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Warum der Westen Ai Weiwei verehrt

13. April 2011

Unterdrückter Dissident in China, bewunderter Künstler in Europa. Ai Weiwei wird im Westen für das verehrt, was ihm in seiner Heimat Probleme macht: seine politische Kunst. Seine Verhaftung löste hier Empörung aus.

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Der chinesische Künstler Ai Weiwei 2007 in seinem Atelier(dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ai Weiwei ist bekannt in Deutschland. Es begann mit seinem Auftritt bei der documenta 12 in Kassel im Jahre 2007. Damals noch ein Unbekannter zog er mit ungewöhnlichen Projekten, die noch Jahre von sich reden machten, die Aufmerksamkeit auf sich. Darunter die Performance "Fairytale", für die er 1001 chinesische Landsleute nach Kassel einfliegen ließ, oder seine Arbeit "Template", ein Turm aus alten Türen, der durch ein Unwetter zerstört wurde, was Ai Weiwei aber nicht sonderlich störte. Ganz im Gegenteil: Ihm gefiel sein Werk nun sogar besser als vorher. In den darauffolgenden Jahren legte Ai Weiwei eine sensationelle Karriere hin, über die er selbst manchmal erstaunt ist.

Symbolfigur des Widerstandes

"Ai Weiweis Kunst ist sehr zugänglich", sagt Roger Buergel, der künstlerische Leiter der documenta 12. "Sie hat ein hohes Maß an sinnlicher Qualität, ein hohes Maß an Wahrnehmungsreizen, durch die sonderbare Verbindung von alten und zeitgenössischen Formen". Hinzu kommt, dass mit dem Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht das Interesse an dem Land und an Asien generell gestiegen ist. Auch das kam dem Künstler sicherlich zugute. Der exzeptionelle Erfolg und die enorme Aufmerksamkeit, die er in den westlichen Ländern bekommt, lassen sich damit aber nicht komplett erklären.

Ai Weiwei im Krankenhaus nachdem er 2009 von der Polizei verprügelt worden ist (Foto: dpa)
Im Krankenhaus 2009Bild: picture alliance/dpa

Ai Weiwei ist im Westen zu einer Art Symbolfigur für den Widerstand gegen den chinesischen Unterdrückungsapparat geworden. Immer wieder geriet er mit der Polizei an einander, wurde verhaftet und misshandelt und machte trotzdem weiter. "Er liebt sein Land und seine Kultur", erzählt Roger Buergel. Er beschreibt ihn als einen lebensfrohen Menschen, der einen Sinn hat für die Schönheit der Dinge und der kämpft, wenn es darum geht Gesellschaft zu gestalten. In China wird er weitgehend mundtot gemacht, Ai Weiwei aber findet auch dort Wege, um sich zu äußern, unter anderem in seinen Blogs im Internet.

Sprachrohr zwischen Ost und West

In den westlichen Ländern ist Ai Weiweis Meinung hingegen stets gefragt, wann immer es etwas zu sagen gibt über China. Der Künstler, der von 1981 bis 1993 in New York lebte, kennt sich aus in der westlichen Welt, weiß zu vermitteln zwischen westlichem und östlichem Denken, beherrscht das Vokabular der westlichen Konzeptkunst. Doch sein Anliegen ist nicht der westliche Kunstbetrieb, es sind die Menschen und Strukturen in seiner Heimat China. "Er sieht sich nicht primär als Produzent von Objekten", so die Erfahrung von Roger Buergel, vielmehr stecke Ai Weiwei seine konzeptuelle Intelligenz in politische Strukturen – genau deswegen kommt er auch immer wieder in Konflikt mit den chinesischen Behörden. Den Kult um Ai Weiwei erklärt er sich unter anderem auch damit, dass es bei vielen Menschen eine "Lust auf Typen" gebe, "die eine bestimmte Integrität verkörpern".

Der chinesische Kuenstler Ai Weiwei steht am 15. Juni 2007 auf der "documenta 12" in Kassel vor seiner Holzkonstruktion "Template". Ein schweres Unwetter hat auf der Documenta in Kassel am Mittwoch, 20. Juni 2007, das Kunstwerk zum Einsturz gebracht (Foto: AP)
Ai Weiwei 2007Bild: AP

Berühmt geworden sind beispielsweise seine Bemühungen um Aufklärung des Erdbebens in Sichuan 2008, bei dem Tausende von Kindern unter den Trümmern ihrer Schulgebäude begraben wurden. Ai Weiwei recherchierte die Namen der Kinder und ging dem Verdacht nach, dass es Schlampereien beim Bau der Gebäude gegeben habe könnte. Im August 2009 wurde er von der chinesischen Polizei aufgegriffen, verprügelt und lebensgefährlich verletzt. All das passierte im Vorfeld der Einzelausstellung "So sorry", die das Haus der Kunst in München ihm widmete, was die Relevanz der Ausstellung sicherlich unterstrichen hat. Die Besucher strömten zu Tausenden in das Museum.

Ai Weiwei in Berlin

Der Sammler Uli Sigg hatte Ai Weiwei damals entdeckt. Er war es, der vorschlug, ihn zur documenta nach Kassel einzuladen. Die beiden kennen sich seit 1995 und sind heute enge Freunde. Zu Beginn sei Ai Weiwei gar nicht so politisch gewesen, sagt Sigg. Das habe sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Der Sammler kommt gerade zurück aus Hongkong, wo er Ai Weiwei eigentlich treffen wollte. Doch dann wurde der Künstler am Pekinger Flughafen verhaftet. Die beiden arbeiten derzeit zusammen an einer Ausstellung, die im Mai in Luzern in der Schweiz eröffnet werden soll.

Zunächst aber sollte Ai Weiwei eigentlich nach Berlin kommen. Erst vor kurzem machten Gerüchte die Runde, Ai Weiwei wolle umziehen in die deutsche Hauptstadt. Das stimmt in der Form nicht, er hat allerdings verkündet, dass er plane, ein Studio in Berlin aufzumachen. Sein Besuch war für Ende April geplant anlässlich einer Ausstellung, die Ai Weiwei am 29.4. persönlich eröffnen wollte. Die Vorbereitungen laufen weiter, bestätigte die Galerie neugerriemschneider, ansonsten warte man auf aktuelle Informationen und hoffe, dass Ai Weiwei so bald wie möglich wieder frei gelassen werde. Für den Galeristen Tim Neuger ist Ai Weiwei nicht nur ein Künstler, der den "aktuellen Diskurs der zeitgenössischen Kunst nach vorn bringt", sondern auch "einer der bedeutendsten Integrationsfiguren im Freiheitskampf seines Heimatlandes".

Autorin: Petra Lambeck

Redaktion: Marlis Schaum