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Gemischte Gefühle

Meike Scholz7. Januar 2008

Mitte Februar soll in Pakistan ein neues Parlament gewählt werden. Doch Präsident Musharraf hat das Recht, den vom Parlament gewählten Premier zu feuern. Nicht nur deshalb erwarten die Pakistaner wenig von der Wahl.

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Anhänger der ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto in Rawalpindi, Quelle: AP (12.01.2002)
Anhänger der ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto in RawalpindiBild: AP

Die Millionenmetropole Lahore ist ein unruhiger Ort. Besonders aber um die Mittagszeit. Ohrenbetäubendes, staccatoartiges Hupen von Autos, die sich wie an einer Perlenschnur aufgezogen dicht an dicht hintereinander schieben. Stoßstange an Stoßstange, Mensch an Mensch. Und immer wieder drängeln sich Mopedfahrer knapp an den Autos vorbei. Jeder hat es eilig, jeder will schnellstmöglich an sein Wunschziel gelangen. Polizisten haben hier folglich einen schweren Job bei der Verkehrsregelung zu verrichten.

Etwa eine Armlänge entfernt von diesem lauten, stressigen und recht nervigen Geschehen steht ein Mann namens Shikil in seiner Werkstatt - direkt an der Straße, mitten im Smog. Dort baut er zwölf Stunden am Tag Eisenbetten. Ein harter Job, der finanziell kaum zum Leben ausreicht.

Mehr Vertrauen in Gott als in Präsident Musharraf

Eine Frau und vier Kinder habe er, sagt Shikil und stöhnt. Brot, Öl, Zucker - alles sei teurer geworden. Nur die Mobilfunk-Preise, die seien gesunken, aber davon werde ja keiner satt, beklagt er. In Urdu, einer indogermanischen Sprache, die zugleich Amtssprache im südasiatischen Staat ist, fordert der Handwerker energisch: "Musharraf ist ein grausamer Präsident, er muss gehen. Das ist klar. Aber es gibt auch keinen anderen, der hier einen Wechsel bringen könnte. Ich selbst habe deshalb keine Hoffnung. Alles liegt in Gottes Hand."

Präsident Musharraf bei einer Fernsehansprache, Quelle: AP Photo(02.01.2008
Musharraf: Bleibt er in Pakistan weiterhin an der Macht?Bild: AP/Pakistan Press Information Department
Hoffnungslos sich dem Schicksal ergeben oder auf Gott vertrauen: Menschen wie Shikil gibt es viele in Pakistan, das mit etwa 165 Millionen Menschen rund zweimal so groß wie das deutsche Bundesgebiet ist. Fast jeder Dritte lebt dort unterhalb der Armutsgrenze. Und das, obwohl die Regierung nach dem 11. September 2001 und mit Beginn des Antiterror-Krieges viele Milliarden Dollar Hilfsgelder bekommen hat, sagt der Anwalt und Menschenrechtler Anees Jillani. Allein von Banken hat das Land, dessen Bevölkerung zu 66 Prozent direkt oder indirekt vom ländlichen Sektor abhängt, vier Milliarden US-Dollar erhalten.

Wahlbeteiligung aus Frustration oder Protest

"Pakistan ist eines der korruptesten Länder dieser Welt. Und das ist wohl auch die Tragödie dieses Landes. Wir haben keine guten Führer. Die Leute machen trotzdem mit. Sie gehen wählen und vertrauen ihren Kandidaten. Sie glauben, dass es dieses Mal klappen wird, dass wir eine Demokratie bekommen und sich das Schicksal unseres Landes ändern wird. Doch egal, wer an die Macht kommt - für die Menschen und das Land ändert sich nichts, bis auf das einige Auserwählte reicher werden", beklagt sich Jillani.

Auch außerhalb der Stadt wird wild diskutiert: über Präsident Musharraf, die Opposition und die Wahlen stehen bei den Pakistanern als Gesprächsthemen hoch im Kurs. Einer von ihnen ist Rahmud Ali, der nüchtern feststellt: "Die Leute hier sind frustriert, aber für sie gibt es keinen Ausweg. Was sollen sie tun? Wenn sie nicht wählen gehen, dann hat die Regierung doch freie Hand. Deshalb glaube ich, dass viele ihre Stimme abgeben werden - unter Protest."

Jillani: "Die Leute wollen einen Wandel, haben aber keine Alternative"

Sehr kontrovers wird der Gedankenaustausch zwischen Zulafkar Ali und Altahusan Belouch geführt. Zulafkar Ali ist mehr denn je für die Ablösung Musharrafs. Alles sei schlechter geworden: "Ich habe fünf Kinder. Ich verdiene jetzt weniger, kann meine Lebensmittel nicht mehr zahlen. Deshalb will ich einen Wandel." Belouch hingegen hat sich in der letzten Zeit so sein eigenes Bild von den heimischen Politikern gemacht: "Wahlen bringen doch nichts. Die Politiker sind alle korrupt. Sie versprechen viel, aber am Ende arbeiten sie nur für sich selbst, setzen ihre eigenen Interessen durch. Für die armen Leute kommt dabei nie etwas heraus."

Diese Leute haben genug von der Politik, sagen die Experten über die Pakistaner, die für die Politiker nur interessant sind, weil sie ihre Stimme haben wollen. Vor allem jetzt, vor den bald anstehenden Parlamentswahlen. Da gibt es mit Musharraf einen Diktator, der macht, was er will. Und Oppositionsparteien, die zerstritten sind und gegen Musharraf keinen gemeinsamen Nenner finden. Deshalb glaubt auch Anees Jillani, dass die Wahlen an sich an der schwierigen Lage Pakistans nichts ändern werden. "Die Leute wollen einen Wandel, aber sie haben keine Alternative. Man kann also sagen: Die Massen sind bereit für einen neuen Führer, worauf wir jetzt warten, ist der neue Führer."