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Krisenstimmung in Griechenland

29. April 2010

Der Unmut in Griechenland wächst, Angst vor der Zukunft geht um, das Vertrauen in die Politik tendiert gegen Null. Konsumverzicht, Proteste und Streiks sind die Folge.

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Karte von Griechenland unterlegt mit 50-Euroschein und sinkender Börsenkurve (Grafik: DW)
Finanzkrise beutelt HellasBild: DW

Seit die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes auf "Ramsch"-Niveau herabgestuft hat, geht in Griechenland Angst vor der Zukunft um. Vor allem Angestellte und Freiberufler, die ganz normal ihre Steuern zahlen, können nicht verstehen, warum sie für das Versagen unfähiger Politiker einstehen müssen. Jorgos Sarantopoulos ist Angestellter in einem Friseursalon nördlich von Athen. Der junge Familienvater von der Peloponnes-Halbinsel arbeitet sechs Tage die Woche und lebt sparsam. Der Salon bietet vergleichsweise moderate Preise. Trotzdem laufe das Geschäft in letzter Zeit nicht mehr so gut, meint der junge Friseur: "Die Kunden zögern, sie kommen nicht mehr so oft zum Haareschneiden. Und wenn sie da sind, dann sprechen sie nur noch über ihre wirtschaftlichen Probleme. Die Menschen haben Angst vor dem Ungewissen. Sie sind verunsichert und sauer auf unsere Politiker."

Europameister auf Sparkurs

Zigaretten im Aschenbecher mit eingeblendeter griechischer Flagge (Foto: dpa/DW)
Krise weitet sich auch auf den Zigarettenkonsum ausBild: dpa/DW

Aus Protest gegen die Sparpläne der griechischen Regierung wird erst einmal gestreikt: Beamte wehren sich gegen Einkommenskürzungen, Arbeitnehmer protestieren gegen die geplante Rentenreform, Kioskbesitzer streiken gegen die Erhöhung der Tabaksteuer. Dimitris betreibt einen Kiosk im Zentrum von Athen. "Die Griechen sind Europameister im Rauchen", sagt er, "wir machen bis zu 50 Prozent unseres Umsatzes mit Tabakprodukten.“ Rund um die Uhr ist Dimitris im Einsatz, sieben Tage die Woche, bezahltes Personal kann er sich nicht leisten. Auch ihm macht die Wirtschaftskrise schwer zu schaffen. "Die Leute halten sich zurück und kaufen weniger, sie haben auch weniger Geld in der Tasche. Früher holte man sich gleich drei Schachteln Zigaretten hier am Kiosk, heute kaufen die Meisten nur noch eine Schachtel. Oder sie steigen auf Tabak um. Das ist viel billiger, da bist du nämlich drei Tage lang gut versorgt, für nur 3 Euro 80."

Kunden im Zahlungsverzug

Trauriges Sparschwein mit griechischer Flagge als Schnauze (Grafik: DW)
Sparkurs nach fetten JahrenBild: DW-Montage/picture-alliance/dpa

Die Anwältin Nike Polimeridou sieht die Krise nüchterner: "Wir müssen alle halt mit weniger auskommen“, sagt sie. Seit drei Jahren führt die junge Frau gemeinsam mit ihrer Schwester eine eigene Kanzlei für Handelsrecht. In letzter Zeit ist besonderes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Klienten gefragt, so Nike, denn die Stimmung in der Wirtschaft lässt nach, und mit ihr auch die Zahlungsmoral. "Einige Kunden haben finanzielle Sorgen und geraten in Verzug mit ihren Zahlungen. Wenn wir Verhandlungen um Neuaufträge führen, dann heißt es manchmal: ‛Wieso muss ich gleich 300 Euro im Voraus zahlen?’ Oder: ‛Ich gebe Ihnen erst mal 50 Euro, den Rest zahle ich später.’ Und was mir noch auffällt: Viele Gläubiger erinnern sich heutzutage an längst vergessene Forderungen, auch wenn es sich um kleine Beträge handelt. Da wird manchmal um 100 Euro gleich prozessiert", sagt Polimeridou.

In der Wirtschaftskrise wird der Ton rauer. Dass sich der Volkszorn vor allem gegen die Politiker richtet, sei verständlich, sagt die Athener Anwältin. Und dennoch: Der griechische Normalverbraucher sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen: "Viele Menschen haben einfach über ihre Verhältnisse gelebt. Die Banken lieferten Kredite ohne Ende, bei Anruf erhielt fast jeder ein privates Konsumdarlehen. Sicher, auch die Politiker sind daran schuld, weil sie uns einen höheren Wohlstand vorgegaukelt haben. Aber letzten Endes ist jeder für sich selbst verantwortlich!“

Autor: Jannis Papdimitriou

Redaktion: Mirjana Dikic / Gero Rueter

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