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Was kann unser Gehirn alles im Schlaf leisten?

5. November 2012

Dr. Kunz spricht über die vielfältigen Leistungen, die das Gehirn im Schlaf vollbringt, und ihren Nutzen für die Medizin.

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DW: Herr Kunz, können Sie klarträumen?

Dieter Kunz: Ja, zumindest habe ich das früher gekonnt, als ich klein war und lange ausschlafen durfte. Am Ende der Nacht fanden dann Träume statt. Und dann habe ich mir überlegt, dieses oder jenes zu machen. Wenn mir etwas nicht gefallen hat, dann bin ich woanders hingegangen. Das hat funktioniert.

Haben Sie das geübt?

Nein, es war einfach da. Ich habe es erst mal als Phänomen wahrgenommen.

Das Klarträumen kann man gegen Alpträume einsetzen. Wogegen kann Klarträumen noch helfen?

Eine wichtige Wirkung hat es bei posttraumatischen Belastungsstörungen. Das haben Menschen, die durch eine lebensbedrohliche Situation psychisch schwer traumatisiert sind - zum Beispiel wenn ein LKW ein Kind überfährt und man dieses schlimme Erlebnis direkt gesehen hat. Solche Bilder bekommt man schwer aus dem Kopf. Man hat sie als Nachhall-Erinnerung teilweise tagsüber, aber eben auch nachts in den Träumen. Und da hat sich das Klarträumen als hilfreich erwiesen.

Wie kann man das genau trainieren?

Voraussetzung ist zunächst der REM-Schlaf. Das ist, vereinfacht gesagt, die Traumschlafphase. Weiterhin müssen Sie an das Ende des Schlafes kommen, wenn das Gehirn in Teilen schon wach wird. Und erst dann, wenn Sie gleichzeitig wach sind und den Traumschlaf haben, dann werden Sie sich dieser Träume bewusst. Denn Träume hat jeder von uns, jede Nacht über zwei Stunden.

Wir träumen also jede Nacht über zwei Stunden. Warum bekommt das Gehirn davon gar nichts mit? Warum können wir uns nicht daran erinnern?

Die Frage ist, warum sollten wir uns überhaupt daran erinnern. Menschen, die im Rahmen von Untersuchungen im REM-Schlaf geweckt wurden, waren zutiefst erschüttert darüber, was da nachts alles in ihrem Gehirn los ist. Man hat keinen Zusammenhang zu tatsächlich Erlebtem herstellen können - nicht einmal zu ihren Affekten oder zu ihren Stimmungen. Die Träume scheinen nur bei der posttraumatischen Belastungsstörung etwas mit der Realität zu tun zu haben.

Es ist also gut, wenn wir wenig von unserem Schlaf und unseren Träumen mitbekommen. Mittlerweile ist es auch wissenschaftlich belegt, dass unser Gehirn im Schlaf zu Höchstleistungen fähig ist und wir sprichwörtlich im Schlaf lernen können. Was genau können wir denn lernen?

Das betrifft zunächst alle motorischen Programme. Dinge, die wir einmal gelernt haben, werden als Programme abgerufen. Wenn ich jetzt hier spreche, denke ich nicht darüber nach, wie ich meine Zunge bewege. Wenn ich ein Klavierstück lerne, oder wenn ich Fahrrad fahre, oder wenn ich Anlauf nehme, um einen Hochsprung zu nehmen - das läuft einfach automatisch ab. Dies sind Dinge, die sehr klar im Schlaf stattfinden. Wenn Sie nach dem Lernen in der ersten Nacht keine ausreichende Traumschlafphase haben, dann findet der Lernerfolg nicht statt.

Wie kann die moderne Medizin die Erkenntnisse aus der Schlafforschung nutzen?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Schlaf nichts mit Ausruhen oder reiner Regeneration zu tun hat. Es sind aktive Phänomene, die etwas mit der Gesundheit und zwar nicht nur des Gehirns, sondern auch des Körpers zu tun haben. Wir dürfen ihn nicht stören. Es geht damit los, dass jeder, der zum Beispiel acht oder neun Stunden schlafen muss, ausreichend lange im Bett liegt. Oder aber, dass wir keine Medikamente nehmen, die den Schlaf beeinträchtigen.

(Interview: Maria Grunwald)