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Washington, Riad und die verlorene Freundschaft

Kersten Knipp19. April 2016

US-Präsident Obama ist zu Gesprächen nach Saudi-Arabien aufgebrochen. Das Verhältnis der beiden Staaten ist allerdings nicht mehr so eng wie früher. Dafür sind die Interessenlagen zu unterschiedlich.

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USA Barack Obama empfängt König Salman bin Abdulaziz Al Saud, 04.09.2015 (Foto: EPA/MICHAEL REYNOLDS)
Bild: picture-alliance/epa/M. Reynolds

Der Präsident war verärgert. Also vertraute er sich einem politischen Freund, dem australischen Premier Malcolm Turnbull, an. Was er denn davon halte, dass das Königreich Saudi-Arabien und andere Golfstaaten striktere Auslegungen des Islams auch andernorts, etwa in Indonesien, durchsetzen wollten. "Aber sind die Saudis nicht eure Freunde?", fragte Turnbull. "Es ist kompliziert", antwortete Obama.

Die kleine Anekdote, die die amerikanische Zeitschrift "The Atlantic" vor kurzem veröffentlichte, vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr die saudisch-amerikanischen Beziehungen ihre frühere Selbstverständlichkeit verloren haben. Das stille Einvernehmen, das das Verhältnis der beiden Staaten über Jahrzehnte prägte, ist vorüber, an seine Stelle sind Misstrauen und Vorbehalte getreten.

Nachwirkungen des 11. Septembers

Die gehen auf den 11. September 2001 zurück, die Terroranschläge von New York und Washington. 15 der insgesamt 19 Attentäter waren saudische Staatsangehörige. Seitdem sieht man in Washington den Wahhabismus, die saudische Staatsreligion, mindestens kritisch. Denn der Fundamentalismus der wahhabitischen Staatstheologen ist dem Extremismus sunnitischer Dschihadisten zumindest nahe, wenn nicht sogar verwandt.

Gerade in den letzten Wochen wird in den USA über ein bislang nicht veröffentlichtes Zusatzprotokoll zum Abschlussbericht der staatlichen Untersuchungskommission zu den Angriffen des 11. Septembers diskutiert. "Wir verfolgten im Hinblick auf Saudi-Arabien ganz gewiss nicht alle Linien", erklärte der ehemalige Senator Bob Kerrey, damals Mitglieder der Untersuchungskommission, in der Sendung "60 Minutes".

Militärparade in Mekka, 15.01.2015 (Foto: picture-alliance/dpa/K. El Fiqi)
Demonstration der Stärke: Militärparade in MekkaBild: picture-alliance/dpa/K. El Fiqi

Umgekehrt bemüht sich Saudi-Arabien ebenso lange wie vergeblich um eine Kopie des geheim gehaltenen Berichts. "Wenn es Anschuldigungen gegen Saudi-Arabien gibt, möchten wir darauf antworten, denn wir wissen, dass sie keine Grundlagen haben", erklärte der damalige saudische Außenminister Saud al-Faisal bereits im Jahr 2003. Eingesehen haben die Saudis den Bericht bis heute nicht.

Im Stich gelassen

Schon vor dem Hintergrund von 09/11 ist es keine einfache Reise, die US-Präsident Barack Obama nun nach Riad führt. Zusätzlich kompliziert wird sie zudem durch Missstimmigkeiten aus viel jüngerer Zeit.

"Saudi-Arabien fühlt sich von den USA im Stich gelassen", sagt Sebastian Sons, Nahost-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Ausländische Politik, im Gespräch mit der DW. "Das liegt vor allem an dem Atomdeal mit dem Iran, Saudi-Arabiens großem Rivalen. Es liegt aber auch daran, dass die USA die saudische Militärkampagne im Jemen nur sehr widerwillig unterstützen." Auch die Interessen in Syrien seien nicht deckungsgleich. "Saudi-Arabien fordert den Sturz von Baschar al-Assad, die USA waren in dieser Hinsicht bislang zurückhaltend."

