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Wachsende Sorgen um Timoschenko

25. April 2012

Mit ihrem Hungerstreik schreckt die schwerkranke Oppositionsführerin Timoschenko nicht nur die Europäische Union auf. Auch in Moskau wächst das Unbehagen darüber, wie die Ukraine mit der prominenten Gefangenen umgeht.

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Julia Timoschenko vor Gericht (Foto: dapd)
Ukraine Julia Timoschenko StaatsanwaltschaftBild: picture-alliance/dpa

"Wir hoffen, dass die ukrainischen Behörden alle notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung von Timoschenkos Rechten ergreifen, dass sie ihre Menschlichkeit unter Beweis stellen und einen angemessenen Weg finden, um die innenpolitische Lage nicht zu komplizieren", heißt es aus dem russischen Außenministerium.

Es ist nicht der einzige Aufruf zu einem humanen Verhalten gegenüber der inhaftierten früheren Regierungschefin Julia Timoschenko. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, er sei "in tiefer Sorge" über die Zustände. "Wir werden gegenüber den ukrainischen Behörden weiter darauf drängen, dass Frau Timoschenko endlich eine adäquate medizinische Behandlung erhält." Auch die EU-Kommission äußerte sich besorgt und forderte die ukrainische Regierung auf, sich umgehend zur Lage Timoschenkos zu äußern. Unabhängige und kompetente Vertreter sowie ihre Anwälte müssten sofort und für einen ausreichenden Zeitraum Zutritt zu Timoschenko erhalten.

Schläge auf dem Weg ins Krankenhaus?

Der Anwalt der Oppositionspolitikerin hatte zuvor berichtet, die schwerkranke 51-Jährige sei aus Protest gegen ihre Behandlung in der Haft in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Timoschenko nehme bereits seit dem 20. April keine Nahrung mehr zu sich. Sie wirft den Behörden vor, sie unter Zwang aus dem Gefängnis in Charkiw in ein nahegelegenes Krankenhaus verlegt zu haben. Als sie sich geweigert habe, mitzukommen und sich von ukrainischen Ärzten untersuchen zu lassen, sei sie vom Gefängnispersonal misshandelt worden. Nach einem Schlag in den Bauch sei sie bewusstlos geworden und erst im Krankenhaus aufgewacht.

Dies dementierte der Gefängnisdienst von Charkiw rund 450 Kilometer östlich von Kiew jedoch vehement. Die Inhaftierte sei zwar gegen ihren Willen "in den Krankenwagen getragen und in die Klinik gefahren" worden, sagte Staatsanwalt Gennadi Tjurin. Die Gesetze gestatteten jedoch "physische Gewalt". Da die Oppositionsführerin jede Behandlung ablehnte, habe man sie am Sonntag zurück in die Haftanstalt gebracht.

Ukraine: Timoschenko im Hungerstreik

"Schwerer Bandscheibenvorfall"

Timoschenko misstraut einheimischen Ärzten zutiefst. Auf internationalen Druck hatten Spezialisten der Berliner Charité die Politikerin vor kurzem in Charkow untersucht und als sehr krank bezeichnet. Das Gutachten der Mediziner solle bald veröffentlicht werden, sagte eine Charité-Sprecherin. Klinikchef Karl Max Einhäupl sprach im Zweiten Deutschen Fernsehen aber bereits von einem schweren Bandscheibenvorfall. Die Inhaftierte leide an starken Schmerzen und stehe zudem seit Monaten unter einer erheblichen Anspannung. Vor diesem Hintergrund sei ein Hungerstreik Anlass zu erheblicher Sorge, sagte Einhäupl.

Timoschenko war eine der Leitfiguren der sogenannten Revolution in Orange von 2004. Sie war danach Ministerpräsidentin. 2010 verlor sie knapp die Präsidentenwahl gegen ihren Erzrivalen Viktor Janukowitsch. Vergangenen Oktober wurde sie wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Grund war ein 2009 mit Russland geschlossenes Gasgeschäft mit Russland, das der Ukraine einen Schaden in Millionenhöhe beschert haben soll. Die Europäische Union kritisiert den Prozess und die Inhaftierung als politisch motiviert.

rb/wl (afp, dpa, rtr, ZDF)