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Warum die UNO zuschaut

Philipp Sandner22. November 2012

Mit der Einnahme der Stadt Goma haben Rebellen im Ostkongo einen bedeutenden Sieg errungen. Die vor Ort stationierten Blauhelme griffen nicht ein. Dafür gab es gute Gründe - auch wenn Augenzeugen empört reagierten.

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Uruguayan United Nations peacekeepers look through binoculars at M23 rebel positions on the outskirts of Goma, in eastern Democratic Republic of the Congo, on November 18, 2012. Government soldiers were fleeing the eastern DR Congo city of Goma in large numbers today as rebels advanced to the gates of the regional capital after fresh fighting erupted in the area last week, a UN source said. AFP PHOTO / PHIL MOORE (Photo credit should read PHIL MOORE/AFP/Getty Images)
UN Soldaten in Goma KongoBild: PHIL MOORE/AFP/Getty Images

Die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO) ist weltweit der größte Friedenseinsatz der Vereinten Nationen - zumindest zahlenmäßig: Rund 17.000 Soldaten sind dort im Einsatz. Doch für die Rebellen der Bewegung des 23. März (M23) war das kein Hindernis. Am Dienstag (20.11.2012) eroberten sie die Großstadt Goma an der Grenze zu Ruanda. Als die Rebellen die Stadt erreichten, hatte die meisten Soldaten der kongolesischen Armee längst die Flucht ergriffen. Weiterhin vor Ort waren die Blauhelme - und griffen nicht ein. "Es fällt uns schwer, die MONUSCO zu verstehen", sagte ein Augenzeuge. "Sie haben die Rebellen einmarschieren sehen und nichts unternommen."

Das ist im Ostkongo keine Einzelmeinung. Die Region hat viele Kriege erlebt und seit dreizehn Jahren sind dort UN-Soldaten im Einsatz. Lange schon begegnen die Menschen den Blauhelmen mit Zurückhaltung. Nach der Einnahme Gomas gab es jetzt sogar offene Auseinandersetzungen: Aus Protest gegen den Vormarsch der M23 griffen wütende Menschen in Bunia, rund 500 Kilometer nördlich von Goma, den dortigen UN-Sitz an und setzten zwei Fahrzeuge der Vereinten Nationen in Brand. Auch in anderen Teilen des Landes brachten Einwohner ihren Unmut bei Demonstrationen zum Ausdruck.

Menschen fliehen vor den Kämpfen beim Flughafen Goma, 19. November 2012(AP/dapd).
Einwohner fliehen vor den KämpfenBild: AP

"Die UN hatten keine Wahl"

Dabei hatten die Friedenstruppen gute Gründe, nicht einzugreifen. So sieht es zumindest Jason Stearns, der für das Rift Valley Institute den Konflikt im Kongo beobachtet. "Die UN-Mission hat viele Schwächen, doch in diesem Fall hatten sie einfach keine Wahl", erklärte Stearns gegenüber der DW. "Ihr Mandat ist, die kongolesische Armee zu unterstützen. Wenn nun die Armee die Flucht ergreift, ist es für die UN-Mission sehr schwer, wenn nicht unmöglich, Goma zu verteidigen." Zu den Aufgaben der MONUSCO gehört auch der Schutz der Zivilbevölkerung. Um dieses Mandat zu erfüllen, war es womöglich die richtige Entscheidung, Kämpfe in Goma zu vermeiden: "Wenn sie in der Stadt gekämpft hätten, hätte es viele Verletzte gegeben", vermutete ein Augenzeuge.

Wenn es die UN-Truppen zugelassen haben, dass Goma eingenommen wird, dann liegt das also weniger an ihrer mangelnden militärischen Stärke. Zwar gebe es im UN-Sicherheitsrat Überlegungen, das Mandat anzupassen, so Jason Stearns vom Rift Valley Institute. Viel wichtiger sei aber der politische Rahmen, in dem sich die Blauhelme bewegen: "Es gibt keinen politischen Prozess im Ostkongo", konstatiert Stearns. Die Konfliktparteien müssten miteinander reden. "Dann werden auch die militärischen Interventionen effektiver sein." Bisher hatte vor allem die kongolesische Regierung Gespräche verweigert. Noch am Montag hatten die Rebellen in einem Ultimatum Verhandlungen gefordert. Julien Paluku, Gouverneur der Provinz Nord-Kivu, hatte das jedoch abgelehnt.

Großer Erfolg für die Rebellen

Und so haben die Rebellen mit der Einnahme Gomas ein Ziel erreicht: Die kongolesische Regierung kann sie nicht mehr ignorieren. Präsident Joseph Kabila traf sich am Mittwoch (21.11.2012) mit seinem ruandischen Amtskollegen Paul Kagame zu Gesprächen in Uganda. Und Ruandas Einfluss auf die M23-Rebellen ist entscheidend für eine Lösung des Konflikts. Mehrere UN-Berichte werfen Kongos kleinem Nachbarn vor, die Miliz zu unterstützen. Und auch Jason Stearns ist sich sicher: "Wenn die M23 ihre Kontrolle auf andere Regionen des Kongo ausweiten möchte, braucht es ruandische Unterstützung."

M23-Sprecher Vianney Kazarama spricht vor Menschenmenge in einem Stadion in Goma, 21. November 2012.
Nach Goma der Kongo: M23-Sprecher Vianney Kazarama am Mittwoch in GomaBild: Reuters

Daher sei es wichtig, Druck auszuüben. Dass einige Länder, darunter auch Deutschland, Hilfszahlungen an Ruanda aussetzten, sei nicht genug: "Wenn die Geberländer nicht entschlossen gegen Ruanda Position beziehen, kann die Situation sehr leicht eskalieren." Zwar hatten die UN schon vor dem jüngsten Angriff Sanktionen gegen M23-Führer Sultani Makenga ausgesprochen, jetzt kamen weitere hinzu - unter anderem Reisesperren und das Einfrieren von Konten. Die Rebellen konnte das offenkundig nicht beeindrucken. Ihr Ziel sei der Sturz der Regierung, sagen sie. Ob und wie schnell ihnen das gelingen wird, bleibt offen. Doch die Einnahme Gomas hat den Rebellen mehr Sicherheit gegeben.