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Water Water Everywhere…

Ruth Rach22. August 2008

Die Londoner Wasserleitungen und Abwasserrohre stammen zum großen Teil aus viktorianischen Zeiten, deswegen fließt das Wasser aus lecken Leitungen. Korrespondentin Ruth Rach schreibt für Fokus Europa aus der Hauptstadt.

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Mann mit Kalender mit dem Wasser bis zum Hals
Den Londonern begegnet mehr Wasser, als ihnen lieb istBild: BilderBox

"Als ob der Sommer nicht schon nass genug wäre. Kaum ein Augusttag, an dem sich der Himmel nicht ergiebig über London ergossen hätte. Und dem nicht genug: gleichzeitig tut sich bei mir im Stadtviertel auch noch allerorts die Erde auf. Auf dem Trottoir, auf der Straße beult sich der Asphalt zu kleinen Mulden, die wenig später zarte Springbrunnen auszuspeien, die sich binnen kurzer Zeit in Form murmelnder Quellen durch das schmale Hampstead schlängeln, zu munteren Bächlein zusammentun und dann mit vereinter Kraft erbarmungslos bergab fluten, in Richtung Stadtmitte.

Die Bauarbeiter resignieren

Ein junger Mann hinter einer Reihe von Flaschen (16. April 2001/AP)
Mineralwasser ist ein zwingendes AccessoireBild: AP

Das Ergebnis sind überschwemmte Gärten, Gehsteige, Trottoirs, und ein riesiger Verkehrsstau. Irgendwann einmal kommt dann das zuständige Wasserwerk, und beginnt nach der Quelle des Übels herumzustochern. Nun muss man sich erst recht ärgern. Denn jetzt werden ganze Straßenecken abgeriegelt, der Stau wird zur Mega-Blockade.

Und hinter den grellbunten Bauzäunen passiert erst einmal gar nichts. Manchmal stehen ein paar Arbeiter herum mit einem Becher Tee in der Hand. Sie starren verblüfft in ein tiefes Loch, das irgendwelche Kollegen gebuddelt und dann wieder resginiert verlassen haben. Schuld an der Misere sind die Londoner Wasserleitungen und Abwasserrohre – die zum großen Teil auf viktorianische Zeiten zurückgehen. Schon seit Jahrzehnten werden sie immer wieder stückchenweise ersetzt, aber dadurch scheint sich der Druck auf alte Leitungen nur noch zu verstärken. Kaum ist ein Loch geflickt, schon tut sich ein neues auf. Jeden Tag gehen zwischen 800 und 900 Millionen Liter verloren.

Leitungswasser ist aus der Mode

Im Sommer gab die für die Londoner Wasserversorgung zuständige Firma Thames Water bekannt, ihr Profit sei um 34 Prozent gestiegen: gleichzeitig hieß es aber, die Wasserpreise müssten über die nächsten Jahre kräftig steigen, um die Reparaturen zu finanzieren.

Die Londoner sind schwer verärgert. Nicht nur über das Wasser, das aus ihren Hähnen beziehunsgweise aus lecken Leitungen in die Erde fließt, sondern auch zunehmend über die Wasser, die ihnen im Restaurant aufgetischt werden. Seit einigen Jahren ist es nämlich total "in", sich zum überteuerten Essen eine Flasche Mineralwasser zu bestellen. Kaum jemand traut sich, nach dem gewöhnlichem Leitungswasser zu fragen.

Flüssige Accessoires in der Flasche

Auch auf der Straße ist Mineralwasser – natürlich in der coolen Plastikwegwerfflasche – ein zwingendes Accessoire. Nicht verwunderlich also, dass die Preise für das angesagte Nass unerhört gestiegen sind. Mancherorts ist es schon billiger, den Durst mit Bier als mit Mineralwasser zu stillen. Die Schickeria schert es nicht: im Londoner Edelhotel Claridges gibt es 30 verschiedene Mineralwasser. Spitzenreiter: ein vulkanisches Quellwasser aus Neuseeland, der Liter für 50 Pfund, besonders leicht und bekömmlich, ideal für Vorspeisen.

Vor ein paar Monaten organisierte das renommierte Weinmagazin Decanter nun einen Wassertest – die Experten mussten blind zwischen 24 Sorten, darunter auch Leitungswasser - wählen. Auf den dritten Platz kam ausgerechnet Thames Water. Jetzt warte ich bloß noch darauf, dass ich demnächst das Londoner Leitungswasser - als "Eau de Thames" vermarktet – in den Regalen sehe."

Die Fokus-Europa-Korrespondenten berichten jeden Freitag in der Rubrik „Mail aus…“ über kuriose, lustige oder ärgerliche Erfahrungen, die sie in ihren Gastländern erleben. An diesem Freitag kommt die Mail von Ruth Rach aus England.