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VW will Steuern selbst nachzahlen

6. November 2015

Volkswagen hat den CO2-Ausstoß bei Hunderttausenden Fahrzeugen zu niedrig angegeben. Mögliche Steuernachzahlungen will der Konzern übernehmen - damit nicht die Kunden zur Kasse gebeten werden.

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Volkswagen Abgas-Skandal Symbolbild Abgasuntersuchung
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

"Der Volkswagen Konzern wird dafür einstehen, dass etwaige Mehrsteuern ausgeglichen werden", schrieb VW-Konzernchef Matthias Müller am Freitag an die 28 Finanzminister der Europäischen Union. Dazu werde VW mögliche Nachzahlungen bei den Kfz-Steuern für Hunderttausende Fahrzeuge mit frisierten Angaben zum CO2-Ausstoß selbst tragen. Vom CO2-Ausstoß hängt bei Pkw mit Erstzulassung ab 1. Juli 2009 auch die Höhe der Kfz-Steuer ab.

Müller bittet die Finanzminister, die möglichen Steuernachzahlungen dem Konzern direkt in Rechnung zu stellen, auch wenn das womöglich mit organisatorischem Aufwand verbunden wäre. Wörtlich heißt es: "Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn auch Sie bereit wären, nötigenfalls durch entsprechende rechtliche oder administrative Vorkehrungen sicherzustellen, dass die zuständigen Steuerbehörden nicht unsere Kunden, sondern Volkswagen direkt mit etwaigen Mehrsteuern belasten."

Druck aus Berlin

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Mittwoch gefordert, VW sei in der Pflicht, den aus den falschen CO2-Angaben entstandenen Schaden für die Kunden zu beheben. In Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium arbeite sein Ressort "an einer Gesetzgebung, die dafür sorgt, dass nicht der Kunde durch diese Mehrkosten bei der Kfz-Steuer belastet wird, sondern der Volkswagen-Konzern."

VW hatte Anfang der Woche mitgeteilt, bei rund 800.000 Fahrzeugen im Konzern sei der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und damit der Spritverbrauch zu niedrig angegeben worden. In Deutschland betrifft dies 200.000 Autos. Mitte September hatte VW Manipulationen bei Abgastests eingeräumt. Dabei ging es um Stickoxid-Werte.

"Komplexität der Thematik"

Volkswagen-Konzernchef Müller geht in dem Schreiben an die Finanzminister auch auf die Abweichungen ein und warum es lange dauert, konkrete Angaben zu machen: "Eine verlässliche Bewertung der Abweichungen ist auf Grund der Komplexität der Thematik derzeit noch nicht möglich. Volkswagen ist bestrebt, schnellstmöglich eine korrekte Einstufung der CO2-Werte bei den relevanten Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorzunehmen."

Darüber seien bereits Gespräche mit den zuständigen Genehmigungsbehörden geführt worden. Zudem kündigt Müller in dem Schreiben an: "Für unsere Kunden richten wir in diesen Tagen ein mehrsprachiges Beratungszentrum ein, das rund um die Uhr für alle Anfragen im Zusammenhang mit den Folgen der ermittelten Ungereimtheiten zur Verfügung stehen wird."

Kritik vom Betriebsratschef

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh äußerte derweil scharfe Kritik am Krisenmanagement von Müller. "Der Betriebsrat wird bewusst außen vor gelassen. Der Vorstand verkündet Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage", sagte Osterloh am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. In einem Brief an die Belegschaft schrieb Osterloh: "Wer die Axt bei Volkswagen an die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten legen will, der gefährdet den sozialen Frieden und die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens."

Volkswagen Bernd Osterloh Betriebsratsvorsitzender
Betriebsratschef Bernd OsterlohBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der Betriebsratschef vermisst ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Bewältigung der Affäre, wie er der Belegschaft schrieb. In dem Brief richtet sich Osterloh direkt an Konzernleiter Müller und VW-Markenchef Herbert Diess: "Wir können nur an die Herren Müller und Diess appellieren, gerade in diesen Tagen die Einigkeit zwischen Beschäftigten und Management nicht weiter durch Sprachlosigkeit auf eine Zerreißprobe zu stellen."

Osterloh schloss zudem einen Wechsel als Personalchef in den Vorstand aus - darüber war lange spekuliert worden.

Designchef geht in den Ruhestand

Unterdessen geht der personelle Umbau an der Konzernspitze weiter: VW-Designchef Walter Maria de Silva verlässt den Konzern. Der 64-Jährige gehe in den Ruhestand, bleibe dem Unternehmen aber "in beratender Funktion verbunden", teilte Volkswagen am Freitag mit.

Der im italienischen Lecco geborene De Silva war seit 2007 Design-Chef des Konzerns. Er galt als Vertrauter des früheren Konzernchefs Martin Winterkorn, der im Strudel des Abgas-Skandals zurückgetreten war. Winterkorn hatte de Silva nach seinem Wechsel von Audi an die Konzernspitze nach Wolfsburg geholt. Vor seinem Wechsel zu VW war de Silva Design-Chef der Markengruppe Audi. De Silva hat unter anderem den Golf 7 und das Audi A5 Coupé entworfen.

Wie das "Handelsblatt» berichtet hatte, will VW-Chef Müller im Zuge des verschärften Sparkurses auch im Ressort von Chefdesigner de Silva sparen, das jährlich rund 100 Millionen Euro verschlinge.

ul/dk (dpa, rtr)