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Wachwechsel beim Branchen-Primus

Thomas Kohlmann22. Mai 2002

Der Schweizer Josef Ackermann übernimmt am Mittwoch (22. Mai 2002) die Führung der Deutschen Bank. Damit wird das größte deutsche Bankhaus erstmals von einem Ausländer geleitet.

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Joe mag Opern, liebt Zahlen und ist Offizier der Schweizer Armee. Und – seit neuestem – Chef der größten deutschen Bank. Seinen Spitznamen hat er weg, seit er für Credit Suisse in New York war; die Internationalität, so ein Deutsch-Banker, hat Ackermann bereits in den Genen.

Steigerung des Börsenwerts

Mit dem Wechsel vom Rheinländer Rolf Breuer zum welterfahrenen Investment-Banker Ackermann brechen für den deutschen Branchen-Primus neue Zeiten an. Nicht nur viele der Industrie-Beteiligungen, sondern auch einige der Zukäufe, die Breuer in den fetten Jahren in einem regelrechten Kaufrausch zusammengetragen hat, stehen zur Disposition. Denn der Börsenwert muss gesteigert werden. Das hat der 54jährige Schweizer immer wieder unterstrichen: Von aktuell 47,7 Milliarden auf 100 Milliarden Euro – und zwar bis Ende 2003.

Damit ist Ackermann nicht nur der erste Ausländer an der Spitze des 132 Jahre alten Finanz-Instituts – er ist auch der erste Chef der Deutschen Bank, der sich radikal zum Shareholder Value, der Steigerung des Unternehmenswertes, bekennt.

Geplanter Stellenabbau

Dass die Bank schlanker werden muss, ist bekannt. Doch wieviel Mitarbeiter die Deutsche Bank in zehn Jahren noch haben wird – das steht in den Sternen. Aktuell gehen die Planungen davon aus, das jeder zehnte von weltweit über 95.000 Arbeitsplätzen wegfallen soll. Kein Wunder, dass dem Arztsohn, der in der Nähe von Sankt Gallen aufwuchs, das Image des knallharten Managers amerikanischer Prägung vorauseilt.

Dass er Ellenbogen besitzt, zeigt das Schicksal seines Widersachers im Vorstand, Thomas Fischer. Der verlies die Bank im Streit um die neuen Führungsstrukuren. Die hatte Ackermann bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt am 23. Mai ganz auf sich zugeschnitten: Ein Executive Committee, bestehend aus Ackermanns engsten Mitarbeitern, lenkt künftig die Geschicke der Bank. Von den acht Investmentbankern haben nur zwei einen deutschen Pass – der Vorstand in Frankfurt ist weitgehend kalt gestellt.

Durchsetzungsfreudiger Vorstandschef

Dass sich Ackermann durchsetzen kann, zeigte er, als er die von Rolf Breuer geplante Fusion mit der Dresdner Bank im Frühjahr 2000 platzen ließ. Der Grund: Querelen um die Integration der beiden Investment-Sparten.

Doch auch der smarte Schweizer weiß, wann er zurückrudern muss: So scheint das hartnäckige Gerücht, Ackermann wolle die Bank-Zentrale an seinen bisherigen Wirkungsort London verlegen, mittlerweile vom Tisch zu sein. Und seine frühere Forderung, das Filialgeschäft zu verkaufen, ist ebenso Schnee von gestern. Ganz im Gegenteil: Die von Rolf Breuer betriebene Abspaltung des wenig profitablen Filial-Geschäfts als "Deutsche Bank 24" soll wieder rückgängig gemacht werden.