1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weiter "Non" gegen Rentenreform

13. Oktober 2010

Die Streiks gehen auch am dritten Tag weiter und Frankreich droht Chaos und Benzinknappheit. Vor allem Reisende und Pendler sind betroffen. Regierung und Gewerkschaften bleiben aber unbeugsam.

https://p.dw.com/p/PdKQ
Bei den Demonstrationen gegen die Rentenreform am Dienstag nahmen bis zu 3,5 Millionen Menschen Teil (Foto: AP)
Massenproteste gegen RentenreformBild: AP

Nach den neuerlichen Massenprotesten gegen die geplante Rentenreform des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy haben die Beschäftigten im Nah- und Fernverkehr auch am Donnerstag (14.10.2010) ihre Streiks fortgesetzt. Zwar hat sich der Verkehr der Pariser Metro wieder normalisiert, der Fernverkehr war weiter beeinträchtigt: Nur vier von zehn Hochgeschwindigkeitszügen TGV sollten fahren. Am Mittwoch waren es drei von zehn TGVs.

Frankreich vor Benzinknappheit

Arbeiter eines Stahlwerkes in der nähe von Fos-sur-Mer nehmen bei der Demonstration in Marseille teil (Foto: AP)
Arbeiter eines Stahlwerkes in der Nähe von Fos-sur-Mer unterstützen die DemonstrationenBild: AP

Angesichts der Streiks in den Ölraffinerien hat die französische Regierung nun vor Hamsterkäufen gewarnt. Es gebe genug Benzin für einen Monat, sagte Verkehrsminister Dominique Busserau im Fernsehen. Das gelte aber nur, wenn es nicht zu Hamsterkäufen komme. "Ich sage allen Autofahrern: 'Füllt Eure Tanks nicht vorsorglich und legt keine Vorräte an, denn Ihr braucht sie nicht.'" Zehn der zwölf Raffinerien Frankreichs werden bestreikt. Die Internationale Energieagentur (IEA) erklärte: "Einige Schätzungen gehen davon aus, dass der Streik die nächsten zwei Wochen weitergehen und zu Produktengpässen führen könnte."

Um den Druck auf die Regierung zu verstärken, haben die Gewerkschaften beschlossen, ab Dienstag täglich zu entscheiden, ob der Streik weitergeht. Bei den Eisenbahnern etwa zeigt sich eine große Bereitschaft, die Streiks unbefristet fortzusetzen. Im Gegensatz zu früheren Protestaktionen sind die Streiks diesmal zeitlich nicht befristet.

Unbeugsamkeit und Verantwortungslosigkeit

Demostranten einen Transparent mit dem Verlangen den Rücktritt der Regierung, bei einem Protest in Marseille (Foto: AP)
Demostranten fordern den Rücktritt der RegierungBild: AP

Die Regionalzeitung "L’Est Républicain" aus dem ostfranzösischen Nancy fragt sich, wie Präsident Nicolas Sarkozy nun auf die Massenproteste gegen die Rentenreform reagieren wird. Er habe nur noch die Wahl zwischen Unbeugsamkeit und dem politischen Tod, schätzt die Zeitung. Auch für die Gewerkschaften sei die Situation nicht einfach. Die Protestierenden führten den Tanz an und ließen nicht erkennen, was letztlich ihre Ziele seien. Und sie erhielten weniger Unterstützung, wenn es zu einem Chaos bei den öffentlichen Verkehrsmitteln komme.

"Wie konnte das Land so tief fallen?" Diese Frage stellt der aus dem südfranzösischen Montpellier stammende "Midi Libre". "Dieses paradoxe Frankreich, das noch vor sechs Monaten eine Rentenreform wünschte, klammert sich nun an Banderolen und ist dabei, vor seinen Schulen Barrikaden zu errichten." Das sei das Bild einer kranken Republik, wo alle einen Teil der Verantwortung trügen Allerdings scheine auf beiden Seiten Verantwortungslosigkeit zu regieren: Bei Sarkozy, der den großen Fragen ausweiche, und bei der Sozialistischen Partei, die sich als Brandstifter betätige, indem sie vor Zusammenstößen warne.

Proteste nehmen rasant zu

Nach Polizeiangaben waren in ganz Frankreich bereits am Dienstag 1,2 Millionen Menschen auf die Straße gegangen - so viele wie bei keiner der vier vorangegangenen Protestaktionen der vergangenen fünf Wochen. Die Gewerkschaften sprachen sogar von 3,5 Millionen Teilnehmern. Zu den Kundgebungen kamen auch Schüler und Studenten.

Die Regierung ist ungeachtet der fortgesetzten Massenproteste nicht zu weiteren Änderungen an ihrer Reform bereit, die unter anderem die besonders umstrittene Erhöhung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre vorsieht. Zudem soll die volle Rente erst mit 67 Jahren gezahlt werden. Die Nationalversammlung hat die Reform bereits verabschiedet, der Senat berät noch über Teile des Gesetzes.

Autor: Ognjen Cvijanović/ Nicole Scherschun (afp, dapd, dpa, rtr)

Redaktion: Sabine Faber