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Politik

Trump und Europas Populisten

Michael Knigge
30. November 2016

Der Vergleich mit europäischen Populisten reicht nicht aus, um das Phänomen Donald Trump zu erklären, sagt der niederländische Populismus-Forscher Cas Mudde. Er hat auch einen Tipp für den Umgang mit Präsident Trump.

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USA Tucson Trump Rede Wahlkampfveranstaltung
Bild: picture-alliance/AP Photo/R. D. Franklin

DW: Sie haben Populismus einmal als Ideologie definiert, die die Gesellschaft in zwei homogene und gegensätzliche Gruppen unterteilt, nämlich die "reinen Menschen" und die "korrupte Elite", und die fordert, dass die Politik ein Ausdruck "des generellen Willens" des Volkes ist. Wie passt der Trumpismus, wenn man dieses Phänomen so bezeichnen kann, zu dieser Beschreibung?

Cas Mudde: Für einen Großteil des Wahlkampfs passt es nicht wirklich. Denn obwohl Trump die Elite als homogene und korrupte Gruppe in beiden Parteien angriff, sagte er kaum etwas zur angeblichen Reinheit des Volkes. Sein wichtigster Punkt war, dass er der Ansicht ist, dass die Politik im Großen und Ganzen seinem Willen folgen soll. In den letzten Monaten wurde sein Wahlkampf dann allerdings viel populistischer und er präsentierte sich häufiger als die Stimme der schweigenden Mehrheit und als Stimme des Volkes.

Ihrer Ansicht nach sind Vergleiche zwischen Donald Trump und rechten europäischen Politikern zum Verständnis Trumps nur bedingt hilfreich, denn um ihn wirklich zu verstehen, muss man ihn als amerikanisches Phänomen betrachten. Warum? 

Einer der Hauptgründe für seine Attraktivität ist die Vorstellung, dass er ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Es gibt in den USA, besonders in der Republikanischen Partei, eine starke Tradition zu glauben, dass der Präsident so etwas wie der Vorstandschef der Vereinigten Staaten sein soll und das Land führen soll wie eine Firma. Dies ist eine sehr amerikanische Ansicht, die in Europa überhaupt nicht populär ist. Aber auch die Art seines ungewöhnlichen Aufstiegs innerhalb der Republikanischen Partei und als Fernsehpersönlichkeit sind Dinge, die in den USA viel typischer und ausgeprägter sind als in Europa. In Europa findet der Aufstieg fast aller Politiker als Vertreter ihrer Parteien, oft sogar als Vertreter einer größeren Subkultur, statt. Trump ist dagegen einfach ein Individuum.    

Donald Trump hat erreicht, was viele rechte Politiker in Europa noch nicht geschafft haben - ein Land zu führen. Was erwarten Sie von einer Trump-Präsidentschaft und welche Rolle wird die Republikanische Partei dabei spielen?    

Es ist sehr wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Donald Trump der radikal-rechte Führer einer nicht-radikal-rechten Partei war. Man kann seine Unterstützung nicht mit jemandem wie Marine Le Pen vergleichen, denn ein bedeutender Teil, vielleicht sogar eine Mehrheit, hat einfach die Republikanische Partei gewählt und hätte möglicherweise sogar lieber für einen nicht radikal-rechten republikanischen Kandidaten gestimmt, wenn es die Möglichkeit gegeben hätte.    

Von einer Trump-Präsidentschaft erwarte ich eine sehr, sehr rechtsgerichtete republikanische Regierung. Wenn man sich seine Kabinettsliste anschaut, dann sind das meistens Personen mit sehr konservativer, wirtschaftsliberaler Ausrichtung, die gegen Abtreibung sind und die mutmaßlich durch Heritage Action - ein sehr konservativer Arm der Denkfabrik Heritage Foundation - gefördert wurden. Dieser Teil der Regierung ist voll auf Linie mit der Republikanischen Partei, die beide Kammern des Kongresses kontrolliert.

