1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kundus-Vorfall ein Kriegsverbrechen?

7. Oktober 2015

Krankenhäuser stehen laut Genfer Konvention unter besonderem Schutz. "Ärzte ohne Grenzen" fordern deshalb eine Untersuchung, ob der Beschuss ihres Krankenhauses in Kundus ein Kriegsverbrechen war.

https://p.dw.com/p/1Gjmr
Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" in einem nicht zerstörten Teil des Krankenhauses in Kundus kurz nach dem Beschuss (Foto: dpa)
Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" in einem nicht zerstörten Teil des Krankenhauses kurz nach dem BeschussBild: picture-alliance/dpa/Ärzte ohne Grenzen

"Ärzte ohne Grenzen" hat die Bombardierung ihrer Klinik im afghanischen Kundus als "Angriff auf die Genfer Konvention" bezeichnet. Die Präsidentin der Hilfsorganisation, Joanne Liu, forderte eine Untersuchung des Vorfalls vom vergangenen Samstag durch eine "internationale humanitäre Kommission". Sie habe kein Vertrauen in eine interne militärische Untersuchung. "Das war nicht nur ein Angriff auf unser Krankenhaus, es war ein Angriff auf die Genfer Konvention. Das kann nicht hingenommen werden", sagte Liu vor Journalisten in Genf. Um ihrem Aufruf Nachdruck zu verleihen sucht die Organisation nun auch Unterstützung im Internet. Unter dem Hashtag #independentinvestigation fordert "Ärzte ohne Grenzen" eine unabhängige Aufklärung der Luftangriffe.

Nach US-Angaben hatten afghanische Streitkräfte, die unter Beschuss von Taliban-Kämpfern standen, den Angriff angefordert. US-Verteidigungsminister Ashton Carter äußerte sein tiefstes Bedauern über den tödlichen Vorfall. Das Pentagon werde die Ermittlungen Afghanistans und der NATO voll unterstützen, erklärte Carter am Dienstag. "Durch vollständige und transparente Aufklärung tun wir alles, um diesen tragischen Zwischenfall zu verstehen, aus ihm zu lernen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wo das nötig ist."

US-Angriff ohne Anlass

Die in Afghanistan verbliebenen US-Streitkräfte dürfen nur in drei Ausnahmefällen selbst eingreifen: Wenn US-Truppen oder Verbündete in Gefahr sind, als Unterstützung der afghanischen Armee bei gezielten Angriffen auf Al-Kaida-Kämpfer, und als Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in Extremsituationen mit Massenaufläufen. Der Vorfall von Kundus trifft allerdings auf keine dieser drei Bedingungen zu. Das musste auch der US-Oberkommandeur in Afghanistan, John Campbell, zugeben. So seien weder US-Militärs direkt bedroht worden, noch habe es Hinweise auf eine Anwesenheit von Al-Kaida-Mitgliedern in dem Krankenhaus gegeben.

Bei dem mehrfachen Beschuss durch US-Kampfflugzeuge kamen in der Nacht zum Samstag 22 Menschen in dem Krankenhaus in Kundus ums Leben. "Ärzte ohne Grenzen" betreibt die Klinik seit mehr als vier Jahren. Nach Angaben der Hilfsorganisation waren die afghanischen und die US-Streitkräfte über die GPS-Koordinaten des Krankenhauses informiert. Der Standort in Kundus war der einzige im Nordosten Afghanistans, an dem schwere Kriegsverletzungen behandelt werden konnten.

djo/sp (ap, afp, dpa)