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Überraschungscoup Al-Sisis zum Fest

7. Januar 2015

Das hat Ägypten noch nicht erlebt: Ein muslimischer Präsident "stört" eine Weihnachtsmesse und wirbt mit Verve für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen - so geschehen in der Nacht in Kairo.

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Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi während des Gottesdienstes in der Markus-Kathedrale in Kairo (Foto: Ahmed Gamel/AFP/Getty Images)
Der ägyptische Präsident al-Sisi während des Gottesdienstes in der Markus-Kathedrale, links Papst Tawadros II.Bild: Ahmed Gamel/AFP/Getty Images

Mit einem Gottesdienst in der Kairoer Markus-Kathedrale haben die Kopten Ägyptens in der Nacht ihr Weihnachtsfest eingeläutet. Die Messe wurde vom Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Tawadros II., geleitet. In den ersten Minuten lief auch noch alles nach Plan. Doch plötzlich kam vom Haupteingang der Kathedrale her Unruhe auf: Immer mehr Gottesdienstbesucher erkannten, dass sich völlig überraschend Ägyptens - muslimischer - Präsident Abdel Fattah al-Sisi eingefunden hatte. Tawadros begrüßte den Staatschef und bat ihn sofort ans Mikrofon.

In einer kurzen Rede appellierte al-Sisi dann an die "Einheit" aller Ägypter, die sich nicht in Moslems und Christen aufspalten lassen sollten. Vor tausenden Jahren habe Ägypten der Welt die Zivilisation gebracht, heute nun müsse das Land am Nil der Welt erneut beweisen, dass die Ägypter zivilisierte Menschen seien. Und diese Menschen würden "mit einer Hand" das Land wiederaufbauen, in dem jeder seinen Platz habe und sich die Menschen liebten.

Von Kuba direkt in die Kathedrale

Nach ein paar Minuten war der Auftritt al-Sisis in der Markus-Kathedrale vorüber. Die Reaktion der rund 2000 anwesenden Gläubigen reichte von anfänglicher Zurückhaltung über herzhaftes Lachen bis zu Jubel am Ende von al-Sisis Ausführungen. Der Staatspräsident war ägyptischen Medienberichten zufolge gerade erst von einem Staatsbesuch in Kuba zurückgekehrt. Auf dem Weg vom Kairoer Flughafen zu seinem Amtssitz machte er dann Station in der Kathedrale.

Frühere Staatspräsidenten wie Gamal Abdel Nasser (1954-1970) und Interims-Präsident Adli Mansur (2013-2014) hatten wohl die Markus-Kathedrale besucht, aber nie an der Weihnachtsliturgie teilgenommen. Die koptische Kirche feiert Weihnachten nach einem eigenen Kalender am 7. Januar - seit 2002 offizieller Feiertag in ganz Ägypten.

Rund zehn Prozent der Ägypter Kopten

Die Weihnachtsgottesdienste in Ägypten standen unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. In den vergangenen Jahren war es wiederholt zu Anschlägen gekommen. Am Dienstag erschossen Maskierte in der Stadt al-Minya zwei Polizisten, die zum Schutz einer koptischen Kirche abgestellt waren. 2011 wurden bei einem Anschlag vor einer koptischen Kirche in Alexandria in der Neujahrsnacht zwei Dutzend Personen getötet, knapp 100 weitere verletzt.

Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Sie führen ihre Anfänge auf den Evangelisten Markus zurück. Realistische Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen sieben und zehn Millionen unter den insgesamt rund 80 Millionen Einwohnern Ägyptens. Etwa eine weitere halbe Million Kopten lebt in anderen Ländern, davon schätzungsweise 6000 in Deutschland.

sti/fab (dpa, kna)