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Raketen in Abchasien

16. September 2010

Wladimir Jewsejew, Militärexperte des Zentrums für internationale Sicherheit in Moskau, rät der russischen Führung von einem Ausbau der militärischen Präsenz in der von Georgien abtrünnigen Republik Abchasien ab.

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Parlamentsgebäude in der abchasischen Hauptstadt Suchumi (Foto: RIA Novosti)
Parlament der selbsternannten Republik Abchasien in SuchumiBild: RIA Novosti

Deutsche Welle: Vor einiger Zeit ist bekannt geworden, dass Moskau Mitte August in Abchasien, das von Russland als unabhängiger Staat anerkannt wird, S-300-Flugabwehrraketen stationiert hat. Wie bewerten Sie dies?

Portrait von Wladimir Jewsejew (Foto: DW)
Wladimir Jewsejew: Abchasien betont seine Unabhängigkeit auch gegenüber MoskauBild: DW

Wladimir Jewsejew: Das Problem ist nicht neu. Diese Flugabwehrraketen hatte Russland eigentlich schon vor zwei Jahren stationiert, direkt nach dem Krieg mit Georgien. Aber aus irgendeinem Grund entschied sich die abchasische Führung nun, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Die Meldung kam ja ursprünglich aus Abchasien, nicht aus Russland. Ich denke, dieser Schritt wurde mit Moskau nicht abgesprochen. Das zeigt aus meiner Sicht, dass die Regierung Abchasiens ihre Unabhängigkeit von Russland unterstreichen möchte. Russland wurde mit dieser Meldung einfach konfrontiert und hatte keine andere Wahl als sie zu bestätigen.

Was bezweckt die Regierung Abchasiens damit?

Abchasien will international als unabhängiger Staat anerkannt werden. Im Unterschied zu Südossetien kann sich Abchasien leisten, unabhängig zu sein. Es hat dafür gute Voraussetzungen: Zugang zum Meer, Bodenschätze und gute Beziehungen zur Türkei, die bereit ist, die Entwicklung Abchasiens zu unterstützen, und vieles mehr.

Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, erklärte, die Stationierung der Raketen erhöhe das Risiko für Spannungen in der Region. Stimmt das?

Karte Georgiens mit der Teilrepublik Abchasien (Grafik: DW)
EU sieht Risiko für neue Spannungen in der RegionBild: DW

Die Europäer können mit so einer Entwicklung nicht zufrieden sein, das ist klar. Auch wenn es keine S-300-Raketen in Abchasien gäbe, würden sie trotzdem fragen, was ein russischer Militärstützpunkt dort zu suchen hat. Übrigens stellen die S-300-Raketen keine Gefahr für Georgien oder andere Länder dar. Es sind keine Angriffswaffen, sondern Flugabwehrraketen.

Was hätte ein weiteres Aufrüsten Russlands in Abchasien zur Folge?

Weiteres Aufrüsten würde weitere Spannungen bedeuten, davon ist abzuraten. Das Waffenarsenal, das Russland dort bereits hat, reicht, um einem neuen bewaffneten Konflikt vorzubeugen. Wenn Moskau neue Waffen in die Republik bringen würde, würde es Gegenmaßnahmen der georgischen Regierung provozieren. Allein die S-300-Anlage reicht, um das ganze Territorium Abchasiens vor möglichen Luftangriffen zu schützen, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass es zu einem Angriff kommt.

Bestehen Chancen für eine Normalisierung der georgisch-russischen Beziehungen?

Die Beziehungen sind in einer Sackgasse. Moskau macht keine Kompromisse und will nicht mit Tiflis verhandeln, so lange Saakaschwili an der Macht ist. Aber Saakaschwili wird wohl noch einige Jahre Präsident Georgiens bleiben. Somit nimmt sich die russische Führung selbst die Möglichkeit, einen Dialog mit Georgien zu beginnen. Wenn Russland aber Provokationen meidet, kann man es mit einer Politik der kleinen Schritte probieren. Beispielsweise wurden vor kurzem Schritte unternommen, um den Flugverkehr zwischen Russland und Georgien wiederherzustellen. Dies könnte zur Entspannung beitragen, ohne dass Moskau mit der georgischen Führung direkt in Kontakt treten müsste.

Interview: Sergej Morosow / Tatiana Petrenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk / Nicole Scherschun