Saudi-Arabien wünsche sich von den USA wieder ein größeres Engagement, so Sons, und zwar trotz offener wirtschaftlicher Rivalitäten. "Man darf auch nicht vergessen, dass das Fracking in den USA auch die saudische Vorherrschaft auf dem Ölmarkt stark beeinträchtigt hat. Auch darum sind die Saudis weiterhin daran interessiert, den Ölpreis niedrig zu halten."

Der saudische König Salman, 27.01.2016
Steuert einen neuen Kurs: Der saudische König SalmanBild: Getty Images/AFP/S.Loeb

Die saudischen und die amerikanischen Interessen gingen derzeit diametral auseinander, beobachtet auch die am Londoner King's College lehrende Sozialanthropologin Madawi al-Rasheed. Während Obama auf eine multipolare, zwischen mehreren Regionalmächten aufgeteilte Ordnung des Nahen Ostens setze, wollten die Saudis sich als führende Macht etablieren. "Obama gilt in Riad darum als der bislang einzige US-Präsident, der diesen Traum gestört hat und durch die Versöhnung mit Iran die Saudis in einer unerfreulichen Wirklichkeit hat aufwachen lassen", schreibt Rasheed in dem Online-Magazin Al-Monitor.

"Wenn Obamas Besuch wirklich etwas erreichen will, muss er die Saudis stärker als bislang davon überzeugen, das das Zeitalter einzelner Hegemonialmächte womöglich vorbei ist, zumindest für die absehbare Zukunft", so al-Rasheed.

Gemeinsame Interessen

Bei allen Differenzen seien Saudi-Arabien und die USA durch gemeinsame Interessen aber weiterhin verbunden, sagt Sebastian Sons. "Der Kampf gegen den so genannten 'Islamischen Staat' ist sicherlich ein Interesse, das beide gemeinsam verfolgen. Das Königshaus in Riad hat mittlerweile erkannt, dass der IS nicht nur eine sicherheitspolitische, sondern auch eine ideologische Herausforderung ist. Es gab in den letzten Monaten verstärkt Anschläge auf saudischem Territorium von IS-Kämpfern. Das beunruhigt die Saudis zutiefst."

Unruhig sind die Saudis aber auch wegen der instabilen Lage in der unmittelbaren Nachbarschaft. So habe sich das Land entschlossen, in die Kämpfe im Jemen militärisch einzugreifen. Dort unterstützt das Königshaus den gewählten Präsidenten Abed Rabo Mansur Hadi gegen die aufständischen Huthis, deren Kämpfer in engem Kontakt zu Iran stehen sollen. Es sei bislang nicht üblich gewesen, dass Saudi-Arabien direkt militärisch eingreife, sagt Sebastian Sons.

Fracking-Anlage in Colorado, 13.11.2013 (Foto: dpa - Bildfunk)
Konkurrenten im Ölgeschäft: Fracking-Anlage in ColoradoBild: picture-alliance/dpa/Deutsche Rohstoff AG

Die Intervention sei auch ein Signal nach Washington. Dort wolle man zeigen, dass man notfalls auch ohne die USA zurechtkomme. Es sei allerdings fraglich, ob die Botschaft sonderlich überzeugend sei. "Oberflächlich gesehen ist das ein Zeichen der Stärke. Aber unter der Oberfläche ist es eher ein Zeichen der Schwäche, weil man dadurch von seinem eigentlichen, traditionellen außenpolitischen Kurs – nämlich mit diplomatischen Mitteln Einfluss zu nehmen – abweicht und auf einen militärischen Konfrontationskurs setzt, der im Jemen bisher zu keinerlei Erfolgen geführt hat."

Obama startet zu einem schwierigen Besuch. Das Verhältnis beider Staaten ist belastet. Es könnte noch schlechter, aber auch besser werden.