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Wasser vom Kilimandscharo

27. November 2010

Jeder zweite Tansanier hat inzwischen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das ist ein Fortschritt, zu dem auch die deutsche KfW-Entwicklungsbank beigetragen hat. Neu sind auch die Wasserkioske.

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Elefant vor dem Mount Kilimandscharo (Foto: DW)
Auf dem Gipfel des Kilimandscharo liegt Schnee, der geschmolzen zur Wasserversorgung beiträgtBild: Das Fotoarchiv

Anit Musiti ist früh auf den Beinen. Und das sieben Tage in der Woche. Um sechs Uhr morgens öffnet sie ihren Wasserkiosk. Bis 18 Uhr versorgt sie ein ganzes Viertel in der tansanischen Stadt Arusha mit frischem Wasser. Den ganzen Tag über kommen die Frauen mit ihren Eimern. Drei Eimer können gleichzeitig gefüllt werden. Natürlich ist die Zapfstelle nicht nur wichtig, um die Einwohner des Viertels mit Wasser zu versorgen, sondern ebenso natürlich ist Anit Musitis Wasserkiosk die wichtigste Nachrichtenbörse des Viertels.

Nur wenige Haushalte können sich in der 400.000 Einwohner zählenden Stadt am Fuße des Kilimandscharos einen eigenen Anschluss an das Leitungsnetz leisten, die meisten versorgen sich bei den 64 Zapfstellen, die über das ganze Stadtgebiet verstreut sind. Trotz beträchtlichen eigenen Anstrengungen und massiver ausländischer Hilfe ist Tansania nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Dass dort mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, ist ein großer Fortschritt. Denn verschmutztes Wasser ist eine der wichtigsten Ursachen für Krankheiten wie Durchfall oder Cholera, die häufig vor allem für Neugeborene und Kleinkinder mit dem Tode enden.

Wasseruhr oder Eimer

Anit Musiti mit einer Kundin in ihrem Wasserkiosk (Foto: Karl Zawadzky)
Anit Musiti (rechts) mit einer Kundin in ihrem WasserkioskBild: Karl Zawadzky

Seit fünf Jahren betreibt Anit Musiti den Wasserkiosk an einer der Hauptstraßen von Arusha in eigener Regie. Sie ist am Umsatz beteiligt, der sich pro 20-Liter-Eimer auf fünf tansanische Schillinge - etwa zweieinhalb Euro-Cent - beläuft. Arme, die sich das Wasser nicht kaufen können, sind von der Zahlung befreit. Am Monatsende bleibt der Wasserfrau ein Einkommen von umgerechnet rund 20 Euro. Wer sich eine Leitung ins Haus legen lässt, spart sich den Weg zur Zapfstelle, muss dafür allerdings acht Schilling pro 20 Liter oder 150 Schilling pro Kubikmeter zahlen. Während an der öffentlichen Zapfstelle über die vollen Eimer abgerechnet wird, läuft im Haus die Wasseruhr.

Wasser von guter Qualität hat seinen Preis. Der Grund: Was nichts kostet, das wird vergeudet und nicht geschätzt. Zwar gab es in der Stadt am Kilimandscharo schon zu früheren Zeiten eine Wasserversorgung, aber die war in schlechtem Zustand. Von dem eingespeisten Wasser kam nur wenig an den Zapfstellen an. Und was aus dem Hahn tröpfelte, das war von schlechter Qualität. Wer es sich leisten konnte, versorgte sich beim Wasserhändler. Der ärmere Teil der Bevölkerung musste mit dem zufrieden sein, was die öffentlichen Zapfstellen lieferten, oder sich aus dem Fluss bedienen, was der Gesundheit nicht minder abträglich war.

Sauberes Trinkwasser für zwei Millionen

Wasserzapfstelle in einer Bananenplantage am Kilimandscharo (Foto: Karl Zawadzky)
Wasserzapfstelle in einer Bananenplantage am KilimandscharoBild: Karl Zawadzky

Das hat sich geändert, seit die Wasserversorgung ein wichtiger Bestandteil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Tansania ist. Heute kommt sauberes Wasser aus der Leitung und kostet nur noch rund ein Zehntel des Preises, den die privaten Wasserhändler verlangten. Seit Mitte der neunziger Jahre hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Tansania rund zwei Millionen Menschen zu sauberem Trinkwasser verholfen. In den davon begünstigten Regionen sind Krankheiten wie Cholera, Typhus und Ruhr stark reduziert worden. Frauen und Kinder müssen nicht mehr viel Zeit damit verbringen, Wasser aus Flüssen oder Tümpeln zu beschaffen. Außerdem müssen sie das Wasser aus Furcht vor Krankheiten nicht mehr abkochen.

