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Was kostet die Welt?

29. November 2009

Nicholas Stern ist kein Klimaforscher, sondern Ökonom. Sein 2006 veröffentlichter Report machte erstmals die wirtschaftlichen Folgen eines Klimawandels deutlich. Jetzt wirbt er für einen "Global Deal".

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Nicholas Stern, britischer Ökonom von der London School of Economics (Foto: AP)
Nicholas Stern, britischer Ökonom von der London School of EconomicsBild: AP

Nicholas Stern wirkt fast wie ein Prophet, wie er da im großen Hörsaal der Technischen Universität in Berlin zu 1500 Zuhörern spricht. Sie alle, Studenten und Professoren, sind gekommen, um den berühmten Ökonomen und Klimaexperten zu hören, der ein Welt-Untergangs-Szenario entwirft: Große Teile Südeuropas werden aussehen wie die Sahara, Bangladesch wird überflutet, die Flüsse, die sich aus dem Himalaya speisen, werden über die Ufer treten und Millionen Menschen werden ertrinken. Es wird Armut, Not, Völkerwanderungen und Konflikte geben. So wird es kommen, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird.

Mit einer Botschaft um die Welt

Protestaktion von Klimaschützern - ein Berg von Uhren (Foto: AP)
Die Zeit läuft ab - die Welt muss handeln, mahnt SternBild: AP

Dennoch möchte Stern kein Prophet des Weltuntergangs sein. "Martin Luther King hat nicht gesagt, ich habe einen Alptraum. Er sagte, ich habe einen Traum", erklärt Stern, der im November mit der Ehrendoktorwürde der TU-Berlin ausgezeichnet wurde, schmunzelnd. "Wir müssen die Risiken zeigen, denn sie sind sehr ernst. Aber wir können dort nicht aufhören. Wir müssen zeigen, was wir tun können und das ist eigentlich ziemlich attraktiv", sagt Stern. Das ist seine Botschaft, mit der er in den Wochen vor der Klimakonferenz durch die ganze Welt reist. Washington, Berlin und Tokio, das sind nur einige Stationen seiner rastlosen Tour. Man könne eine Menge tun, um den Klimawandel zu stoppen und gleichzeitig eine Welt zu schaffen, die sauberer und sicherer, gerechter und lebenswerter sei, wiederholt er immer und überall. Es müsse eine regelrechte Revolution sein, eine neue industrielle Revolution. Sie müsse wegführen von der CO2-intensiven Produktion und hin zu neuen umweltschonenden Technologien.

Zwei Tonnen CO2 pro Person

Luftaufnahme eines überfluteten Gebietes (Foto: dpa)
Überflutungen werden immer häufigerBild: epa Nv

Die Herausforderungen dabei seien riesengroß, so Stern. Denn derzeit werden in der Welt jährlich fast 50 Milliarden Tonnen Treibhausgase emittiert. Dieser Ausstoß muss bis zum Jahr 2030 auf 30 Milliarden Tonnen reduziert werden und bis zur Mitte des Jahrhunderts sogar auf unter 20 Milliarden Tonnen. Sonst ist der Klimawandel nicht zu stoppen, sonst werden die Temperaturen um fünf Grad Celsius und mehr steigen mit verheerenden Folgen für die Umwelt und die Menschen. Bei einer prognostizierten Weltbevölkerung von etwa neun Milliarden bedeutet das: Zwei Tonnen CO2-Ausstoß pro Person und Jahr. Derzeit liegen die USA aber noch bei 24 Tonnen pro Person und Jahr, Europa bei etwa 12, China bei sechs und Indien bei 1,7. Nur in großen Teilen Afrikas südlich der Sahara liegt der Ausstoß unter einer Tonne pro Person. "Das zeigt uns die Größe dessen, was wir tun müssen", fasst Stern die Zahlen zusammen. "Wir müssen bis zum Jahr 2050 die Stromerzeugung kohlendioxidfrei machen, wir müssen den Verkehr CO2-frei machen. Wir müssen die Emissionen in der Landwirtschaft reduzieren und die Abholzung der Wälder stoppen."

Die Kosten des Tuns und Nichttuns

Nicholas Stern bei der Vorstellung des nach ihm benannten Reports 2006 (Foto: AP)
Nicholas Stern bei der Vorstellung des nach ihm benannten Reports 2006Bild: AP

Im Jahr 2006 legte Nicholas Stern, der ehemalige Chefökonom der Weltbank, der britischen Regierung einen Bericht vor, der die Kosten des Klimawandels bezifferte. Mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes, so rechnete er vor, koste es die Volkswirtschaften pro Jahr, wenn man nicht umsteuere, langfristig sogar bis zu 20 Prozent. Demgegenüber sei nur ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts nötig, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. In seinem neuen Buch "Der Global Deal" fordert Stern zusätzliche Anstrengungen. Die Industrieländer sollten den Entwicklungsländern schneller und umfangreicher helfen, ihre Aktionsprogramme zur CO2-Reduktion umzusetzen. Schon für das Jahr 2015 sollten sie finanzielle Verpflichtungen übernehmen.

Investition in eine bessere Zukunft

"Es gibt alle möglichen Klima-Aktionspläne auf der Welt, in Mexiko, Brasilien, Indien und China und sie alle suchen Unterstützung von außen. Wir müssen ganz klar machen, dass wir schon 2015 diese Hilfe leisten werden, wenn wir glaubhaft sein wollen für das, was wir für 2020 und 2030 versprechen." Die Industrieländer seien dazu verpflichtet, diese Hilfe zu leisten, denn bisher trügen sie die Hauptverantwortung für die Luftverschmutzung und die Erwärmung der Erdatmosphäre. 50 Milliarden Dollar wird das nach Berechnungen des Volkswirtschaftlers die Industrieländer pro Jahr kosten. Davon könnten die USA und Europa jeweils 20 Milliarden übernehmen. Dieses Geld sei aber nicht nur eine Ausgabe. Es sei darüber hinaus eine Investition in eine bessere Zukunft, davon ist Stern überzeugt. Und dann wird aus dem Propheten aus Großbritannien ein Visionär für die Welt.

"Wir werden uns in den nächsten zwei oder drei Jahrzehnten auf den Weg machen in eine unglaublich aufregende Transformation. Es wird mehr sein, als die Erfindung der Eisenbahn und der Elektrizität in früheren Zeiten", da ist sich Stern ganz sicher. Es werde eine Zeit der Innovation und der Entdeckung, eine neue industrielle Revolution, eine Periode des Wachstums. "Und wenn wir in das Zeitalter der niedrigen CO2-Emissionen kommen, dann wird die Welt sauberer, sicherer und artenreicher."

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Henrik Böhme