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"Wann ist dieses Ebola endlich vorbei?"

Patricia Huon, Hilke Fischer6. Dezember 2014

Während der Nachbar Liberia Erfolge im Kampf gegen Ebola meldet, ist Sierra Leone zum traurigen Spitzenreiter bei den Infektionsfällen geworden. Patricia Huon berichtet von einem Drama, dessen Helden ausgegrenzt werden.

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Helfer in Schutzanzug mit einem Kind in Sierra Leone (Foto: CARL DE SOUZA/AFP/Getty Images)
Bild: Carl De Souza/AFP/Getty Images

Er starb in der Nacht. 31 Jahre alt wurde der Mann, den Emmanuel Sallu und sein Kollegen vom Bestattungsteam in seinem Haus abholen. Sallu ist Student, für den Abtransport der Ebola-Toten hat er sich freiwillig gemeldet. "Irgendjemand muss es doch machen. Sonst stirbt am Ende unser ganzes Land an Ebola."

Die freiwilligen Bestattungshelfer sind essenziell für den Kampf gegen Ebola in Sierra Leone. Damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet, müssen die Verstorbenen so schnell wie möglich beerdigt werden. 15 Leichen hat Emmanuel Sallu am Vortag zum Friedhof gebracht. Die Arbeit strengt ihn an - auch emotional. "Einige der Toten bluten aus der Nase und aus den Ohren. Das ist schwer zu ertragen. Vor allem, wenn es sich um kleine Kinder handelt oder um Menschen in meinem Alter."

Wenn Sallu und seine Kollegen in ihrer Schutzmontur und ihrem zum Leichenwagen umfunktionierten Geländewagen anrücken, dann begegnen ihnen viele mit Angst und sogar Feindseligkeit. Eines Tages wurde Sallu von einem Stein am Kopf getroffen. Selbst seine eigene Familie meidet ihn inzwischen. "Niemand traut sich mehr in meine Nähe. Sie sagen, ich arbeite mit Ebola. Seitdem wohne ich bei Freunden."

Freiwillige Helfer vom Roten Kreuz sammeln Leichen in Freetown ein (Foto: Scholz/Kriesch)
Die freiwilligen Bestatter werden mit Argwohn betrachtetBild: DW/Scholz/Kriesch

Leben unter Quarantäne

Das Gefühl, gemieden zu werden, kennt auch Ibrahim, der ebenfalls in Sierra Leones Hauptstadt Freetown lebt. Er, seine Familie und ihre Nachbarn dürfen ihre Häuser nicht verlassen - sie stehen unter Quarantäne. "Mein Bruder ist an Ebola gestorben. Ich hatte ihn ins Krankenhaus gebracht und danach sagte man mir, dass ich mich ganz sicher angesteckt habe." 21 Tage muss er nun abwarten, dann ist die Inkubationszeit offiziell abgelaufen. Viel Verständnis hat Ibrahim für diese Maßnahme nicht: "Das Schlimmste ist, dass ich nicht arbeiten darf."

Die Maßnahme, ganze Stadtteile unter Quarantäne zu stellen, sei notwendig, um eine weitere Ausbreitung des Virus' zu verhindern, argumentiert die Regierung. "Die Frage ist doch: Wie kann man die Ansteckungskette unterbrechen?", sagt Steven Gaojia, Koordinator des nationalen Zentrums zur Ebola-Bekämpfung. Das sei nur möglich, wenn Verdachtsfälle isoliert würden. Aber er gibt zu: "Es stimmt, dass es dabei logistische Herausforderungen gibt."

Eine dieser Herausforderungen ist die Versorgung mit Lebensmitteln. Die Regierung verteilt mit Unterstützung des Welternährungsprogramms (WFP) Reissäcke an die Familien, die ihre Häuser nicht verlassen sollen. "Die meisten der Menschen hier leben von der Hand in den Mund", sagt Francis Boima, Sprecher des WFP. "Eigentlich müssten sie jeden Tag unterwegs sein, um Geld für Nahrung zu verdienen." Doch die Zahl der Ebola-Fälle steigt weiter, viele Regionen sind schwer zu erreichen. Die Organisation weiß, dass es unmöglich ist, alle Haushalte zu versorgen.

Markt in Freetown (Foto: Tom Schulze)
Markt in Freetown: Teure Waren, weniger KundenBild: picture-alliance/ZB/Thomas Schulze

Die Schulen blieben geschlossen

Dabei sind die Marktstände in Freetown üppig gefüllt, auf den Märkten herrscht reges Treiben. Doch der Schein trügt: Wegen des Ausnahmezustands, den die Regierung verhängt hat, laufen die Geschäfte schlechter, beschwert sich ein Verkäufer. "Es sind weniger Menschen hier. Außerdem müssen wir jetzt abends schon früher schließen." Ein Großteil der Ware kommt aus den ländlichen Gebieten nach Freetown. Etliche Regionen stehen komplett unter Quarantäne, die Produkte sind deutlich teurer geworden.

Die Ebola-Epidemie wirke sich auf zahlreiche Bereiche des täglichen Lebens aus, sagt Janet Koma. Die Mutter ist auf den Markt gekommen, um ihre Tageseinkäufe zu erledigen. "Die Menschen haben kein Geld mehr und können sich die teuren Produkte nicht leisten. Es ist gefährlich geworden, ins Krankenhaus zu gehen. Die Kinder gehen nicht mehr in die Schule."

Damit sich Ebola nicht weiter ausbreitet, sind die Schulen in Sierra Leone geschlossen. Knapp drei Millionen Kinder bekommen keinen Unterricht. Edna ist Studentin, sie sorgt sich um ihre jüngeren Brüder: "In der Schule wäre das Ansteckungsrisiko viel zu hoch. Wir lassen sie nicht einmal von unserem Grundstück." Jetzt schauten sie den ganzen Tag lang Filme. "Sie langweilen sich. Sie wollen zurück in die Schule und sie fragen die ganze Zeit, wann dieses Ebola denn endlich vorbei ist."

Ebola-Aufklärung in Sierra Leone
Ebola-Aufklärung in Sierra Leone: "Die Leute haben genug"Bild: imago/Xinhua

Ein weiter Weg bis zur Normalität

Die Leute hätten genug von den Einschränkungen, weiß auch Rachael Bangura. Sie moderiert eine Fernsehsendung, in der es um Ebola-Aufklärung geht. Sich regelmäßig die Hände zu waschen, daran habe man sich gewöhnt. "Aber sich nicht berühren zu dürfen, keine normalen Beerdigungen abhalten zu können, das wiederstrebt unserer Kultur."

Neben den unmittelbar tödlichen Folgen droht das Virus, das soziale Gefüge in Sierra Leone langfristig zu beeinträchtigen. Selbst wenn es gelingt, die Epidemie eines Tages unter Kontrolle zu bekommen - die Aufgabe, Vertrauen und Normalität im Umgang wieder herzustellen und Stigmata zu überwinden, ist enorm.