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Stimmungstest

Peter Philipp15. Dezember 2006

Im Iran werden Stadt- und Gemeinderäte sowie die Expertenversammlung neu gewählt. Für den im westlichen Ausland heftig kritisierten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad ist das ein erster Popularitätstest.

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Mahmud Amadinedschad, Quelle: AP
Mahmud Amadinedschad (Archiv)Bild: AP

Für den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad muss es ein unerhörtes Erlebnis gewesen sein: Bei einem Auftritt in der Amirkabir-Universität in Teheran verbrannten Studenten Fotos des Regierungschefs und forderten lautstark den "Tod des Diktators". Der Präsident versuchte zwar, den Spieß umzudrehen und erklärte, der wahre Diktator seien die USA, dann zog er es aber vor, seinen Auftritt vor den unzufriedenen Studenten abzubrechen.

Frauen mit Schleier beraten vor einer Liste mit Wahl-Kandidaten (Archivfoto), Quelle: AP
Bei den Kommunalwahlen treten 341.000 Kandidaten anBild: AP

Keine anderthalb Jahre nach seiner überraschenden Wahl war Ahmadinedschad zum ersten Mal offen auf Protest und Widerstand gestoßen. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was er am Freitag (15.12.2006) zu erwarten haben könnte, wenn im Iran neue Gemeindeverwaltungen und die Mitglieder der "Experten-Versammlung" gewählt werden: Die Wahlen stehen im Zeichen eines Machtkampfes zwischen rivalisierenden konservativen Gruppen auf der einen Seite und einer zum ersten Mal wieder geeint auftretenden Front von Reformpolitikern. 46 der insgesamt 70 Millionen Iraner können als Wahlberechtigte ihre Stimmen abgeben.

Gemeinderäte haben Einfluss auf Geldvergabe

Die Wahlen sind mehr ein Barometer der politischen Stimmung als wirklich ein Indiz für politische Veränderung: Die Gemeinderäte bestimmen nicht die nationale Politik, aber sie können durch ihre Verteilung der öffentlichen Gelder die Stimmung in der Bevölkerung beeinflussen - so, wie Ahmadinedschad dies während seiner Amtszeit als Bürgermeister von Teheran gelungen war. Er war zwar national und erst recht international so gut wie unbekannt, wurde aber dennoch im zweiten Wahlgang ins Amt des Staatspräsidenten gewählt. Ob es seinem Nachfolger im Teheraner Rathaus, Mohamad Bagher Qalibaf, gelingen wird, sich gegen die Anhänger von Ahmadinedschad zu behaupten, ist ungewiss, aber beide müssen sich der Konkurrenz durch noch konservativere Kräfte erwehren und – zum ersten Mal seit Jahren – einer geeinten Front von Reformern. Deren Erfolgsaussichten hängen sehr von der Nachhaltigkeit des Frusts ab, den die Reformanhänger gegenüber Wahlen und der Politik allgemein zeigen.

Auf den ersten Blick ähnlich unspektakulär, aber möglicherweise dennoch folgenschwer ist die parallele Wahl des "Expertenrates": 86 Geistliche und religiös bewanderte Laien machen dieses Gremium aus, dessen wichtigste Aufgabe die Wahl des "Obersten Führers" ist. Dieser Posten, seit dem Tode Ayatollah Khomeinis bekleidet von Ayatollah Khamenei, steht zwar nicht zur Disposition, aber dennoch ist es wichtig, wie die Machtverteilung in der Versammlung ist, denn diese könnte den Obersten Führer sogar absetzen. Und obwohl Khamenei im Ausland als Erzkonservativer gilt, drängen noch viel konservativere Kräfte wie etwa der radikale Ayatollah Mesbah-Yazdi darauf, den vermeintlich zu liberalen Khamenei besser zu kontrollieren. Yazdi, der als "spiritus rector" hinter Ahmadinedschad betrachtet wird, möchte wie dieser den Iran in die Tage nach der Revolution zurückversetzen und hält alles demokratische Gehabe für unsinniges und verwerfliches Abweichlertum vom eigentlichen Weg.

Vereinte Reformer

Gegen die Radikalen hat sich nun eine breite Front zusammengeschlossen, die vom ehemaligen Staatspräsidenten Rafsanjani über dessen Amtsnachfolger bis hin zu Khameini reicht. Gelingt es dieser Gruppe, den Expertenrat unter ihre Kontrolle zu bringen, dann wäre dies eine Niederlage für die Hardliner um und hinter Präsident Ahmadinedschad. Selbst wenn dies auch keine unmittelbaren Auswirkungen hätte. Auf jeden Fall aber ist bereits vorgesorgt, dass die Verlierer behaupten können, bei der Wahl sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen: Wie im Iran üblich, mussten die Kandidaten vom "Wächterrat" bestätigt werden, einem streng-orthodoxen Gremium. Dieser Rat disqualifizierte gleich 240 der 490 Bewerber und nachdem andere aufgaben, verbleiben nur noch 140 Kandidaten. Das Gesetz sieht aber eigentlich vor, dass für jeden Posten im Rat mindestens zwei Kandidaten antreten müssen. Eine Bedingung, die in manchen Wahlkreisen nun nicht mehr erfüllt wird.