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Wann ist der Mensch ein Organspender?

Bernd Gräßler24. Februar 2015

Der deutsche Ethikrat erklärt den Hirntod zum entscheidenden Entnahme-Kriterium. Er fordert mehr Aufklärung der Bevölkerung über die Organspende. Auch darüber, was Deutsche bei Auslandsreisen beachten sollten.

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Plakat zum Thema Organspende
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Mehrheit des Ethikrats, für die ich hier spreche, ist der Überzeugung, dass der Hirntod das richtige Kriterium für den menschlichen Tod ist." Was der Jurist Prof. Wolfram Höfling nach langen Beratungen des Ethikrates in Berlin verkündet, liegt dem in Deutschland gültigen Gesetz für Transplantationen längst zugrunde: Der Hirntod ist ein sicheres Todeszeichen.

Zweifel daran dürften allerdings zuletzt durch eine fragwürdige Hirntod-Diagnose an einem Bremerhavener Klinikum wieder gestiegen sein. Und das war möglicherweise kein Einzelfall, denn in mehreren deutschen Krankenhäusern prüft die Bundesärztekammer derzeit die Hirntod-Diagnosen.

Mit Blick darauf fordert der Ethikrat, dass flächendeckend fachkompetente Ärzte für eine verlässliche Hirndiagnostik zu Verfügung stehen sollten. Denn es geht auch um die Bereitschaft von Menschen, nach ihrem Tod #link:https://www.organspende-info.de/:Organe zu spenden#, um anderes Leben zu retten. Und die sinkt in Deutschland von Jahr zu Jahr.

Organspenden auf Tiefstand

Zuerst die Manipulationen an Wartelisten für Transplantationen, dann die Ängste vor einer zu frühen Todesdiagnose: Trotz großangelegter Werbekampagnen stellten zuletzt immer weniger Deutsche ihre Organe für die postmortale Entnahme zur Verfügung. 2014 kamen in Deutschland nur noch knapp elf Spender auf eine Million Einwohner. Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei rund 20, in den USA sogar bei 25 Spendern.

Der von Regierung und Parlament eingesetzte Ethikrat aus Medizinern, Juristen, Naturwissenschaftlern, Philosophen und Theologen will Ängste abbauen. Damit tut er sich auf seiner rund 180 Seiten langen Stellungnahme "Hirntod und Entscheidung zur Organspende" nicht leicht. Er ist sich nicht einig, ob der Hirntod tatsächlich als "endgültiger" Tod des Menschen zu bezeichnen ist. Eine Minderheit der Mitglieder verweist nämlich darauf, dass der Organismus auch nach Absterben des Gehirns mit Hilfe der Intensivmedizin noch funktionieren kann und selbst erfolgreiche Schwangerschaften bei Hirntoten möglich seien. Doch immerhin teilt auch die Minderheit die Meinung der Mehrheit, dass nach dem Hirntod eine Entnahme von Organen erlaubt sein müsse, weil der betreffende Mensch über keinerlei Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen mehr verfüge und eine Weiterbehandlung medizinisch nicht angezeigt sei.

Herzstillstand nicht entscheidend

Kritiker, die diese Position unlogisch finden und von einer Organentnahme am lebenden Menschen sprechen, verweist Jurist Höfling auf eine viel weitgehendere Praxis am Transplantationszentrum in Pittsburg/USA, wo nach einer "ganz kurzen Wartezeit" bereits Organe entnommen werden könnten."Nach 90 bis 120 Sekunden Herzstillstand kann keiner ernsthaft behaupten, dass diese Menschen tot sind, aber trotzdem funktioniert dieses größte Transplantationszentrum der Welt".

Der Ethikrat weist auch darauf hin, dass in anderen Ländern Menschen nach einem fünf- bis zehnminütigen Herz-Kreislauf-Stillstand bereits als hirntot gelten und als Organspender in Frage kommen.

Deutschland Ethikrat der Bundesregierung Christiane Woopen
Christiane Woopen: "Organprotektion gesetzlich regeln".Bild: dapd

Gegen eine solche Auffassung gebe es in Deutschland ethische Bedenken, weil sie Auswirkungen auf die ärztlichen Bemühungen haben könnten, einen Patienten mit Herzstillstand wiederzubeleben. In diesem Zusammenhang fordert der Ethikrat eine bessere Aufklärung von Reisenden darüber, dass in anderen Staaten andere Regelungen für eine Organentnahme gelten könnten. Die deutschen Krankenkassen warnen im Internet übrigens Reisende vor #link:http://www.krankenkassen.de/ausland/organspende/:"Organspenden wider Willen"#

Therapie kontra Organspende?

In seinen Empfehlungen geht der Ethikrat auch auf die sogenannten "organprotektiven Maßnahmen" bei Sterbenden ein, die sich zu einer Organspende bereit erklärt hatten oder deren Angehörige dieser zugestimmt haben. Wenn der Patient keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, könne es zum Konflikt mit der Notwendigkeit kommen, bestimmte körperliche Funktionen zur Qualitätserhaltung der Spenderorgane aufrecht zu erhalten, erklärt die Vorsitzende des Ethikrates, die Medizinerin Prof. Christiane Woopen: "Ein solch einschneidender Eingriff in den Sterbeprozess muss gesetzlich geregelt werden." Vorbild könne die Schweiz sein, sagt Jurist Höfling.

Eine Minderheit des Ethikrates, darunter der Essener Klinik-Chef Prof. Eckhardt Nagel, sieht in dieser Forderung aber eine weitere Verunsicherung potentieller Organspender. Der ärztliche Behandlungsauftrag konzentriere sich ohnehin auf das Wohl des Patienten und nicht auf eine theoretische Möglichkeit zur Organspende.