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VW und die Telekom sprechen türkisch

16. Juni 2011

Einwanderer werden von Großunternehmen mit speziellen Angeboten und Anzeigen in ihrer Heimatsprache umworben. Doch nicht alle Migrantengruppen sind für die Werbewirtschaft interessant.

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Szene aus einem VW-Werbespot für die türkische Community in Deutschland(Copyright: VW)
Szene aus einem VW-Werbespot für die türkische Community in DeutschlandBild: VW

Der schnauzbärtige Patriarch ist wählerisch: Allen jungen Männern, die mit einem Strauß Blumen für die Tochter an der Wohnung klingeln, knallt er die Tür vor der Nase zu – bis schließlich ein Kandidat mit einem Volkswagen vorfährt: Der wird vom Vater mit Umarmungen und Küssen empfangen.

Werbung für einen türkischen Mobilfunkbetreiber in Berlin-Kreuzberg (Foto: dpa)
Werbung für einen türkischen Mobilfunkbetreiber in Berlin-KreuzbergBild: picture alliance/dpa

Der Werbespot, der offenbar eine in Deutschland lebende türkischstämmige Familie zeigt, ist Teil der Kampagne "Volkswagen Türkce konusuyor" ("Volkswagen spricht türkisch"), die darauf aufmerksam machen soll, dass in vielen Autohäusern neuerdings auch türkischsprachige Verkäufer bereitstehen. Man wolle die türkischstämmige Bevölkerungsgruppe besser ansprechen, erklärt der VW-Sprecher Fred Bärbock. "Das sind ja immerhin knapp drei Millionen Menschen." Nach einem Testlauf in zwei Bundesländern wurde das Projekt ausgeweitet, denn die Erfahrungen waren gut.

Vorreiter Mercedes-Benz

Volkswagen folgt damit vergleichsweise spät einem Trend, der schon länger anhält: Die Deutsche Bank bemüht sich als Bankamiz, "Die Bank für uns", um türkischsprachige Kunden, die Deutsche Telekom bietet ebenso wie andere Anbieter spezielle Tarife für Einwanderer an, Supermarktketten wie Lidl werben auf russisch und türkisch. "Wir sehen gerade in den letzten zwei, drei Jahren, dass der Markt anzieht", sagt Bülent Bora, Geschäftsführer der Werbeagentur KOM Media und Marketing GmbH. Während lange Zeit nur Großunternehmen Ethnomarketing betrieben hätten, folgten nun auch mittelständische Firmen.

Türkische und deutsche Fußballfans in Berlin (Foto: dpa)
Für die Werbewirtschaft sind insbesondere türkischstämmige Bürger interessantBild: picture-alliance/Pressefoto ULMER/Claus Cremer

Besonders früh war Mercedes-Benz dabei: Schon Mitte der 1990er Jahre warb der Automobilkonzern mit türkischsprachigen Anzeigen und Werbefilmen. Die Kampagne funktionierte so gut, dass sie irgendwann wieder eingestellt werden konnte: Dass es in den Mercedes-Niederlassungen türkischsprachige Verkäufer gibt, muss - anders als bei VW - nicht mehr mit zentral gesteuerten Marketingmaßnahmen bekannt gemacht werden. Nach Auskunft der Vertriebsabteilung von Mercedes ist die Markenloyalität der türkischstämmigen Bevölkerung inzwischen groß.

Zauberwort Wertschätzung

Dass sich das Ethnomarketing vor allem an Deutschtürken richtet, ist kein Zufall: Sie stellen mit knapp drei Millionen potenziellen Kunden nicht nur eine relativ große Gruppe, sondern sind über türkischsprachige TV-Sender und Zeitungen vergleichsweise einfach zu erreichen. Für die 3,5 Millionen Russlanddeutschen gelte dies ebenfalls, erklärt der Werber Bülent Bora. Alle übrigen Migrantengruppen ließen sich dagegen kaum mit maßgeschneiderter Werbung ansprechen, da es an vergleichbaren Strukturen fehle.

Das Zauberwort im Ethnomarketing laute Wertschätzung, glaubt Matthias Kulinna, der über das Thema promoviert hat und als Unternehmensberater tätig ist. Er verweist darauf, dass gerade Türken unter fehlender Anerkennung litten – so fühlt sich Umfragen zufolge rund die Hälfte in Deutschland unerwünscht. "Ethnomarketing kompensiert dieses Gefühl mangelnder ethnischer Akzeptanz", sagt Kulinna. "Damit wird gesagt: Ihr seid hier willkommen."

Dass man für eine Einwanderergruppe wie die Deutschtürken eine ganz eigene Werbung konzipieren müsse, die bestimmte Mentalitäten besonders berücksichtigt, hält Kulinna für Unsinn: "Es handelt sich um eine heterogene Gruppe, die zum allergrößten Teil die gleichen Bedürfnisse wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft hat." Um Wertschätzung zu vermitteln, genüge es, die jeweilige Gruppe in ihrer Heimatsprache anzusprechen.

Volkswagen will das auch weiterhin tun – und das Ethnomarketing möglicherweise noch ausweiten: Nach den guten Erfahrungen mit der türkischen Kampagne überlegt man in dem Autokonzern nun, auch die Russlanddeutschen gezielt zu umwerben.

Autor: Dеnnis Stutе

Redaktion: Arne Lichtenberg