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Von Hildesheim nach Eisenach

Frederike Müller20. Juli 2012

Unsere dritte Route zum Welterbe prägen Schätze des Glaubens, die über Jahrhunderte verwahrt wurden, und Schätze der Erde, die über Jahrhunderte abgebaut wurden. 280 Kilometer, fünf Städte, neun Mal Welterbe!

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Außenaufnahme der zwischen 1010 und 1020 erbauten Michaeliskirche in Hildesheim. Der romanische Kirchenbau wurde 1985 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Aufnahme vom 14.9.2003. ### Germany: St. Michael's Church in Hildesheim ## Exterior view of the St. Michael's Church at Hildesheim. The Romanic church built between 1010 and 1020 was declared Unesco World' Heritage in 1985. Picture taken September 14, 2003.
Deutschland: St. Michaelis in HildesheimBild: dpa

Wir starten in Hildesheim im südlichen Niedersachsen. In der charmanten Universitätsstadt wurden 1985 gleich zwei Meisterwerke der romanischen Baukunst zum Welterbe erklärt: der Dom und die Basilika St. Michael sowie die zu ihnen gehörenden Kunstschätze. Die Basilika, ein verschachtelter Bau mit Rund- und Ecktürmen, wird von den Hildesheimern schlicht „Himmelsburg“ genannt. Sie thront seit dem Jahr 1022 über der historischen Altstadt. Einmalig in ihrem Inneren ist ein monumentales Holzdeckengemälde, das über knapp 30 Meter Länge den Stammbaum Christi zeigt. Im bereits 1061 errichteten Hildesheimer Dom werden berühmte Kunstschätze aus Bronze verwahrt. Aber auch an seinen Außenmauern wartet der Dom mit einer Besonderheit auf: Ein 1.000-jähriger Rosenstock wächst dort. Er gilt als Wahrzeichen der Stadt Hildesheim, und zahlreiche Legenden ranken sich um ihn. Fragen Sie mal einen Hildesheimer danach!

Denkmäler der Industriegeschichte

Nicht der Glaube an Gott, sondern an eine bessere Welt war der Motor unseres nächsten Ziels: dem Fagus-Werk in Alfeld. Mit dem Werksgebäude für die Schuhleistenfabrik Fagus entwirft der Architekt Walter Gropius 1911 die erste moderne Industriearchitektur der Welt. Schwerelos und elegant erscheinen die vollständig verglasten, lichtdurchfluteten Werkstätten. Gropius wollte gesunde Arbeitsbedingungen unter sozialen Gesichtspunkten schaffen. Das nutzte auch seinem Auftraggeber, dem Industriellen Carl Benscheidt: Die Zahl der Arbeitsunfälle in seiner Fabrik sank. Zwei Männer, ein Werk, das 2011 den Welterbe-Titel erhielt.

Welche Schätze die vorindustrielle Zeit hervorbrachte, kann man eine Stunde weiter östlich in Goslar erfahren. Das Pferd des Ritters Ramm soll hier in der Wildnis mit den Hufen scharrend auf seinen Herrn gewartet und dabei eine Erzader freigelegt haben. Und tatsächlich lebte die alte Kaiserstadt Goslar über 1.000 Jahre vor allem vom Bergbau. Im Weltkulturerbe Erzbergwerk Rammelsberg sind noch immer die Halden des 10. Jahrhunderts zu sehen. Wie diese Schätze der Erde zu städtischem Wohlstand führten, davon künden Goslars prächtige Altstadtbauten, etwa das gotische Rathaus oder das Gildehaus Kaiserworth. Im Jahr 2010 erweiterte man den Welterbe-Titel Goslars sogar noch um die Oberharzer Wasserwirtschaft. Denn ohne Energie – also Wasserkraft – kein Bergbau. Das ausgeklügelte Wasserleitsystem aus dem 13. Jahrhundert umfasst heute rekordverdächtige 107 Teiche, 310 Kilometer Wassergräben und 31 Kilometer Wasserläufe. Das macht die Oberharzer Wasserwirtschaft zu einem der größten vorindustriellen Energieversorgungssysteme weltweit!

Idyllische Fachwerkbauten und stolze Burgen

Wie Goslar ist auch das nur 60 Kilometer weiter östlich gelegene Quedlinburg eine bedeutende Gründung der Herrscher vom Adelsgeschlecht der Ottonen. Auf dem steil aufragenden Schlossberg stiftete König Heinrich I. die Kirche St. Servatius. Der heutige Bau wurde 1129 geweiht. Er ist ein architektonisches Meisterwerk im romanischen Baustil und seit 1994 Weltkulturerbe. Genauso wie die nahezu autofreie Quedlinburger Altstadt: Rund 1.300 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten machen sie zu Deutschlands größtem Flächendenkmal. Der mittelalterlichen Szenerie hauchen Cafés und kleine Läden jene bestechende Beschaulichkeit ein, die jährlich über 350.000 Touristen anzieht.

Unsere letzte Station ist das drei Stunden weiter südwestlich gelegene Eisenach. Hier steht die Wartburg, die seit 1999 zum Welterbe gehört. Mit dieser geschichtsträchtigen Burg ist vor allem der Name des Reformators Martin Luther verbunden. Nachdem dieser vom Papst exkommuniziert und vom Kaiser geächtet worden war, fand er als Junker Jörg 1521 Unterschlupf auf der Wartburg. Hier schuf Luther innerhalb von nur elf Wochen einen Schatz des Glaubens: Er übersetzte das Neue Testament aus der griechischen Urfassung ins Deutsche. Die Lutherstube auf der Wartburg wurde schon bald nach Luthers Tod 1546 Pilgerstätte und Tourismusziel – und ist es bis heute geblieben.

Die Lutherstube in der Wartburg. Martin Luther übersetzte hier 1521-1522 als "Junker Jörg" das Neue Testament ins Deutsche.
Berühmte Kammer: die Lutherstube in der Wartburg EisenachBild: picture-alliance/dpa
Die Übertageanlagen des Rammelsberges wurden von den berühmten Architekten für Industriekultur Fritz Schupp und Martin Kremmer konzipiert und 1938 fertig gestellt. In Front ist die riesige Erzaufbereitungsanlage zu sehen.
Sieben Etagen am Berghang: die Übertageanlagen des ehemaligen Bergwerks RammelsbergBild: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg/Richard Bothe