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IWF: Weltwirtschaft wächst weniger stark

Andreas Becker17. Juli 2012

Die Weltwirtschaft erholt sich langsamer, als der Internationale Währungsfonds bisher angenommen hat. Das liegt an der Schuldenkrise in der Eurozone, aber auch an der schwachen Entwicklung der Schwellenländer.

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Kaltwalzwerk der ThyssenKrupp Steel AG in Duisburg (Foto: dpa)
Symbolbild Wirtschaftswachstum, Wirtschaft, IndustrieBild: picture-alliance / dpa

Zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, gibt der Internationale Währungsfonds bekannt, wie er die Entwicklung der Weltwirtschaft einschätzt. Der letzte "Ausblick auf die Weltwirtschaft" (World Economic Outlook) wurde im April veröffentlicht. Seitdem verlief das Wachstum so schleppend, dass der IWF nun seine Prognosen für das Gesamtjahr 2012 und für das nächste Jahr nach unten korrigieren muss.

Demnach wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,5 Prozent wachsen, das sind 0,1 Prozentpunkte weniger als bisher angenommen. Für 2013 sehen die Experten ein Wachstum von 3,9 Prozent, das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als bisher.

Nun wird es die Welt nicht weiter erschüttern, wenn der IWF seine Prognose um ein oder zwei Zehntel Punkte senkt. Interessanter sind daher die Bewertungen einzelner Länder und Region - und vor allem die politischen Empfehlungen, die der Währungsfonds damit verknüpft.

Zum Erfolg verdammt

So ist die Schuldenkrise in der Eurozone aus Sicht des IWF der Hauptgrund für die eingetrübten Aussichten. Wenn die Politik zu spät oder zu zögerlich handelt, kann die Krise eskalieren, heißt es im Bericht. "Euroländer, die unter Druck stehen, müssen ihren Reformkurs fortsetzen", sagte Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des IWF, bei der Vorstellung der Prognose am Montag in Washington. "Solange sie das tun, müssen die anderen Länder bereit sein zu helfen", fügte Blanchard hinzu.

Allerdings gibt es zurzeit wenig Hinweise, die auf einen Erfolg der südlichen Euroländer hoffen lassen. Griechenlands Forderung von vergangener Woche, mehr Zeit für die Umsetzung der vereinbarten Reformen zu benötigen, sorgte für einigen Ärger bei den Geldgebern aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und IWF, der sogenannten Troika. "Ich habe das Gefühl, dass sich die Geduld bei der Troika dem Ende neigt", sagte der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Ebenfalls schlecht waren die Nachrichten aus Italien, einem weiteren Euroland der südlichen Peripherie. Am Freitag stufte die Ratingagentur Moody's die Bonität des Landes um gleich zwei Stufen herab, und der italienische Unternehmerverband vermeldete: "Die Wirtschaft säuft ab, die Rezession verschärft sich."

Lob für Eurogipfel-Beschlüsse

Trotzdem gibt sich der IWF optimistisch. Die Beschlüsse vom Eurogipfel Ende Juni seien Schritte in die richtige Richtung - nämlich in Richtung Bankenunion. Allerdings ist eine gemeinsame Haftung für die Schulden der Banken in der Eurozone höchst umstritten und wird, wenn überhaupt, nicht kurzfristig umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht in Deutschland erst am 12. September 2012 über die Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm und den Fiskalpakt entscheiden wird. Bis dahin liegt die Rettung der Währungsunion auf Eis.

Für Deutschland erwartet der IWF ein Wachstum von 1,0 Prozent (+0,4 Punkte) in diesem und 1,4 Prozent (-0,1 Punkt) im nächsten Jahr. In Frankreich wächst die Wirtschaft dagegen kaum (+0,3 %), in Italien und Spanien wird sie laut IWF-Prognose sogar schrumpfen - in diesem und auch im nächsten Jahr. Auch in der gesamten Eurozone geht die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr zurück (-0,3 %). Im nächsten Jahr könnte es dann wieder leicht aufwärts gehen (+0,7 %), wenn auch weniger stark als bisher erwartet.

Auch die USA sind laut IWF-Bericht ein möglicher Schwachpunkt für die Weltwirtschaft, obwohl der Währungsfonds hier ein Wachstum von 2,0 Prozent in diesem und 2,3 Prozent im nächsten Jahr erwartet. Allerdings warnt der IWF vor der "fiskalischen Klippe", die der US-Wirtschaft Ende 2012 droht. Dieser Begriff bezeichnet die Auswirkungen von Gesetzen, die Anfang 2013 in Kraft treten. Dazu gehören eine Reihe von Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen.

Fiskalische Klippe

Die Gegner dieser Maßnahmen, und zu denen gehört auch der IWF, fordern eine Aufhebung dieser Gesetze, weil sie das Wirtschaftswachstum gefährden. "Die USA müssen die fiskalische Klippe vermeiden und die Verschuldungsgrenze erhöhen", so der IWF-Bericht. Doch der US-Kongress ist zerstritten, ein Kompromiss im Jahr der Präsidentschaftswahl gilt es äußerst schwierig. "Wenn sich die politischen Akteure in den USA nicht einigen können", so der Bericht, werde sich die US-Wirtschaft abschwächen, mit "signifikanten Auswirkungen für den Rest der Welt".

Davon wären auch Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien betroffen. Schon jetzt hat sich dort die Wirtschaftsentwicklung verlangsamt, weil weniger ins angeschlagene Europa exportiert wird. Hinzu kommt eine geringere Nachfrage in den Ländern selbst.

Der IWF hat seine Prognosen vom April daher deutlich nach unten korrigiert: für Indien um 0,7 Prozentpunkte für dieses und das nächste Jahr, für Brasilien um 0,6 Punkte in diesem Jahr und für China um 0,3 Punkte im nächsten Jahr.

Insgesamt jedoch stehen Entwicklungs- und Schwellenländer vergleichsweise gut da. Um 5,6 Prozent in diesem und 5,9 Prozent im nächsten Jahr wird ihre Wirtschaft im Durchschnitt wachsen, so der IWF - wovon die Industrieländer aber immer noch träumen können.