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Solidarität für Griechenland

Jasper Sky26. Januar 2015

Das Vertrauen der Völker Europas in die Zukunft der Union könnte davon abhängen, ob Deutschland mit Härte oder mit Solidarität auf die Wende in Griechenland reagiert. Solidarität ist angesagt, meint Jasper Sky.

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Syriza Unterstützer Feier 25.01.2015 Athen Transparent Troika
Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com

Griechenland hat sich für einen Neuanfang entschieden. Unter dem charismatischen, jungen Alexis Tsipras und seiner linken Syriza-Partei will das Land die korrupten Praktiken der alten Eliten hinter sich lassen - und auch die wirtschaftlich sowie sozial katastrophale Austeritätspolitik, die die Troika aus IWF, EZB und Europäischer Kommission dem Land seit mehreren Jahren vorgeschrieben hat: als Gegenleistung für die Umschuldung und Weiterfinanzierung des griechischen Staates.

Hinter der harten Haltung der Troika steht vor allem die deutsche Regierung, maßgeblich Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble. Jetzt kommt die Frage auf, wie die Bundesregierung - und somit in den Augen der Griechen und Europäer die Deutschen - mit dem Sieg Syrizas umgehen werden.

Ich hoffe sehr, sie werden mit Umsicht, Verständnis, Respekt und Solidarität auf die Wahl des griechischen Volkes reagieren. Die deutsche Europapolitik bedarf nämlich auch einer Neuerung. Die Austeritätspolitik hat klar versagt. Jahre der rigorosen Sparens haben die Nachfrage in Südeuropa versiegen lassen; die öffentliche Schulden sind im Gleichklang mit den Arbeitslosenzahlen immer weiter gestiegen.

Neuverhandlung der europäischen Wirtschaftsordnung

Wenn die Troika, getrieben von der deutschen Bundesregierung, versuchen sollte, ohne Neuverhandlungen die Austeritätspolitik in Griechenland nach wie vor durchzusetzen, dann würde sie damit sagen - so würden es die Griechen empfinden - dass die Gläubigernationen sich im Grunde kein Dreck um die Demokratie scheren. Wahlen hin oder her, so die Botschaft - die Gläubiger bestimmen, die Schuldner haben gefälligst zu folgen.

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Jasper Sky, DW-WirtschaftsredaktionBild: privat

Eine solche Haltung missversteht die EU als eine rein wirtschaftliche Zweckgemeinschaft, die nur aus Gläubigern und Schuldnern besteht, in der aber allein die Gläubiger das Sagen haben.

Es gibt zwei Maßnahmen, die die Europäische Kommission sofort zu Gunsten der europäischen Wirtschaft unternehmen könnte, um gegenüber Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern handfeste Solidarität zu demonstrieren. Auch Deutschland würde von diesen Maßnahmen profitieren.

Europa braucht Investitionen

Die erste Maßnahme: Investitionen, und zwar massiv. Auch Deutschland, aber vor allem Südeuropa braucht Investitionen, nicht Austerität. Allerdings wollen und sollen sich die wirtschaftlich angeschlagenen südeuropäischen Staaten nicht immer tiefer verschulden.

Dieser Zwickmühle ist am Besten dadurch zu entkommen, dass nicht nationale, sondern europäische Finanzmittel, vor allem die Bilanzen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Investitionsbank (EIB), eingesetzt werden, um eine infrastrukturelle Renaissance in Europa zu finanzieren.

Ein sehr direkter Weg dorthin wäre folgender. Die geplanten massiven Staatsanleihenkäufe der EZB - es geht um 60 Milliarden Euro monatlich ab März 2015 - könnten direkt in die Realwirtschaft geleitet werden.

Das könnte recht unkompliziert mit einer sehr einfachen Modifikation des am vergangenen Donnerstag (22.01.2015) angekündigten Ankaufprogramms der EZB gemacht werden.

Im ersten Schritt könnte die EIB frische Anleihen an private Investoren verkaufen - Anleihen, die unbefristet sind, und keinen Zins zahlen. In einem zweiten Schritt könnte die EZB diese Anleihen am selben Tag von den privaten Investoren, also formell vom Sekundärmarkt, aufkaufen - mit einem kleinen Gewinn für die Investoren. Damit wird die Regel gegen direkte Käufe von öffentlichen Anleihen seitens der EZB umgangen.

Der Netto-Effekt: jeden Monat kämen 60 Milliarden frisches, schuldenfreies Geld in die Konten eines Sonderfonds der EIB, das für ein großangelegtes Programm direkter Investitionen in die öffentliche Infrastruktur Europas bereitgestellt werden könnte. Also für saubere Energiesysteme, bessere Kommunikations- und Verkehrssysteme, Stadterneuerung, Bildung. Vorschlag für einen passenden Namen: Europäischer Renaissance Fonds.

Deutschland schuldet Griechenland Solidarität

Die zweite Maßnahme: Die reichen europäischen Gläubiger-Nationen, die in Besitz der großen Masse an griechischen Staatsanleihen sind - Deutschland an erster Stelle - sollten die Anleihen zugunsten Griechenlands wirtschaftlicher Erholung umstrukturieren.

Es ist nicht notwendig, einen Schuldenschnitt zu unternehmen. Stattdessen könnten die Gläubigernationen es locker stemmen, das jährliche Ausmaß der Schuldentilgung auf eine für Griechenland verträgliche Summe zurückzuschrauben, etwa 0,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsproduktes.

Auf die Zinsen sollten die Gläubiger ganz verzichten. Deutschland braucht keine Zinsgelder von Griechenland. Griechenland braucht seine mageren Steuereinnahmen für den Wiederaufbau. Die alten griechischen Staatsanleihen, die in Besitz europäische Staaten sind, sollten zu Nullzinsanleihen umgewandelt werden.

Es geht um Europa


Die Idee der Europäischen Union muss mit neuem Leben gefüllt werden. Die EU, das europäische Projekt wird nur überleben, wenn es von den Völkern als gute, fördernde, dem Wohlergehen unterstützende Sache verstanden wird. Das ist kurzfristig nur durch handfeste Solidarität und langfristig nur durch gesunde Volkswirtschaften in allen Regionen möglich.

Die europäischen Nachbarn haben nach dem Krieg Deutschland seine gravierenden Verbrechen verziehen, Solidarität gezeigt. Es ist für Deutschland jetzt die Zeit gekommen, einer altehrwürdigen europäischen Kulturgeschichte ihre milderen Sünden zu verzeihen; Sünden der finanziellen Misswirtschaft.

Deutschland hat Griechenland bei seiner Kehrtwende solidarisch in tatkräftiger Freundschaft beizustehen.