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Politik

Weihnachten und die Wahlen in Katalonien

Barbara Wesel Barcelona
22. Dezember 2017

Am Tag nach der Wahl stürzen sich die Katalanen in ihre Weihnachtseinkäufe. Und überall geht es um die El-Gordo-Lotterie und deren Supergewinne. Die Politik muss warten bis nach Neujahr. Von Barbara Wesel, Barcelona.

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Spanien Wahl in Katalonien, Menschen aus Barcelona
Bild: DW/B. Wesel

Maria José ist begeistert: "In Sort, in der Nähe von meinem Dorf, hatten sie eine ganze Serie von Lottogewinnen, viele Millionen auf einmal. Ist das nicht großartig?" Jetzt sei es Zeit, an Weihnachten zu denken, und die Glücklichen in ihrer Heimat könnten gleich überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben wollten. Einen Tag nach der Wahl in Katalonien, von vielen als schicksalhafte Entscheidung angekündigt, hat Maria José keine Lust mehr auf Politik, sondern auf Feiertage. In Katalonien wie überall in Spanien werden fieberhaft die Lottoscheine verglichen, denn dies ist wie in jedem Jahr der Tag der großen Weihnachtslotterie.

Weihnachten statt Politik

Maria verkauft schon seit 30 Jahren selbstgemachten Weihnachtsschmuck auf dem Markt Santa Jucia vor der Kathedrale in Barcelona. Hier flanieren Touristen wie Einheimische, man kauft noch ein paar Deko-Schafe für die Krippe oder einen Weihnachtsstrauß. Die Händlerin sieht das Wahlergebnis leidenschaftslos. "Wenn es das ist, was die Leute wollen, dann müssen wir uns damit einrichten". Sie selbst hat nicht für die Unabhängigkeit gestimmt, hält sie irgendwie für Unsinn. Und Maria wird auch im nächsten Jahr ihre Weihnachtsmänner verkaufen, egal wer dann um die Ecke im Palao de la Generalitat als Präsident residiert.

Spanien Wahl in Katalonien, Menschen aus Barcelona
Marktfrau Maria JoséBild: DW/B. Wesel

Ihre Kollegin Josefina an ihrem Blumenstand ist sauer auf die Unabhängigkeitsparteien. "Sie haben mir gesagt, ich sollte gelbe Schleifen in meine Sträuße binden. Wie kommen sie dazu, mir zu sagen was ich in meinem Laden tun soll? Sie wollen immer allen ihre Meinung aufzwingen, das mag ich überhaupt nicht". Und außerdem glaubt sie, dass Carles Puigdemont und seine Partei, die sich am Donnerstag erneut zu  Wahlsiegern erklärt haben, genauso korrupt seien, wie ihre Vorgänger. "Sie sind kein bisschen besser oder anders, sie sollen sich nicht so aufspielen".

Puigdemont ist und bleibt ein Held

Pablo betrachtet die Krippenfiguren an Marias Stand. Er zeigt seine politische Gesinnung schon auf seiner Winterjacke. Die gelbe Schleife hier ist allerorten das Symbol für die Unabhängigkeit und die Forderung, deren Anführer aus dem Gefängnis zu entlassen. Pablo ist ein überzeugter Anhänger von Puigdemont, kritisiert aber den Aufstieg der Liberalen der Partei Ciudadanos auf Platz 1 bei der Wahl: "Sie sind nur ein modernes Image nach außen, haben aber kein politisches Programm".

Für Pablo ist der Anführer von PeDeCat immer noch der gewählte Präsident der Region. Und weil Puigdemont als einziger aus dem Exil in Belgien aktiv Wahlkampf machen konnte, habe er wieder für ihn gestimmt. Andere, wie Oriol Junqueras von den linken Republikanern (ERC) sitzen im Gefängnis und waren zum Schweigen verurteilt. Aber Pablo findet den Vorwurf der Feigheit falsch, den Junqueras seinem Koalitionspartner machte."Puigdemont hatte keine andere Möglichkeit, warum sollte er auch noch ins Gefängnis gehen?". Die Independentistas bräuchten doch handlungsfähige Anführer in Freiheit. 

Spanien Wahl in Katalonien, Menschen aus Barcelona
Sauer auf die Separatisten: Blumenhändlerin JosefinaBild: DW/B. Wesel

Neue Koalition der Separatisten?

Jaume an seinem Marktstand ist absolut uneins mit seinen Kolleginnen gegenüber. Er hat für die Unabhängigkeit gestimmt, ist aber auch nicht richtig glücklich über das Wahlergebnis. Man habe zwar eine Mehrheit gewonnen, aber der Aufstieg der Liberalen verderbe ihm die Feiertagslaune.

Der Händler wünscht sich eine neue Koalition der Independentistas, aber er kann auch nicht richtig erklären, wie das gehen soll. Was, wenn die Geflüchteten aus Angst vor dem Gefängnis nicht zurückkehren wollten, um ihre Sitze im katalanischen Parlament anzutreten? Jaume hat keine Antworten. Allerdings meint er, es sei Zeit für eine Pause: "Jetzt, während der Feiertage, sollten alle mit ihren Familien zusammen sein und einfach mal über etwas anderes reden" Das allerdings ist nicht einfach in der Region, denn durch diese Wahlen sind Streit und Spaltung nicht weniger geworden, die seit Monaten die Gesellschaft zerreißen. 

Pro und Contra allerorten

Zwei elegante Damen kommen vorbei. Auch Consuela hat für die Unabhängigkeit  gestimmt, denn der Separatismus ist auch in Teilen des eingesessenen Bürgertums zu Hause, das seinen speziellen katalanischen Nationalismus pflegt. Allerdings lobt Consuela vorurteilsfrei die enorme Leistung der jungen Liberalen-Chefin Ines Arrimadas: "Sie spricht wirklich gut, hat eine starke Kampagne geführt und dass ihre Partei stärkste Fraktion wurde, das ist wohl verdient".

Ein paar Straßen weiter geht Noemi über den Platz vor dem Präsidentenpalast. Sie ist völlig frustriert vom Wahlergebnis, denn ihre Favoriten haben schlecht abgeschnitten. Die Sozialisten liegen mit nur 17 Sitzen weit hinter den Erwartungen. "Wir haben einen guten Parteichef, der für Einigkeit und Kooperationsbereitschaft steht. Und es hat uns nichts gebracht". Noemi wiederum ist nicht begeistert vom Erfolg der Liberalen: "Es muss doch etwas anderes geben als diese Partei, die viel zu rechts ist, und den schwachsinnigen Predigern der Unabhängigkeit auf der anderen Seite".

Spanien Wahl in Katalonien, Menschen aus Barcelona
Separatistin aus dem Bürgertum: ConsuelaBild: DW/B. Wesel

Frohe Weihnachten

In der traditionsreichen Konditorei La Colema kaufen die Bewohner des Viertels Weihnachtskuchen mit Nüssen, kleine Glücksschweine und Kekse mit Marzipan. Am Sonntag wird in allen Familien das große Weihnachtsessen veranstaltet. Vielleicht kann dann die alte Regel: "Beim Essen keine Gespräche über Politik oder Religion" dabei helfen, den Weihnachtsfrieden zu bewahren. Erst im Januar muss das neue Parlament zusammen treten, im Februar der Präsident gewählt werden. Nur die wenigsten wollen sich jetzt darüber Sorgen machen.