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Weichenstellung in Kolumbien

12. März 2010

Kolumbien wählt ein neues Parlament. Die Wahl gilt als richtungsweisend für die Präsidentschaftswahlen im Mai. Der amtierende Staatschef Uribe darf nicht kandidieren. Seinem Parteienbündnis droht die Spaltung.

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Plenarsaal des kolumbianischen Parlaments (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Die Kolumbianer stimmen am Sonntag (14.03.2010) über die Verteilung von 102 Senatorenposten und 166 Abgeordnetenmandaten ab. Umfragen zufolge werden sowohl die Konservative Partei als auch die Soziale Partei der Nationalen Einheit (U) gestärkt aus den Wahlen hervorgehen. Zusammen mit sechs kleineren Gruppierungen bilden sie die Regierungskoalition von Präsident Alvaro Uribe, die zur Zeit über eine klare Mehrheit von 68 Sitzen im Senat und 107 im Parlament verfügt.

Vorentscheidung für Präsidentschaft

Der Ausgang der Parlamentswahlen wird entscheidend sein für die Aufstellung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im Mai. Das Verfassungsgericht hatte vor drei Wochen die von Präsident Uribe angestrebte Volksabstimmung über seine erneute Kandidatur verboten.

Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe (Foto: AP)
Präsident Alvaro Uribe darf nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren.Bild: AP

Für eine dritte Amtszeit hätte die Verfassung geändert werden müssen. Jetzt soll der frühere Verteidigungsminister Juan Manuel Santos als Nachfolger Uribes für die "U" aufgebaut werden.

Die Konservative Partei hingegen will die frühere Außenministerin Noemí Sanín ins Rennen schicken. Sollten beide Kandidaten gegeneinander antreten, würde dies das rechte Lager deutlich schwächen. Politische Gewinner könnten dann die oppositionellen Liberalen sowie die Demokratische Alternative Partei sein.

Verbindungen zu rechten Paramilitärs

Die Parlamentswahlen werden überschattet von dem Skandal um die sogenannten "Para-Politik". In der abgelaufenen Legislaturperiode wurden 80 Abgeordneten und Senatoren Kontakte zu ultrarechten paramilitärischen Gruppen nachgewiesen. 30 Parlamentarier wurden auf Grund ihrer Verbindung zu Todesschwadronen und Drogenschmugglern zu teilweise langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Paramilitärs im Trainingslager (Foto: AP)
Die Paramilitärs wurden 2002 entwaffnet - im Gegenzug wurde ihnen Straffreiheit garantiert.Bild: AP

Weitere 20 haben ihr Mandat zurückgegeben um die Untersuchung in die Hände der Staatsanwaltschaft zu legen, von der sie sich anscheinend eine schonendere Behandlung erhoffen als vom Obersten Gerichtshof Kolumbiens. Die überwiegende Mehrheit der in die "Para-Politik" verstrickten Abgeordneten gehört dem Regierungslager an.

Der Skandal reicht bis ins Jahr 2002 zurück. Damals, zu Beginn der Präsidentschaft von Alvaro Uribe, wurden 32.000 Paramilitärs demobilisiert. Als Gegenleistung für die Aufgabe des bewaffneten Kampfes garantierte die Regierung den Anführern damals Haftstrafen von unter acht Jahren. Die Paramilitärs werden für zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht, 150.000 Menschen sollen ihnen in den letzten 20 Jahren zum Opfer gefallen sein. Die meisten Verantwortlichen sind straffrei ausgegangen. Sie haben Einnahmen aus dem Drogenschmuggel bei den letzten beiden Parlamentswahlen (2002 und 2006) dazu verwendet, Kandidaten zu bestechen und im großen Umfang Stimmen zu kaufen. Ein Drittel der Abgeordneten stand den Ermittlungen zu Folge auf der Gehaltsliste der rechtsextremen Paramilitärs.

Im Zuge der Enthüllungen musste unter anderem Außenministerin María Consuelo Araújo zurücktreten, deren Bruder, Senator Alvaro Araújo, wegen seiner Kontakte zu den Paramilitärs verhaftet worden war. Auch ein Cousin von Präsident Uribe sitzt in diesem Zusammenhang hinter Gittern.

Bedrohung durch Guerilla

Einer Studie der Wahlbeobachterkommission zufolge muss in über einem Drittel der 1.100 Wahlbezirke mit gewalttätigen Übergriffen durch die linksgerichtete Guerilla gerechnet werden.

Vermummte Kämpfer der FARC-Guerilla (Foto: AP)
Die FARC-Guerilla finanziert sich durch Drogenschmuggel und EntwführungenBild: AP

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums 7.500 Mann unter Waffen. Die Regierung Uribe ist in den letzten Jahren mit militärischer Gewalt gegen die FARC vorgegangen und hat die Aufständischen in die ländlichen Regionen im Süden und Osten des Landes zurückgedrängt. Die Politik der harten Hand hat Uribe viel Sympathie bei den Kolumbianern eingebracht. Vor allem, dass das Leben in den Städten wieder sicher ist, wird der Regierung zugute gehalten.

Die FARC finanziert sich durch Drogenschmuggel und Geiselnahmen. Prominentestes Ofper war die Grünen-Politikerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die 2008 nach sechsjähriger Geiselhaft im Dschungel durch die kolumbianische Armee aus den Händen der FARC befreit wurde.

Gekaufte Wahlen

Einer Gallup-Umfrage zufolge haben bereits jetzt sieben Prozent der Wähler ihre Stimme gegen Geld verkauft. Der "Preis" liegt dabei zwischen 10 und 70 Dollar, so die Leiterin der unabhängigen Wahlbeobachtermission, Alejandra Barrios. Weitere 22 Prozent hätten sich durch Sachleistungen und andere Geschenke (Jobs, Baumaterial, Ausbildungsplätze) beeinflussen lassen.

Autorin: Mirjam Gehrke (rtr/ dpa/AFP)
Redaktion: Sven Töniges