Professor Cas Mudde  (European Consortium for Political Research (ECPR))
Cas Mudde lehrt an der University of GeorgiaBild: European Consortium for Political Research (ECPR)

Dann gibt es aber noch Trump selbst und seine eher esoterischen Berater wie Stephen Bannon, Michael Flynn und andere. Sie werden für eher ungewöhnliche Themen trommeln, besonders in der Außenpolitik, wo sie eine andere US-Position zu Russland und eine Art von Isolationismus wollen. Außerdem werden sie wahrscheinlich für einige größere sozio-ökonomische Projekte wie für den Infrastrukturplan trommeln. Ich denke, dass sie meistens erfolglos sein werden, denn der Kongress ist diesbezüglich völlig unempfänglich. 

Der wichtigste Punkt ist: Wie geht die Welt mit einem, milde ausgedrückt, sehr unorthodoxen Präsidenten um? Denn dies ist die größte Gefahr der Trump-Präsidentschaft - seine Unberechenbarkeit.

Das war genau meine nächste Frage, da Sie zu Populismus und der extremen Rechten forschen. Was können Sie uns mit Blick auf Ihre Forschung sagen, wie die Welt und die USA am besten mit einem Präsident Trump umgehen sollen?

Ich glaube nicht, dass man wirklich irgendwelche Lehren ziehen kann, denn Trump ist im Vergleich mit den meisten populistischen Führern in anderen entwickelten Demokratien wirklich einzigartig. Er hat keine Geschichte und keine besondere Struktur, die ihn bindet. Von dieser Perspektive aus betrachtet ist er ansatzweise höchstens mit Silvio Berlusconi zu vergleichen, der auch ein Geschäftsmann und seine eigene Ein-Mann-Partei war. Aber der große Unterschied ist, dass Trump der Präsident der USA ist, und Berlusconi der Premierminister von Italien war.

Das Problem mit Trump ist, dass jeder Tweet, den er verschickt, einfach aufgrund seiner Stellung eine Weltnachricht ist. Und da er unberechenbare Botschaften verschickt, werden die Börsen und die Regierungen darauf reagieren. Und das ist ein großes Problem. Die Frage ist: Wird er lernen und verstehen, dass alles, was er tut, tatsächliche Folgen in der realen Welt haben wird? Ich bin diesbezüglich skeptisch. Man muss sich nur als Beispiel seine Twitterflut von Sonntag anschauen. Sie zeigt, dass er immer noch derselbe ist.

Die Lehre daraus ist natürlich, dass wir alle wachsam sein müssen, aber auch, dass wir nicht auf alles aufspringen sollen. Denn wir haben auch gelernt, dass er einfach Ideen ausspuckt und dann weiterzieht. Viele Dinge, die er früher gesagt hat, sind heute völlig unwichtig. Deshalb ist es wichtig für die USA und den Rest der Welt, nicht bei jedem Tweet in Panik zu verfallen, sondern einen Schritt zurückzugehen und sich daran erinnern, dass er von Trump stammt - und erst einmal abwarten, was er macht. 

Bei der Wiederholung der österreichischen Präsidentenwahl tritt am Wochenende der Kandidat der Grünen gegen den Kandidaten der rechten Freiheitlichen Partei an. Erwarten Sie einen Trump-Effekt?

Ich gehe nicht von einem Trump-Effekt aus, erwarte aber, dass Norbert Hofer (der Kandidat der Freiheitlichen Partei, Anm. d. Red.) gewinnen wird. Die Europäer stimmen nicht für rechte Kandidaten, nur weil die Amerikaner Trump gewählt haben. Sie stimmen aus innenpolitischen Gründen für rechte Kandidaten. Und Hofer führt in den meisten Umfragen, außerdem war er in den meisten Umfragen innerhalb des vergangenen Jahres unterrepräsentiert. Deshalb ist die Annahme logisch, dass er die Wahl gewinnen wird. Aber ich denke nicht, dass Trump dabei eine große Rolle spielt.    

Cas Mudde ist Politikwissenschaftler an der University of Georgia mit Schwerpunkt Extremismus und Demokratie. Sein neues Buch "On Extremism and Democracy in Europe" erschien in diesem Jahr. 

Das Interview führte Michael Knigge.