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Weltweit zweiter HIV-Patient gilt als "geheilt"

11. März 2020

Eine HIV-Infektion müsste längst kein Todesurteil mehr sein, wenn die Medizin bereitsteht. Doch heilbar ist die AIDS-Erkrankung selbst auf lange Sicht nicht. Zwei spektakuläre Ausnahmen bestätigten nur diese Regel.

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Humanprobe für das HIV-Testmodell
Bild: Imago Images/Westend61/A. Brookes

Dennoch ist es ein beachtenswerter Fortschritt im Kampf gegen AIDS: Mit einer speziellen Therapie konnte ein Londoner Patient wohl vom AIDS-Erreger befreit werden. Es wäre erst der zweite Mensch überhaupt, der von einer HIV-Infektion wahrscheinlich geheilt wurde. Die bisher einzige dokumentierte "Heilung" eines HIV-Patienten war der Fall des US-Bürgers Timothy Ray Brown. Er wurde als "Berliner Patient" bekannt und für gesund erklärt, nachdem er ab 2007 an der Berliner Charité behandelt worden war.

Beim Londoner Patienten ist etwa zweieinhalb Jahre nach Beendigung der Anti-HIV-Therapie kein funktionsfähiges HI-Virus mehr nachweisbar gewesen, berichtet eine Gruppe um den Mediziner Ravindra Gupta von der Universität im britischen Cambridge. Der Patient, der neben HIV eine Blutkrebserkrankung hatte, hatte zuvor eine spezielle Stammzellspende erhalten. Die Forscher betonen in der Fachzeitschrift "The Lancet HIV", dass die Stammzelltherapie eine Hochrisikobehandlung sei, die für die meisten HIV-Patienten nicht infrage komme. Eine Heilung von AIDS, der vom HI-Virus ausgelösten Immunschwächekrankheit, ist bis heute grundsätzlich nicht möglich.

Die Immunität des Spenders

Mit Hilfe von antiretroviralen Medikamenten, die lebenslang eingenommen werden müssen, kann der Erreger allerdings in Schach gehalten und der Ausbruch von AIDS langfristig verhindert werden. Nach Schätzungen leben derzeit rund 38 Millionen Menschen weltweit mit HIV, doch nur 62 Prozent von ihnen erhalten eine antiretrovirale Therapie. Im Jahr 2018 starben rund 800.000 HIV-Patienten an Erkrankungen, die mit dem Virus in Zusammenhang stehen.

HIV-Virus-Partikel im Blut
Ein HI-Virus im Blut (Illustration)Bild: Imago Images/Science Photo Library

Beim Londoner Patienten wie auch beim Berliner Patienten wurde das Immunsystem durch eine Stammzelltherapie neu aufgebaut. Der Stammzellspender hatte dabei jeweils eine seltene Mutation, die ihn immun gegen das HI-Virus macht. Sie führt dazu, dass die Zellen keinen CCR5-Rezeptor bilden, den die meisten HI-Viren benötigen, um an eine Zelle anzudocken, in der sie sich vermehren könnten.

Ab wann kann ein HIV-Patient als geheilt gelten?

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg der Stammzelltransplantation als Heilung für HIV, über den erstmals vor neun Jahren beim Berliner Patienten berichtet wurde, wiederholt werden kann", sagt Gupta. Auch der Berliner Patient hatte eine Form von Blutkrebs. Das Team um Gupta untersuchte zahlreiche Flüssigkeits- und Gewebeproben des Londoner Patienten. Die Wissenschaftler fanden in einigen Proben zwar noch Teile des Erbguts von HI-Viren. Sie gehen jedoch davon aus, dass es sich dabei um "fossile" DNA-Stränge handelt, die nicht zu einem vermehrungsfähigen Virus gehören.

Cambridge
Altehrwürdige Gebäude, modernste Forschung: Cambridge UniversityBild: Fotolia/Konstiantyn

Viele andere Daten, etwa die stark zurückgegangene Anzahl HIV-spezifischer Antikörper, wiesen darauf hin, dass das Virus aus dem Körper des Patienten verschwunden sei, schreiben die Forscher. In einem Kommentar, ebenfalls in "The Lancet HIV", stellen Sharon Lewin und Jennifer Zerbato von der University of Melbourne (Australien) jedoch die Frage, ab wann ein HIV-Patient als geheilt angesehen werden kann.

Die Medizin wisse heute, dass die meisten Viren, die eine Anti-HIV-Therapie überstehen, defekt seien und sich nicht vermehren könnten. "Eine Heilung von HIV könnte besser als 'kein intaktes Virus' definiert werden denn als 'kein nachweisbares Virus'", schreiben die Medizinerinnen. Die Studie des Teams um Gupta sei ermutigend, aber am Ende müsse die Zeit zeigen, ob tatsächlich von einer Heilung gesprochen werden könne.

rb/ie (afp, dpa)