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Forschung mit schweren Ionen

Fabian Schmidt, Videos von Elisabeth Yorck19. Februar 2014

Fast ein Jahr lang wurde der Teilchenbeschleuniger der Deutschen Gesellschaft für Schwerionenforschung modernisiert. Jetzt fährt er wieder an - bereit für spannende Experimente in der Grundlagenforschung.

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Ringbeschleuniger des GSI in Darmstadt (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
Im Ringbeschleuniger werden die Teilchen richtig schnellBild: DW/F. Schmidt

Der Weg des Ions

In Darmstadt steht ein ganz besonderer Teilchenbeschleuniger. Er kann Teilchen auf 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit bringen. Doch die Anlage des GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung stand die größte Zeit des Jahres 2013 still.

Denn auf dem GSI-Gelände wird eine Erweiterung gebaut. Die neue Anlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) soll noch näher an die Lichtgeschwindigkeit herankommen. Voraussichtlich geht der neue, größere Beschleunigerring 2017 in Betrieb. Der bestehende Teilchenbeschleuniger wurde deshalb fit gemacht: Er soll später als Vorbeschleuniger von FAIR dienen.

Mit Ionen haben Forscher die Buchstabenfolge GSI in lebende Zellkulturen geschossen (Foto: GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung)
Ioneneinschläge in einer Zelle - die Buchstabenfolge GSI wird sichtbar.Bild: GSI Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung

Schießen mit der Teilchenkanone

Mitte Februar nahm der Beschleunigerring nach der Renovierungspause seine Arbeit wieder auf: Die Anlage dient vor allem der Grundlagenforschung - konkret: der Entdeckung neuer Teilchen und dem Verständnis der Atom-, Plasma- und Kernphysik, der Erforschung von Materialien und der Entwicklung von Anwendungen für die Medizin.

"Das Besondere der GSI-Anlagen ist das Experimentieren mit Schwerionen, das heißt mit Projektilen, die deutlich schwerer sind als Protonen", erklärt Christina Trautmann, Leiterin der Materialforschung. Es sind Ionen der unterschiedlichsten Elemente, von Wasserstoff über Eisen bis hin zu Uran.

Die Teilchen lassen sich vortrefflich durch dünne Materialien schießen, zum Beispiel durch Plastikfolien. Wenn sie eindringen, hinterlassen die Teilchen einen hauchdünnen Schusskanal. Der ist etwa so lang, wie ein menschliches Haar dick ist: 100 Mikrometer. Sein Durchmesser beträgt aber nur wenige Nanometer.

Nano-Nadelbrett aus Kupfer (Foto: Janina Krieg/ GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung)
Die Schusskanäle in einer Plastikfolie werden mit Kupfer gefüllt - ein Nagelbrett entsteht.Bild: Janina Krieg/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

Nagelbretter im Nanomaßstab

Aus der durchlöcherten Plastikfolie können die Forscher zum Beispiel eine Art Nano-Nagelbrett herstellen: "Die Löcher in der Plastikfolie füllen wir mit einem Gold- oder Kupfermaterial. Dann lösen wir das Plastik außen herum auf und erhalten einen Teppich mit lauter Metallnadeln," erklärt Trautmann den nächsten Schritt.

Eine konkrete Verwendung für dieses Nagelbrett gibt es zwar noch nicht, aber viele Ideen: "Diese Metallnadeln verhalten sich ganz anders als eine glatte Metalloberfläche oder ein dicker Block" sagt Trautmann. Denn das Nagelbrett hat beispielsweise eine viel größere Oberfläche.

Deshalb kann sich ihr Kollege, Materialforscher Daniel Severin vorstellen, dass sich diese Nagelbretter zum Beispiel als Katalysatoren eignen: "Bei losen Nanopartikeln habe ich den Nachteil, dass ich nach der Reaktion die Katalysatorpartikel irgendwie aus meinem Produkt abfiltern muss. Traumhaft wäre es, wenn ich eine Art Reaktor hätte - mit einer großen Oberfläche durch nanostrukturierte Gebilde. Da lasse ich mein Reaktionsgemisch einfach durchströmen - und hinten kommt mein Produkt quasi fertig heraus."

Auch verlaufen elektromagnetische Feldlinien an der Oberfläche des Nagelbrettes anders als um einen Metallblock herum. Vielleicht könnten daraus einmal Erfindungen für die Elektronik entstehen oder auch neue Entdeckungen in der physikalischen Grundlagenforschung.

Ein Nadelwald aus Zinkoxid-Drähten (Foto: Liana Movsesyan/ GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung)
Ein Wald von Drähten aus Zinkoxid. Sehen so die Katalysatoren der Zukunft aus?Bild: Liana Movsesyan/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

Plastikmembran mit winzigen Löchern

Eine durchlöcherte Plastikfolie eignet sich auch als Filtermembran in Biologie und Chemie. Der Filter kann so fein sein, dass er nur noch Atome hindurchlässt, aber keine größeren Moleküle.

Die Darmstädter Forscher können ihren Schwerionenstrahl so präzise steuern, dass sie sogar ein einzelnes Ion durch eine Plastikfolie hindurch schießen können: Nimmt ein Sensor hinter der Folie den Einschlag wahr, wird der Strahl blitzschnell abgeschaltet. In eine Ätzlösung getaucht, entsteht in der Folie ein winziges Loch, mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern.

Die Idee dahinter: Ein DNA-Molekül passt zufällig genau durch ein solches Loch hindurch - sonst aber nichts mehr. Ist auf beiden Seiten der Folie nun eine Flüssigkeit und fließt ein Strom durch das winzige Loch, würde der Stromfluss genau in dem Moment unterbrochen, in dem sich das Molekül durch das Loch in der Folie zwängt. Die Vision der Forscher: Lässt sich so ein typisches Strommuster erzeugen, könnte man damit möglicherweise eine elektrische DNA-Sequenzierung entwickeln.

Krebsbehandlung mit Strahlenkanone

Am GSI wurde der Teilchenbeschuss von Tumorzellen zur klinischen Reife entwickelt. Dabei schießen Mediziner Schwerionen zielgenau auf Tumore und zerstören so die Krebszellen. Heute praktizieren Ärzte am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg diese Behandlungsmethode mit einer ähnlichen Anlage routinemäßig.

Der Weg des Ions

Bislang ist es aber noch nicht gelungen, Krebszellen in Körperteilen zu zerstören, die sich während der Behandlung bewegen, zum Beispiel in der Lunge. Das Problem wollen die Darmstädter Forscher jetzt nach dem Neustart des Teilchenbeschleunigers in den Griff bekommen: Ein Computer soll die Bewegung der Lunge vorausberechnen. Dann werden die Schwerionen erst in dem Moment in den Tumor geschossen, wenn die Lunge genau in der richtigen Position ist.

Wenn diese Experimente erfolgreich sind, könnten ganz andere Krankheiten ins Blickfeld der Forscher geraten. Denn nicht nur Krebszellen lassen sich mit dem Ionenstrahl zerstören, sondern vielleicht eines Tages auch Hindernisse in der Blutbahn.