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Wahlen in Russland: Stimmungen abseits von Moskau

28. Februar 2008

Nicht nur in Moskau, auch in den Regionen zweifelt niemand am bevorstehenden Wahlsieg des Kreml-Kandidaten Medwedew. DW-Reporter haben sich vor Ort umgehört. Fokus Ost-Südost präsentiert eine Auswahl.

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Plakat für die Präsidentenwahl am 2. MärzBild: picture-alliance/ dpa

Die Leiterin des historischen Museums in der Nähe von Omsk, Julia Sokolowa, mag historische Fakten kritisch beurteilen. Wenn es aber um die gegenwärtige Politik in Russland geht, gibt sie sich pragmatisch. Für sie ist klar: Bei der russischen Präsidentschaftswahl am 2. März wird sie für Dmitrij Medwedew stimmen.

"Ich werde für Medwedew stimmen, weil dies eine Entscheidung ist, die keine Nachteile mit sich bringt", sagt sie. "Ich denke, wenn Menschen kooperieren, so wie Putin und Medwedew, dann bedeutet das schon viel. Ich sehe das bei mir selbst, wenn man zusammenarbeitet, dann lebt man auch für dieselbe Idee. Aber dennoch muss das Spiel fair sein, es muss eine Wahlmöglichkeit geben. Wenn man sich ansieht, wie die lokale Führung das handhabt, dann scheint mir, dass all dies übertrieben ist, wie es bei uns abläuft."

Kritik an staatlichen Leistungen

Wladimir Putins Präsidentschaft empfindet Julia Sokolowa als widersprüchlich. Sie meint:

"Ich verstehe, dass Putin viel geleistet hat. Staatsbeschäftigte bekamen wieder Wohnungen zugeteilt. Früher gab es das nicht. Die kommunalen Dienstleistungen sind jetzt erschwinglicher. Aber über die Gesundheitsversorgung brauchen wir erst gar nicht zu reden, weil sie nach wie vor kostenpflichtig ist, sie ist sogar noch teurer geworden. Auch die Bildung kostet Geld, auch da ist es schlechter geworden. Es wäre zu wünschen, dass unser Staat, unsere Führung die Bildung erschwinglicher macht."

Trotz teurer Bildung werden die Lehrer schlecht bezahlt. Auf dem Land erhalten sie zwischen 2.500 und 4.500 Rubel, das sind 100 bis 150 Euro. In der Stadt kann ein Lehrer bis zu 7.000 Rubel verdienen, aber das ist schon Glückssache. Anderen geht es nicht viel besser. Pawel Fomin beispielsweise, Neurochirurg mit zehnjähriger Berufserfahrung, ist seit Abschluss seines Studiums an der größten Klinik der Stadt beschäftigt. Ein Beispiel für Wohlstand ist er aber nicht.

Er erzählt: "Es gab eine Zeit, wo die Gehälter ständig gestiegen sind. Das war schön. Aber dann tat sich nichts mehr. Ich habe mein Einkommen im vergangenen Jahr mit dem aus dem Jahr 2006 verglichen. Ich habe denselben Lohn bekommen, aber die Preise steigen doch. Ich habe früher 7.000-8.000 Rubel bekommen, wie auch jetzt, aber ich kann dafür immer weniger kaufen."

Stabilität im Mittelpunkt

Freilich: weder der Arzt noch die Museumsleiterin beklagen sich oder führen ihre heutigen Probleme auf die Regierungszeit unter Wladimir Putin zurück. Mehr noch - sie beschreiben die letzten Jahre in Russland mit dem Begriff "Stabilität".

"Stabilität in dem Sinne", so Neurochirurg Fomin, "dass ich heute nicht mehr darüber nachdenke, ob ich mein Gehalt überhaupt ausgezahlt bekomme. Ich habe heute eine Wohnung und zahle für sie und werde das noch lange tun, mich kann niemand auf die Straße setzen. Früher, vor Putin, gab es eine Zeit, in der man nicht an den nächsten Tag geglaubt hat."

Omsker Künstler und Akademiker, so scheint es, unterstützten die heutige Staatsmacht. Zum Beispiel der Schauspieler Timofej Grekow. Auch er meint, Putin stehe für Stabilität. "In den letzten Jahren hat sich einiges verändert", betont Grekow. "Es ist einfacher geworden, Zukunftspläne zu schmieden. Es ist einfacher, einen Kredit aufzunehmen. Die Löhne werden regelmäßig gezahlt. Und ich denke, das hängt direkt damit zusammen, dass Wladimir Putin unser Land regiert."

Hoffen auf Medwedew

Wenn jemand überhaupt noch darüber nachdenkt, wer der nächste Präsidenten des Landes wird, dann sind es garantiert die Vertreter der Staatsmacht vor Ort in Omsk. Gouverneur Leonid Poleschajew liegt wie keinem anderen daran, dass die Macht von Putin auf Medwedew übergeht. "Während des ersten Besuchs von Wladimir Putin nach den Wahlen in Omsk habe ich auch Medwedew kennen gelernt. Seitdem stehen wir in Kontakt und seit zwei Jahren treffen wir uns auch häufig. Ich gehöre dem Rat für Fragen nationaler Projekte an, darunter ist auch das Wohnungsbau-Programm. In Medwedews Auftrag überwache ich die Umsetzung des Projekts in Omsk", erklärt der Gouverneur.

Schauspieler Timofej Grekow rechnet ebenfalls fest damit, dass Medwedew der neue Präsident Russlands wird. Aber er hält zwei Entwicklungen für möglich: "Ich denke, eines von beiden wird wohl passieren: entweder es findet sich ein Nachfolger, der genau so rackern wird, oder es wird nur einen Übergangspräsidenten geben, den man nach einer gewissen Zeit absichtlich wieder absetzt, damit Putin auf völlig legaler Grundlage wieder zur Wahl antreten kann. Das sind die Regeln des Spiels, das wir spielen. Auch wenn es unterhaltsam ist, sich dies anzuschauen, ist es eigentlich traurig und lustig zugleich."

Artjom Khan, DW-Russisch