bild: DW/J. Faget

Eigentlich würde António Chora jetzt viel lieber etwas ganz anderes tun. Autos montieren, zum Beispiel. Oder - was er eigentlich jetzt sollte - mit seinen Bossen in aller Ruhe die neuen Löhne seiner Kollegen aushandeln. Stattdessen muss der portugiesische VW-Betriebsratsvorsitzende seinen Arbeitgeber vor dem Spott seiner Freunde in Schutz nehmen.

"Wir haben damit doch nichts zu tun, das war irgendwer in Deutschland", versichert er am Tresen seines Stammcafés immer wieder. Das heißt ausgerechnet 'A vida é bela', auf Deutsch 'Das Leben ist schön' - so ziemlich das Gegenteil von dem, was António Chora gerade durchmacht.

Portugal VW Betriebsratsvorsitzende Antonio Chora, Foto: DW/Jochen Faget
Antonio ChoraBild: DW/J. Faget

In tausende Sciroccos, Eos und Sharans haben seine Kollegen die Dieselmotoren mit der Betrugssoftware eingebaut, all diese Modelle werden im portugiesischen Werk Autoeuropa produziert und in alle Welt exportiert. "Aber wir bekommen die Motoren fertig angeliefert, von der Software haben wir natürlich nichts gewusst", beteuert Chora. Trotzdem: Volkswagen ist auch in Portugal vom Musterunternehmen zum Buhmann geworden.

Volkswagen treibt Portugals Wirtschaft

Dabei ist VW eine Art Wirtschaftsmotor: Das Werk in Palmela, ein Ort südlich der Hauptstadt Lissabon, steht für ein Prozent des portugiesischen BIP. 3.500 Mitarbeiter, knapp 1.000 Zulieferfirmen, viele von ihnen aus Portugal, der drittgrößte Exporteur und Devisenbringer des Landes. Geht es Autoeuropa gut, freut sich die Regierung; leidet Autoeuropa, steckt auch Portugals Ministerpräsident in Schwierigkeiten. Zwar hat VW für Portugal eine absolute Nachrichtensperre verhängt. Aber es ist unschwer zu erkennen, dass die Weichen gerade auf Leiden gestellt sind.

Sicher, zuletzt hat Volkswagen noch eine 670-Millionen-Investition für Portugal zugesagt. Das in die Jahre gekommene Werk wird ausgebaut und modernisiert. Doch welche Autos dort gebaut werden sollen, wenn jetzt die alten Modelle Sharan und Eos auslaufen, weiß noch niemand. Und auch nicht, wie viele. "Das Werk ist jetzt schon nicht ausgelastet und eigentlich sollten wir seit diesem Jahr ein völlig neues Auto montieren", sagt Betriebsratschef Chora. "Hoffentlich ändert sich das nächstes Jahr."

VW stehe zu seinen Plänen, heißt es dazu lakonisch aus dem Wirtschaftsministerium, mehr könne man auch nicht sagen. Was den Motoren-Software-Skandal betrifft, sind die Aussagen klarer: Da der nichts mit dem portugiesischen Werk zu tun hat, stelle sich auch die Frage nach möglichen Zuschussrückforderungen eher nicht. Eventuelle Steuernachforderungen wegen zu hoher Abgaswerte würden geprüft.

Öffentliche Hand hilft kräftig

Zuschüsse und Staatshilfen von Portugal flossen und fließen für VW reichlich. Zehn Jahre lang musste das 1991 gegründete Unternehmen keine Steuern bezahlen, die teuren Infrastrukturen vom Eisenbahnanschluss bis hin zum Verladehafen wurden mit Steuer- und EU-Geldern gebaut.

Portugal Setubal Hafen VW Export, Foto: DW/Jochen Faget
Der Hafen in Setubal wird weiter ausgebaut für den Export von VWs.Bild: DW/J. Faget

Wegen der Werkserweiterung muss der Hafen jetzt wieder wachsen. "Wir investieren drei Millionen und haben zur Nutzung einen eigenen Vertrag mit Autoeuropa geschlossen," freut sich Hafendirektor Vitor Caldeirinha. Bezahlen werden Portugal und die EU.

"Sicher diktiert Volkwagen wegen seines wirtschaftlichen Gewichts die Spielregeln", stellt Professor João Duque von der Wirtschaftsuniversität ISEG trocken fest. Aber die Vorteile für das Land wiegen schwerer als Zuschüsse und Steuergeschenke. Nur die Vormachtstellung von VW macht ihm Sorgen: "Portugal bräuchte nicht nur ein Autoeuropawerk, sondern mehrere. Dann wäre das Verhandeln leichter."

Portugal Wirtschaftswissenschaftler Joao Duque, Foto: DW/Jochen Faget
Internationale Großkonzerne wie VW machen, was sie wollen, meint der Wirtschaftswissenschaftler Joao DuqueBild: DW/J. Faget

Sorgen um Standort Palmela

Bei diesem Werksausbau versprach die Regierung Volkswagen als Gegenleistungen neue Steuervergünstigungen in Millionenhöhe. Die Proteste dagegen halten sich selbst in der linken Parteiszene in Grenzen. "Wenn so große Unternehmen nicht bekommen, was sie wollen, gehen sie einfach woanders hin", weiß Wirtschaftsprofessor Duque.

Dann würde es in Palmela, dort wo das portugiesische VW-Werk steht, schlimm aussehen. "Bevor die Deutschen kamen, herrschte hier schlimme Arbeitslosigkeit, ja sogar Hunger", erinnert der Betriebsratsvorsitzende António Chora im Café 'Das Leben ist schön'.

Chora argumentiert, VW habe gute und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen, den Menschen in der Region gehe es besser. Das alles dürfe doch nicht aufs Spiel gesetzt werden, nur weil eine Handvoll Kriminelle die Motoren manipuliert hat. Doch es ist dem Betriebsratsvorsitzenden anzusehen, dass er im Augenblick eigentlich lieber die neuen Löhne für seine Kollegen aushandeln würde, statt den Arbeitsgeber in Schutz zu nehmen.