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"Wasser ist das wahre Öl des Nahen Ostens"

Mahmoud Tawfik1. Juni 2004

Am Sonntag (30.5.) beginnt in der jordanischen Hauptstadt Amman eine internationale Wasser-Konferenz. Wasser hat im Nahen Osten eine besondere Bedeutung.

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Alte Wasserrohre können zu Infektionen führenBild: AP


Warum zieht ein Land in den Krieg? Geht es dabei um Mordlust, Macht, ja Größenwahn? Oder stecken hinter kriegerischen Auseinandersetzungen eher gut kalkulierte, geo-strategische Interessen? "Kein Blut für Öl" skandierte die Friedensbewegung während des zweiten Golfkrieges 1991 - und meinte damit, die "wahren" Interessen der US-Regierung entlarvt zu haben. Ähnliches verbirgt sich hinter der Formulierung "Wasser ist das wahre Öl des Nahen Ostens".

"Ich denke, dass Wasser sicherlich ein Grund unter anderen ist, weswegen man Krieg führen kann, aber es war nicht der ausschlaggebende Grund", erklärt die Nahostexpertin Annette van Edig. Edig ist spezialisiert auf Wasserkonflikte. Konkret meint der Satz "Wasser ist das wahre Öl des Nahen Ostens" eine besorgte Betrachtung der teils akuten Wasserknappheit in der Region. Diese kulminiert in Prognosen, wie sie zum Beispiel der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros Ghali, äußerte: Der nächste Krieg im Nahen Osten werde, so Ghali, um Wasser geführt werden - wie derzeit um Öl.

Reibereien um Wasser

Reibereien um das lebenswichtige Naß hat es freilich schon genug gegeben, etwa zwischen Nil-Anrainerstaaten wie Ägypten, Äthiopien und dem Sudan oder zwischen den Anrainerstaaten des Euphrat-Tigris-Beckens Syrien, Irak und der Türkei. Aber auch die Kriege der Vergangenheit werden oft als "Wasserkriege" interpretiert. Prominentestes Beispiel: der Sechs-Tage-Krieg 1967, zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten. Eine vor allem in der arabischen Welt weit verbreitete Meinung geht dahin, dass es Israel bei der Besetzung der jordanischen Westbank und der syrischen Golanhöhen vor allem um die Eroberung neuer Wasserquellen ging.

Doch auch diese Deutung betrachtet Annette van Eding als zu vereinfacht: "Wenn man sich die Kriege in der Vergangenheit anschaut, Wasser war sicher etwas, war vielleicht ein Beweggrund, aber es kamen noch viele andere Beweggründe dazu, wie zum Beispiel die wachsende arabische Nationalbewegung."

Wasser gleich Macht

Wenn man dem Streit um Wasserressourcen die Macht abspricht, Kriege zu verursachen, so bedeutet dies freilich nicht, dass es sich bei der Wasserknappheit im Nahen Osten nicht um ein ernsthaftes Problem handelt. Den Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern macht die Auseinandersetzung um Ressourcen in der Tat noch komplizierter, als er ohnehin schon ist.

"Es ist einfach so, dass gegenwärtig die Palästinenser schon im Prinzip seit der israelischen Besatzung keinen Zugang zu ihren Ressourcen haben", so Eding. "Das heißt das Wasser wird zugeteilt und Brunnen dürfen nur mit Erlaubnis der israelischen Behörde gebohrt werden."

Konkret schlägt sich dies nieder auf einen Wasserverbrauch von etwa 80 bis 90 Litern pro Kopf in den palästinensischen Gebieten - im Vergleich zu 300 Litern pro Kopf in Israel.

Und auch wenn es um Rückzugspläne der israelischen Regierung geht oder um den Bau einer teilenden Mauer, so dürften diese zumindest zum Teil von der strategischen Notwendigkeit beeinflusst sein, weiterhin Zugang zu behalten zu großen unterirdischen Wassermengen in der Westbank.

Kopf um Wasser zerbrechen

Insofern scheint es auch keine vertane Zeit, sich über alternative Wassergewinnungsmethoden den Kopf zu zerbrechen - in der Hoffnung, regionale Konflikte damit zu entschärfen. Die Forderung "Wasser für den Frieden" wird jedoch wohl noch auf einige Hürden stoßen: "Wenn man an Meerwasser-Entsalzung denkt, das ist immer noch so teuer, dass sich das arme Länder nicht leisten können. Es ist auch im Gespräch, dass man große Wasserumleitungsprojekte realisiert, zum Beispiel von der Türkei nach Israel, das ist ja bereits geschehen - also dass man Wasser sozusagen exportiert."

Auch dies jedoch ein sehr umständliches Unterfangen. Viel wichtiger sei es ohnehin, so Annette van Eding, das bereits vorhandene Wasser effizienter zu nutzen - in der Landwirtschaft, in der Industrie wie im alltäglichen Verbrauch. Durch bessere Rohrleitungen beispielsweise, oder durch sparsamere Bewässerungsmethoden. Die Alternative zu einem ausgewogenen Wasserverbrauch ist laut van Edig zwar kein Krieg, aber immerhin Szenarien, die nicht weniger besorgniserregend scheinen: miserable Hygieneverhältnisse, gefährliche Reibereien auch innerhalb der jeweiligen Gesellschaften um die Verteilung von Wasser. Und wenn ein Großteil der Menschen in der Region irgendwann um Wasser Schlange stehen muss, wie auch Deutsche während dieser oder jener Ölkrise um das Benzin, dann wird doch etwas Wahres dran sein, an dem Satz: "Wasser ist das wahre Öl des Nahen Ostens".