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Wehrbeauftragter warnt vor Generalverdacht

25. Januar 2011

Angesichts der jüngsten Vorfälle bei der Bundeswehr hat der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, davor gewarnt, die Streitkräfte unter "Generalverdacht" zu stellen.

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Matrosen der 'Gorch Fock' klettern in die Takelage (Foto:dpa)
Matrosen der 'Gorch Fock' klettern in die TakelageBild: picture alliance / dpa

Dafür gebe es keinen Anlass, sagte der FDP-Politiker Königshaus bei der Vorstellung seines Jahresberichtes am Dienstag (25.01.2011) im Berlin. Die Bundeswehr sei "gut aufgestellt". Allerdings gebe es zum Teil erhebliche Mängel im Führungsverhalten von Dienstvorgesetzten. Als Beispiel nannte er schikanierende Aufnahmerituale.

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (Foto: AP)
Der Wehrbeauftragte Hellmut KönigshausBild: AP

Die jüngsten Bundeswehraffären fanden im Jahresbericht allerdings keine Erwähnung, weil es erst jetzt Erkenntnisse über mögliche Missstände beispielsweise an Bord des Segelschulschiffes 'Gorch Fock' gegeben habe, sagte Königshaus. Bis dahin habe es keine Auffälligkeiten gegeben, "die man besonders hätte berichten müssen". Schwerpunkte des Jahresberichts 2010 sind die Vereinbarkeit von Familie und Dienst, Auslandseinsätze und die Lage im Sanitätsdienst. Er habe "mit Freude" festgestellt, dass es deutliche Verbesserungen bei der Ausrüstung gegeben habe, sagte Königshaus. Dennoch bestünden dort weiterhin Probleme.

Der FDP-Politiker ist seit Mai 2010 Wehrbeauftragter. Damals hatte er den SPD-Politiker Reinhold Robbe abgelöst.

Guttenberg lässt Bundeswehr überprüfen

Mit seinen Äußerungen über die generelle Situation der Bundeswehr bezog sich Königshaus auf die von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angeordnete Überprüfung aller Teilstreitkräfte. Der Minister lässt von Generalinspekteur Volker Wieker untersuchen, ob es bei der Bundeswehr entwürdigende Behandlungen von Soldaten und vorschriftswidrige "Rituale" gibt.

Ein Besatzungsmitglied der 'Gorch Fock' schaut durch ein Fernglas (Foto: AP)
Ein Besatzungsmitglied der 'Gorch Fock' schaut durch ein FernglasBild: AP

Anlass für die Anweisung des CSU-Politikers ist der Tod einer Offiziersanwärterin auf dem Marine-Schulschiff 'Gorch Fock'. Die 25-Jährige war im November 2010 aus der Takelage abgestürzt und hatte tödliche Verletzungen erlitten. Nach dem Unglück war es zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen zwischen Offiziersanwärtern und der Schiffsführung gekommen - angeblich eine Meuterei. Zu Guttenberg hat den Dreimaster nach Deutschland zurückbeordert und Kapitän Norbert Schatz von seinen Pflichten entbunden.

Königshaus hat sich bei der Vorstellung seines Jahresberichtes hinter das Krisenmanagement von Veteidigungsminister zu Guttenberg gestellt. Die Absetzung des Kapitäns sei richtig, bekräftigte er. "Ich glaube, das ist eine Schutzmaßnahme, jedoch ist damit keine Vorverurteilung verbunden."

Berichte über Exzesse auf Schulschiff

Gleichzeitig gerät die 'Gorch Fock', bislang der Stolz der Bundesmarine, immer mehr in Verruf. Medien berichten unter Berufung auf Mitarbeiter von Königshaus, die die Vorfälle vom November parallel zum Verteidigungsministerium untersuchen, von Alkoholexzessen auf dem Schiff. Auszubildende Offiziersanwärter hätten sich beim Königshaus-Team massiv über das Benehmen von Mitgliedern der Stammbesatzung der 'Gorch Fock' unter Alkoholeinfluss beschwert, meldete "Spiegel-online".

Der abgelöste Kapitän der Gorch Fock, Norbert Schatz (Archivfoto: dpa)
Der abgelöste Kapitän der Gorch Fock, Norbert SchatzBild: picture alliance/dpa

So habe ein betrunkener Ausbilder Offiziersanwärter mit dem Tod gedroht. Ein Kadett berichtete, er habe auf Deck Erbrochenes der Offiziere wegputzen müssen. Der damalige Kapitän Schatz sei häufig in Badehose gesehen worden und habe nur Pflichttermine wahrgenommen.

Unions-Fraktion stellt sich hinter Minister

Zu Guttenberg und das Verteidigungsministerium stehen zudem in Zusammenhang mit einem tödlichen Schuss in der Kritik, den ein Bundeswehrsoldat in Afghanistan im Dezember offensichtlich unabsichtlich auf einen Kameraden abgegeben hat. In Mitteilungen der Bundeswehr war der Eindruck erweckt worden, der Gefreite habe sich beim Reinigen seiner Waffe versehentlich selbst erschossen. Der stellvertretende Chef der Unionsfraktion, Andreas Schockenhoff, sagte dazu jetzt der Deutschen Presseagentur, es sei eine "ärgerliche Informationspanne", dass die Bundeswehr wochenlang nicht umfassend berichtet habe, obwohl Guttenberg bereits kurz nach dem Unglück die Beteiligung eines Kameraden deutlich gemacht habe. Hier müsse mehr "Sensibilität" entwickelt werden. Schockenhoff betonte zugleich, der von der Opposition scharf angegriffene Verteidigungsminister habe das volle Vertrauen der Unions-Fraktion.

Autor: Michael Wehling (dpa/afp/rtr/dapd)
Redaktion: Annamaria Sigrist