1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Was uns die Rauchdebatte lehrt

Andrea Buchberger15. Dezember 2006

Das hatte sich die Arbeitsgruppe der großen Koalition in Deutschland schön ausgedacht: Bundesweit wollte sie in Deutschland ein einheitliches Rauchverbot einführen - so wie andere europäische Länder.

https://p.dw.com/p/9XVt

Von denen hatten die Deutschen bislang immer glaubten, sie seien mit der Fluppe im Mund und den demokratischen Grundwerten im Blut geboren worden: Freiheit – Gleichheit - Brüderlichkeit, Baguette - Gauloises - Lebensfreude. Pustekuchen. Per Dekret und ohne Nationalversammlung hat der französische Premierminister de Villepin für das nächste Jahr ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen durchgesetzt, nachdem dreißig Jahre demokratischer Debatte nutzlos verstrichen. An seiner Seite steht ein einst nikotinabhängiger Präsident Chirac, der es durch politische Höhen und Tiefen hindurch schaffte, sich von der Sucht zu lösen - und eine weitere französische Erblast ins Gedächtnis ruft, die die französische Revolution überlebt hat und zutiefst undemokratisch ist: l’etat c’est moi - der Staat bin ich.

Überraschung im Ausland

Verwundert reibt sich der rauchende Deutsche auch in Spanien und Italien die Augen, weil er vergeblich nach Aschenbechern in Flughäfen und Bahnhöfen sucht und stattdessen nur Rauchverbotsschilder – schlimmer noch: die Androhung drakonischer Strafen erblickt. Verwundert stellt er fest, dass sich die Südländer tatsächlich, entgegen allen Erwartungen und Klischees an diese Verbote halten - und der Deutsche vielleicht doch nicht so obrigkeitshörig ist, wie ihm das von eben diesen Nachbarn immer gerne nachgesagt wird.

Es geht ums Prinzip

Zurück vor die eigene deutsche Haustür, wo man in der Regel nicht weit entfernt einen funktionierenden Zigarettenautomaten findet. Das heißt, in Bayern vielleicht bald nicht mehr. Denn der stets aufmüpfige bayerische Ministerpräsident Stoiber hat als einer der ersten angekündigt, ernst zu machen mit einem umfassenden Rauchverbot- ausgenommen die Bierzelte vom Oktoberfest. Anders der bayerische Gaststättenverband: Überraschend hat der Vorstand einen Grundsatzbeschluss für ein absolutes Rauchverbot auch in Bierzelten und Gaststätten gefasst. 14 Oktoberfestwirte sind daraufhin aus dem Verband ausgetreten. Das Thema erschüttert den Freistaat. Das kleine Saarland vielleicht weniger.

Rufe nach Hilfe aus Brüssel

Der dort zuständige Ministerpräsident hat ebenfalls grundsätzlich erklärt, dass der Staat nun wirklich nicht alles regeln müsse. Auf der anderen Seite werden gar Rufe laut, Brüssel möge die Angelegenheit in die Hand nehmen. Der smarte Niedersachse Christian Wulff hält sich alle Optionen offen. Bis zum Frühjahr kann er auch. Erst dann nämlich soll eine Arbeitsgruppe unter seinem Vorsitz abstimmen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen -wenn irgend möglich bundesweit und einheitlich.

Zeit genug also, das Thema in all seinen Abgründen und Verästelungen auszuloten. Wie viel Staat muss sein? Soll der Staat den rauchenden Bürger vor sich selbst und den nicht-rauchenden vor der Selbstsucht der anderen schützen? Wie viel Einfluss hat die Industrie auf die Politik? Wie viele Arbeitsplätze sind gefährdet? Wie groß ist das Loch, das durch den Wegfall der Tabaksteuern entsteht? Wie stark belastet der Raucher die Krankenkassen? Ist das gerecht? Es geht nicht nur ums Rauchverbot, es geht ums Prinzip. Bis das geklärt ist, hilft aus Sicht des Rauchers nur eins: den Nachbarn freundlich fragen, ob es ihn stört, wenn man raucht und sich an die Rauchverbotszonen halten, die auch in Deutschland schon reichlich und ohne einheitliche Gesetzgebung gelten.