1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nix wie weg

24. Dezember 2009

Konsumterror, Geschenkpflicht und schlechtes Wetter - viele Deutsche haben die Nase voll davon und verreisen über die Festtage. Ganz ohne weihnachtliche Accessoirs halten es aber einige dann doch nicht aus.

https://p.dw.com/p/LCSl
Flugzeug vor Sonne (Foto: AP)
Ab in die Südsee!Bild: AP

Flughafen Köln-Bonn, ein Tag vor Heiligabend, morgens kurz vor neun. Vor den Schaltern haben sich schon lange Schlangen gebildet. Die ersten Weihnachtsflüchtlinge sind schon seit vier Uhr da. Sie tragen weder Weihnachtstüten noch sorgfältig verpackte Überraschungen unterm Arm. Stattdessen ziehen die Ausreißer hässliche Rollkoffer und Reisetaschen hinter sich her.

Last Minute-Angebote (Foto: Peter Kolakowski)
Weihnachtsflucht auf den letzten DrückerBild: Peter Kolakowski

Einziges Zeichen von Weihnachtlichkeit: Ein junger Mann auf dem Weg nach Bangkok hat ein winziges Schächtelchen Mozartkugeln bei sich. Seine Freundin ist schon seit einer Woche in Bangkok. Auch ihr geht der Weihnachtsstress auf die Nerven. Seit fünf Jahren flieht das Paar schon vor dem Fest. Jedes Jahr suchen sich die beiden ein neues Ziel aus. Weihnachten heißt für sie baden, in der Sonne liegen und Ausflüge machen. Statt Bäumchen schmücken, Geschenke kaufen und Gänsebraten essen.

Weihnachtszeit - Reisezeit

Gerade jetzt vor Weihnachten sind die Reisebüros und Flughäfen wieder voll. In der heiligen Zeit um die Feiertage macht die Reisebranche mit das beste Geschäft. Geworben wird nicht mit Winterträumen, sondern mit Temperaturen um 25 Grad und Exotik. Die, die hier am Check-In-Schalter stehern, wollen mit Weihnachten nichts zu tun haben.

Der ganze Kommerz um das Weihnachtsfest, und Weihnachtsgebäck schon Ende August – eine junge Frau, die auf ihren Flug nach Istanbul wartet, hat auch keine Lust mehr darauf. Sie hat ihren Mann an Heiligabend geheiratet, weil das Datum leicht zu merken sei: "So kann ich den Hochzeitstag nicht vergessen."

Traditionsverlust

Plakat (Foto: Peter Kolakowski)
...aber den Weinachtsbaum nicht vergessen...Bild: Peter Kolakowski

Das Phänomen, während bestimmter Feiertage heimischen Gefilden bewusst den Rücken zu kehren, ist nicht neu, scheint aber weiter zuzunehmen. Zum einen liegt das an den immer weiter fallenden Preisen. Mallorca über Weihnachten eine Woche "all inclusive" mit Hin und Rückflug für knapp 350 Euro: so billig kommt man selbst in Deutschland kaum über die Runden. Und wohl schon gar nicht an Weihnachten, wo alles förmlich nach guten Gaben schreit.

Soziologen und Brauchtumsforscher machen außerdem einen wachsenden Verlust an Traditionen und Brauchtumspflege aus. Weihnachten ist nach Ansicht vieler Deutscher ein Fest des Schenkens. Dass mit den Feiern um den 24. Dezember der Geburt Jesu Christi gedacht wird, ist für viele nicht mehr selbstverständlich.

Deutsche Weihnacht in der Türkei

Einige allerdings fahren zwar weg, machen es sich am Urlaubsort aber dann doch weihnachtlich gemütlich. So bietet die Fluggesellschaft Air Berlin an, kostenlos sein eigenes Bäumchen mitzunehmen. Nach Agadir, Phuket, Tanger oder Tokio. Denn auch Weihnachten ist inzwischen ein Fest, das international gefeiert wird. Deutsche Weihnacht mit Glühwein, Wurst und Glitzersternchen ist beispielweise in Großbritannien oder der Türkei ein Verkaufsschlager.

So erwartet einen die Deutsche Weihnacht möglicherweise im Ausland bereits, wo man doch vor ihr fliehen wollte. So schaut man den Weihnachtsflüchtlingen mit einem milden Lächeln nach, bevor sie in den Flieger steigen. Besinnung kann man schließlich überall finden. Egal ob mit oder ohne Baum, mit oder ohne Geschenke. Man muss nur wollen – und kann sich das Ticket dann das nächste Mal ja vielleicht sparen.

Autor: Peter Kolakowski

Redaktion: Sabine Oelze