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Politik

Warnung vor Kreml-Propaganda

Lewis Sanders IV ch
12. Oktober 2016

Der Auswärtige Ausschuss des Europaparlaments sieht die EU als Ziel eines systematischen Moskauer Medienfeldzugs, der Europa destabilisieren soll. Die Abgeordneten schlagen Gegenwehr vor.

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Symbolbild russische Propaganda
Bild: picture alliance/Bildagentur-online

Propaganda mit dem Ziel, demokratische Werte in Europa zu zerstören - die betreibe die russische Regierung. Dabei ziele sie auf einzelne Journalisten und Politiker in der EU. So steht es in einer Resolution des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, die am vergangenen Montag verabschiedet wurde.

Weiter heißt es in dem Beschluss: "Die russische Regierung setzt in aggressiver Weise ein breites Spektrum an Mitteln ein wie etwa Denkfabriken, mehrsprachige Fernsehsender (zum Beispiel Russia Today), Pseudo-Nachrichtenagenturen, die sozialen Medien und Internet-Trolle, um demokratische Werte anzugreifen, Europa zu spalten, in Russland Unterstützung zu sammeln und den Eindruck zu erzeugen, es gebe gescheiterte Staaten in der östlichen Nachbarschaft der EU."

Die Europaabgeordneten riefen Medienvertreter in der EU auf, Belege für diese Propaganda zu sammeln, und brachten ihre Sorge zum Ausdruck, einige der EU-Mitgliedsstaaten seien wegen ihres mangelnden Bewusstseins für die russischen Aktivitäten Ziele für verstärkte russische Propaganda und Desinformation.

In der EU soll eine Arbeitsgruppe für strategische Kommunikation der Propaganda entgegenwirken. Die Resolution drängt jetzt, diese Arbeitsgruppe zu einer "vollwertigen Einheit" innerhalb der EU-Diplomatie auszubauen und "mit angemessenem Personal und finanziellen Mitteln" auszustatten.

Anna Fotyga, die Berichterstatterin für die Resolution, sagte der Deutschen Welle, es müsse mehr getan werden, um die "Propagandamechanismen" bloßzulegen, die auf einzelne Mitgliedsstaaten, die EU insgesamt und den Westen gerichtet seien.

Margarita Simonjan, die Chefredakteurin von RT (ehemals Russia Today), meinte dagegen im Gespräch mit der DW, die Resolution bedeute einen Eingriff in die Meinungsfreiheit in der EU:

"Das ist eine ziemlich interessante Auslegung der vielgepriesenen westlichen Werte, vor allem der freien Meinungsäußerung. In der Praxis läuft das darauf hinaus, unter den buchstäblich tausenden von europäischen Medienunternehmen eine der wenigen abweichenden Stimmen anzugreifen", so Simonjan in einer schriftlichen Erklärung. "Wenn irgendetwas das öffentliche Vertrauen in die Europäischen Institutionen untergräbt, dann dies."

Russland Presse Chefredakteurin Russia Today TV channel Margarita Simonyan
RT-Chefredakteurin Simonjan: "Die Resolution ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit in der EU" Bild: RIA Novosti

Methoden "zu raffiniert"

Tomas Olivier, Chef der in den Niederlanden ansässigen nachrichtendienstlichen Beratungsfirma Lowlands Solutions, sagt, die russische Kampagne habe ihren Ursprung darin, dass der Westen Russland immer wegen offenbarer demokratischer Defizite angeprangert habe.

"Die russische Propaganda zielte immer darauf ab, die demokratischen Werte Europas zu untergraben, weil der Westen das politische System in Moskau durch die Geschichte hindurch oft als totalitär, böse und unmenschlich angeprangert hat", so Olivier gegenüber DW.

Olivier bezweifelt, dass die Resolution der Strategie russischer Medien und ihrer Unterstützer wirklich entgegenwirken kann: "Viele der russischen Maßnahmen sind einfach zu raffiniert und maskiert, um sie wirklich  bekämpfen oder neutralisieren zu können. Die Resolution wird nicht zu verstärktem Bewusstsein oder aktivem Verhalten führen, um dieser Propaganda- und Desinformationskampagne wirkungsvoll zu begegnen."

Der "korrupte, dekadente Westen" 

Im August veröffentlichte die in Washington ansässige Denkfabrik Center for European Policy Analysis einen Bericht, der russische Propagandatrends untersuchte und Gegenstrategien vorschlug.

Darin heißt es: "Die russische Desinformationskampagne in Mittel- und Osteuropa überschreitet sprachliche und politische Grenzen. Sie benutzt Protestpolitiker, die sich gegen das Establishment richten, von beiden Enden des politischen Spektrums, um die Regierungen, die Politik und die Institutionen des Westens wie der Europäischen Union und der NATO zu diskreditieren. Gleichzeitig bestätigt sie die Botschaft des Kreml."

Das Washingtoner Institut nennt das staatliche russische Nachrichtenportal "Sputnik" als ein entscheidendes Werkzeug, um die russische Sichtweise des Westens zu verbreiten. "Was für den Kreml zählt, ist nicht Ausgewogenheit, sondern das Gegenteil: einseitige Abneigung dem Mainstream gegenüber. Sputnik räumt Protest- und Anti-Establishment-Politikern aus Mittel- und Osteuropa unverhältnismäßig breiten Raum ein, und zwar systematisch. Und selbst wenn das Portal Politiker der Mitte doch einmal zitiert, wählt es Äußerungen aus, die ins allgemeine Bild eines korrupten, dekadenten und russlandfeindlichen Westens passen", so der Bericht.

Mit der jetzt verabschiedeten Resolution warnt die EU nicht zum ersten Mal vor den möglichen Folgen russischer Propaganda. Dennoch ist sie ein neues Kapitel in dem Versuch, Einfluss auf Informationen und Meinungsbildung zu gewinnen. Die Abstimmung über die Resolution im Plenum ist für November geplant.