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Antarktisches Eis

Irene Quaile12. Oktober 2012

Die Antarktis ist die kälteste Region der Welt. Aber Eis kann durch warme Meeresströmungen tauen. Wie beeinflussen sich Gletscher, Schelfeis und Meer? Forscher Reinhard Drews will es herausfinden.

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Die belgische Antarktisstation Princess Elisabeth Antarctica: the world's first zero-emission station; Copyright: International Polar Foundation***Pressebild nur für die aktuelle, themengebundene Berichterstattung***via Dr. Irene Quaile-Kersken
Antarktisstation Princess Elisabeth AntarcticaBild: International Polar Foundation

Deutsche Welle: Herr Drews, Anfang Oktober haben Sie von der belgischen InBev-Baillet Latour Antarctica Stiftung eine Finanzierung für ein Forschungsprojekt erhalten, um herauszufinden, wie es um die Zukunft der antarktischen Eisbedeckung steht. Was genau wollen Sie herausfinden?

Reinhard Drews: Bei unserem Forschungsprojekt geht es um die Wechselwirkungen zwischen dem Eisschild im Inland und den Eisschelfen - also den schwimmenden Ausdehnungen des Festlandeises auf dem Ozean. Wir fragen uns, wie die Eisschelfe den Eisfluss vom Festlandeis beeinflussen. Eigentlich liegen ja die Eisschelfe völlig freischwimmend auf dem Ozean, aber in bestimmten Regionen werden die Eisschelfe von Felsformationen unterstützt. Die Felsen drücken von unten ans Eis. Wir wollen herausfinden, welche stabilisierende Wirkung diese Felsen haben, und ob sie dazu führen können, dass sich der Eisfluss auch in relativ kurzer Zeit ändern kann.

Welche Wechselwirkungen gibt es denn zwischen Festlandeis und Schelfeis?

In der Antarktis ist das Schmelzen des Eises an der Oberfläche relativ vernachlässigbar und spielt eine viel geringere Rolle als zum Beispiel in Grönland. Die Temperaturen dort sind im überaus größten Teil unter null Grad Celsius. Aber für die Massenbilanz der Antarktis ist es wichtig, dass große Auslassgletscher das Eis zum Meer transportieren. In den letzten Jahren hat man festgestellt, dass einige dieser Gletscher sich stark beschleunigt haben. Die Mechanismen dahinter haben wir noch nicht ganz verstanden, aber es könnte mit einer sich verändernden Ozeanströmung zusammenhängen. Ob die mit dem Klimawandel etwas zu tun hat, ist nicht ganz einfach zu sagen. Es ist aber auch nicht auszuschließen. Jedenfalls sehen wir in den letzten zehn Jahren starke Veränderungen, die wir so nicht erwartet hatten. Deshalb ist es wichtig, diese dynamischen Entwicklungen noch stärker einzugrenzen, um zu verstehen, was da die Mechanismen sind.

Reinhard Drews, Antarktisforscher und Gewinner des Inbev Baillet-Latour Antarctic Fellowship 2012; Copyright: DW/I. Quaile
Der deutsche Eisforscher Reinhard Drews forscht an der AntarktisBild: DW/I. Quaile

Wie kommen Sie an Ihre Messergebnisse?

Wir fliegen ab November zur belgischen Antarktisstation. Dort sind wir dann etwa fünf Wochen: Wir fahren mit Pistenfahrzeugen und angehängten Wohncontainern etwa einen Tag lang über das Eis zu dem Ort, der uns interessiert. Wir haben auch Zelte dabei, falls wir mit einem kleineren Team noch woanders hin wollen. Wir bauen dann ein Camp auf und bringen unsere Messgeräte in Stellung: Ich benutze GPS-Messungen, mit denen wir das Fließen des Eises bestimmen können – sowohl die horizontale, als auch die vertikale Bewegung. Ich werde auch Bodenradarmessungen vornehmen. Die sind besonders gut geeignet, um die Dicke des Eises festzustellen, aber auch seine interne Struktur aufzulösen. Die Radarmessungen in Verbindung mit der Analyse von Eisbohrkernen, die wir auch entnehmen werden, helfen uns, die Eisdicke zu kartieren und Aussagen über die Eigenschaften des Eises in der Fläche zu treffen.

Wie tief bohren ihre Kollegen im Eis?

Der Eiskern wird etwa 200 Meter lang sein. Das gilt als relativ 'flacher' Bohrkern. Die Kollegen werden vor Ort ein Bohrsystem aufbauen. Der Bohrer reißt pro Bohrung etwa zwei Meter Eis ab. Den jeweiligen Bohrkern holt man raus, fährt das Bohrsystem wieder herunter und es geht weiter. Bis man so auf die 200 Meter Tiefe kommt, kann das schon ziemlich lange dauern.

