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Politik

Wie macht man Opposition gegen Erdogan?

Hilal Köylü
11. April 2018

Die türkische Opposition würde gern 2019 die Wiederwahl Erdogans als dann noch mächtigeren Präsidenten verhindern. Doch während er Wahlbündnisse schmiedet, fehlt es seinen Gegnern an gemeinsamen Strategien.

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Recep Tayyip Erdogan
Recep Tayyip ErdoganBild: Getty Images/AFP/A. Altan

Gleich drei Wahlen werden 2019 in der Türkei stattfinden: Neben den Kommunal- und Parlamentswahlen wird der Staatspräsident gewählt. Nach dieser Wahl wird die neue Verfassung und damit auch das Präsidialsystem in Kraft treten. Deshalb geht es bei dieser Wahl für viele um das Schicksal des Landes. Die Regierungspartei AKP hat sich bereits einen starken Partner gesucht. Mit der ultranationalistischen Partei MHP will sie ein Wahlbündnis bilden. Bei der letzten Wahl 2015 kamen die Stimmen beider Parteien zusammen auf über 55 Prozent. Ihr gemeinsamer Kandidat für den Präsidentenposten heißt Recep Tayyip Erdogan.

Auch die Bemühungen der Oppositionsparteien, sich gegen die sogenannte "Volksallianz" zu formieren, laufen auf Hochtouren. Die größte Oppositionspartei, die republikanische CHP, die pro-kurdische HDP, die neu-gegründete konservative "Gute Partei" ("Iyi Parti") und die kleine konservativ-islamistische Partei der Glückseligkeit ("Saadet Partisi") suchen die beste Strategie gegen das starke Bündnis von AKP und MHP.

Gemeinsamer Kandidat?

In den vergangenen Jahren war die Opposition gegen Staatspräsident Erdogan stetig gewachsen und hatte mit dem Verfassungsreferendum 2016 ihren Höhepunkt erreicht. 49 Prozent der Wähler hatten gegen das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem gestimmt.

So verschieden wie die Oppositionsparteien auch sind, sie sind auf eine Zusammenarbeit angewiesen, meint Özer Sencar, Leiter des Meinungsforschungsinstituts MetroPoll. "Das Volk muss auch wissen, was die Opposition vorhat. Es ist von kritischer Bedeutung, dass sich die Opposition hinter einem Kandidaten zusammenschließt", so Sencar.

Bislang konnte sich die Opposition nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen. Einigkeit herrscht jedoch in einem Punkt: Damit sie überhaupt eine Chance haben, müssen sie den "Nein"-Block - die Wähler, die sich beim Referendum 2017 gegen den Machtausbau des Staatspräsidenten aussprachen - konsolidieren.

CHPs Ziel: Lebendige Opposition

Der Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der CHP erklärt, Ziel seiner Partei sei es, 60 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinigen. Die größte Oppositionspartei der Türkei, die sozial-demokratische CHP hatte bei der letzten Wahl 2015 ca. 25 Prozent der Stimmen bekommen.

Türkisches Parlament
2019 wird Erdogan für die Wahl zum Staatspräsidenten kandidierenBild: Reuters/M. Cetinmuhurdar/Presidential Palace

Ob sie vor den Wahlen 2019 auch mit einer anderen Partei ein Bündnis gründen will, wie zum Beispiel mit der prokurdischen HDP, oder ob sie lieber eigenen Präsidentschaftskandidaten stellen möchte, ist derzeit unklar. Im Vordergrund steht für die Partei "die Opposition am Leben zu halten". Deshalb erklärt sich die Partei offen für den Dialog mit anderen Parteien und gesellschaftlichen Akteuren wie zum Beispiel NGOs.

HDP weiterhin für Dialog

Die HDP, die vor allem kurdische Wähler anspricht, sich selbst aber als linke Partei versteht, hat in ihren Versammlungen ihre Wahlstrategie festgelegt. Ihr Prinzip ist eine "umfassende kurdische Einheit" zu bilden. Dabei möchte sie Seite an Seite mit linken und sozialistischen Organisationen stehen und die demokratischen Kräfte der Gesellschaft so gut wie möglich integrieren.

Während in der Öffentlichkeit der Ausdruck "Allianzen der Parteien" verbreitet ist, steht die HDP dem eher distanziert gegenüber und beschreibt die Zusammenarbeit vielmehr als "Dialog". Noch hat sie nicht erklärt, wie die Zusammenarbeit der Opposition aussehen soll oder welchen Kandidaten sie für die Wahl zum Staatspräsidenten stellen wird.

Rechte Seite der Opposition

An der Spitze der neu gegründeten "Guten Partei" steht die erfahrene Politikerin Meral Aksener. Sie und eine Reihe weiterer Politiker spalteten sich von der nationalistischen MHP ab und definieren sich als Mitte-rechts-Partei. Aksener erklärte vor kurzem, sie wolle "ein Bündnis mit dem ganzen Volk schließen". Jedoch ist momentan unklar, wie viele Wähler diese neue Partei für sich gewinnen kann.

Auch die islamistische "Partei der Glückseligkeit" steht in Opposition zum AKP-MHP Bündnis. "Ich bin doch nicht verrückt und gebe dem Wahlbündnis von AKP-MHP meine Stimme", erklärte ihr Chef Temel Karamollaoglu. Diese Haltung, so wird hinter den Kulissen in Ankara vermutet, könnte eine Rolle spielen, wenn es darum geht, dass sich der "Nein"- Block wieder zusammenschließt.

"Die Opposition ist nicht klar"

Ob die Opposition eine Chance gegen das Bündnis aus AKP und MHP hat, hängt von der Einschätzung der Bevölkerung ab, so Özer Sencar von MetroPoll. Die letzten Umfragen seines Unternehmens ergaben, dass derzeit noch die Meinung vorherrsche, dass das AKP-MHP Bündnis die Wahl sowieso gewinnen würde. "Die Opposition muss diese Wahrnehmung zerstören", so Özer Sencar.

Etwas optimistischer ist der Journalist Sedat Bozkurt, der ein aufmerksamer Beobachter der politischen Arena in Ankara ist. Er ist der Meinung, dass sich die Oppositionsparteien bei den letzten Konsultationen einander genähert haben. Nach Bozkurt seien die CHP und die HDP einander näher gekommen und sie seien bereit für den Dialog, so Bozkurt.

Nach den Umfragen von MetroPoll kommt Erdogan momentan nicht über 50 Prozent. Größte Chancen gegen ihn hätte - nach Meinung der Befragten - wohl ein Zusammenschluss der rechten Parteien Iyi Parti und Saadet Partisi. Würden sich die zwei Parteien verbünden, würden sie allerdings auf gerade mal 14 Prozent kommen.