Wesentlich dafür war der Politikwechsel der tansanischen Regierung im Wasserbereich. Nachdem deutsche Entwicklungsvorhaben in drei Modellregionen einen offensichtlichen Fortschritt bewirkt hatten, dezentralisierte die Regierung nach diesem Vorbild die Wasserversorgung. In den Städte und Gemeinden sind die Menschen jetzt selbst für das Wasser zuständig. Mittlerweile gibt es 130 lokale oder regionale Wasserversorger, die für die Netze, den Betrieb und für die Investitionen verantwortlich sind und über Budgets und eigene Einnahmen verfügen.

KfW im Boot

Wie häufig bei großen Infrastrukturvorhaben hat das Entwicklungsministerium der Bundesregierung die KfW-Entwicklungsbank mit der Ausführung des Projekts beauftragt. Die KfW-Entwicklungsbank steuert und überwacht den Projektverlauf, hat aber mit der Arbeit vor Ort ein auf solche Vorhaben spezialisiertes Ingenieur-Unternehmen betraut. Dabei ist die Versorgung der Stadt Arusha sowie zahlreicher Dörfer rund um den Kilimandscharo nur die eine Seite des Projekts, auf der anderen Seite geht es um die Abwasserentsorgung.

KfW-Vorstandschef Ulrich Schröder (Mitte) auf einer Baustelle (Foto: Karl Zawadzky)
KfW-Vorstandschef Ulrich Schröder (Mitte) auf einer BaustelleBild: Karl Zawadzky

Die KfW-Entwicklungsbank hat im Wassersektor unter den Partnern Tansanias den Vorreiter gespielt und ist hier immer noch der wichtigste Geber. Sie hat aber längst andere wichtige Organisationen und Länder wie die Weltbank, die staatliche amerikanische Entwicklungsorganisation sowie die Afrikanische Entwicklungsbank und die Niederlande an der Seite. Auch für die tansanische Regierung ist die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser ein vorrangiges Ziel. Derzeit geht es darum, bis Ende 2012 weiteren 13 Millionen Menschen in Tansania zu sauberem Trinkwasser zu verhelfen und das anfallende Abwasser zu entsorgen.

Schnee und Regen vom Kilimandscharo

Das erfordert viel Geld, das zum geringen Teil von der tansanischen Regierung und zum größeren Teil von den Geberländern und internationalen Organisationen aufgebracht wird, sowie viel Initiative, Arbeit und Verantwortung von den Menschen, denen die ganze Anstrengung dient. Denn zum Beispiel die KfW-Entwicklungsbank finanziert in den Städten und Regionen, für die sie die Zuständigkeit übernommen hat, das Material für die Leitungsnetze und für die Zapfstellen. Außerdem stellt sie auf Wasserprojekte spezialisierte Ingenieure und kaufmännische Berater bereit. Die Arbeit, zum Beispiel das Verlegen der Rohre sowie den Bau der Wasserkioske, erledigen die Tansanier unter Anleitung der deutschen Ingenieure selbst.

Für das Vorhaben in der Stadt Arusha sowie in den Dörfern rund um den Kilimandscharo hat die Bundesregierung über die KfW-Entwicklungsbank bislang fünf Millionen Euro ausgegeben. Acht Millionen Euro haben die tansanische Regierung und das Wasserwerk Arusha aus eigenen Einnahmen und Krediten investiert. Mit insgesamt 13 Millionen Euro ist ein zuvor marodes Leitungsnetz erneuert und um 60 Prozent erweitert worden.

Hand mit Wasserstrahl (Foto: Fotolia)
'Luxusgut' in Afrika: sauberes WasserBild: Fotolia/Aramanda

Die Wassergesellschaft Arusha hat in den letzten zehn Jahren ihre Einnahmen auf umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr verfünffacht. Mit dem Geld wird der laufende Betrieb finanziert, das Netz in Stand gehalten und in die neu entstehenden Stadtteile erweitert. Das Wasser stammt zum geringen Teil aus Tiefbrunnen, zum größeren Teil handelt es sich um Schnee und Regen vom Kilimandscharo. Auf etwa 2000 Meter Höhe - oberhalb der Kaffeeplantagen und des Bananengürtels - wird in der Waldzone Bächen glasklares und hygienisch einwandfreies Wasser entnommen und in großen Tanks gesammelt sowie vorsichtshalber mit Chlor versehen und in ein 200 Kilometer langes Leitungsnetz eingespeist, aus dem 600 öffentliche Zapfstellen und 1000 Privathaushalte versorgt werden.

In der Stadt Arusha und in den Dörfern rund um den Kilimandscharo bekommen mehr als 500.000 Menschen sauberes Trinkwasser in ihre Wohnviertel geliefert. In Arusha liegt der Versorgungsgrad bei früher unvorstellbaren 98 Prozent der Einwohner. Auch bei Anit Musiti läuft Wasser aus der Leitung, das als Schnee auf dem höchsten Berg Afrikas gelegen hat.

Autor: Karl Zawadzky
Redaktion: Jutta Wasserrab