Was erzählen Ihnen die Eiskerne und die anderen Messergebnisse?

Tiefe Eiskerne sind in der Lage, Eiszeiten bis zu 800.000 Jahren zu rekonstruieren. Dadurch lernt man sehr viel darüber, wie Klima funktioniert. Aber die Antarktis beeinflusst das Klima selber auch sehr stark: Einerseits ist die Antarktis weiß. Das heißt, sie strahlt sehr viel Energie zurück in den Weltraum. Das gilt auch für das Meereis. Wenn es zurückgeht, wird mehr Energie vom Ozean absorbiert. Das würde mehr Energie ins System Erde bringen. Ein weiterer wichtiger Faktor der Antarktis ist der Meeresspiegel: Etwa neunzig Prozent des Eises auf der Welt liegen in der Antarktis. Sollte sich die Antarktis verkleinern, würde das zu einem Anstieg des Meeresspiegels beitragen. Das kann die Ozeanströmungen verändern und das Klima beeinflussen.

Was passiert dann mit Ihren Messergebnissen?

Wir nehmen sie mit nach Brüssel. Hier arbeite ich in einer Arbeitsgruppe, die versucht, mit Modellierungen anhand numerischer Computermodelle Vorhersagen über das Verhalten der Antarktis zu treffen. Alle Feldmessungen, die wir durchführen - Satellitenmessungen und Bodenradarmessungen - fließen in diese Modellierungen ein. Sie dienen dazu, möglichst realistische Aussagen zu produzieren. Ein Jahr nach den ersten Messungen gibt es dann eine zweite Feldkampagne, die auf die diesjährige aufbaut.

Welche Bedeutung haben die neu gewonnenen Daten?

Sie sind wichtig, um die Computermodelle, die derzeit existieren, zu verbessern. Besonders der Übergang von Festlandeis auf das schwimmende Eis ist numerisch sehr schwierig zu erfassen. Aber es ist ein ganz kritisches System, weil ein sich erwärmender Ozean die Dicke des Eisschelfes verändern kann. Dadurch verändern sich die Rückstellkräfte, also die Kräfte, die vom Ozean auf das Festlandeis wirken. Diese Kräfte könnten einen starken Einfluss auf die Massenbilanz der Antarktis haben. Und das spielt eine wichtige Rolle für Vorhersagen zur Entwicklung des Meeresspiegels. Heutige Vorhersagen sind mit großen Unsicherheiten behaftet, weil das Fließen des Eises sehr schwierig zu modellieren ist. Deshalb muss man noch viele Feldmessungen sammeln und in die Modelle einbauen.

Die belgische Antarktisstation Princess Elisabeth Antarctica is the world's first zero-emission station. Foto: International Polar Foundation
Die belgische Antarktisstation Princess Elisabeth AntarcticaBild: International Polar Foundation

Werden die Daten, die Sie in der kurzen Zeit sammeln können, denn ausreichen, um handfeste Aussagen treffen zu können?

Ein Hauptproblem der Antarktisforschung ist, dass wir mit unseren momentanen Methoden nur kleine Teile dieses Kontinents abdecken können. Die Antarktis ist sehr groß und es ist logistisch sehr schwierig, an alle Stellen zu kommen. Deshalb ist es wichtig, so viele Daten zu sammeln, wie man kann, solange das Wetter gut ist. Und es ist auch wichtig, an die kritischen Stellen zu gehen, über die man noch wenig weiß, aber die gleichzeitig einen großen Einfluss haben. So ein kritischer Bereich ist der Übergang zwischen Festlandeis und den Eisschelfen. Natürlich muss man die eigenen Ergebnisse mit Daten anderer Forschungsinstitute kombinieren, um eine größere Abdeckung zu gewährleisten.

Freuen Sie sich jetzt auf die fünf Monate im Eis?

Es ist natürlich immer wieder ein Höhepunkt, wenn man mal in die Antarktis fahren darf. Man wandert ja als Polarforscher nicht ständig auf dem Eis. Wie bei jedem anderen Job verbringt man viel Zeit vor dem Computer. Man muss nachdenken, die Daten in einen Zusammenhang bringen. Dazu gehört auch viel Mathematik. Man sammelt nicht ständig Daten, man muss sie auch auswerten. Aber wenn man mal auf dem Eis ist, ist es auch ein ganz besonderes Erlebnis.

Das Interview führte Irene Quaile

Dr. Reinhard Drews hat das mit 150.000 € dotierte InBev-Baillet Latour Antarctica Fellowship gewonnen, um sein Forschungsprojekt zu finanzieren. Den Preis überreichte Phillip Prinz von Belgien am 03.10.2012 in Brüssel. Drews hat am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven promoviert und arbeitet seit 2011 an der Université Libre in Brüssel.