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Weltweite Proteste

8. September 2010

Der Plan einer Mini-Sekte in Florida, am Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September Exemplare des Koran verbrennen zu wollen, hat weltweite Proteste ausgelöst. Sektenführer Jones lenkt aber nicht ein - im Gegenteil.

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Ein Anhänger mit Reklame für die Bücherverbrennung des radikalen Predigers Terry Jones (Foto: AP)
Bild: AP

Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne des "Dove World Outreach Center" von Prediger Terry Jones hatte US-Außenministerin Hillary Clinton am Dienstag mit scharfer Empörung reagiert. Führende Vertreter aller Glaubensrichtungen in den USA hätten diesen schändlichen Akt klar und unmissverständlich verurteilt, sagte Clinton. Sie wünsche sich, die Medien würden kein so großes Interesse an Pastor Jones zeigen, der einer Gemeinde von gerade mal 50 Mitlgiedern vorstehe.

Nachdenklich: US-Außenministerin Hillary Clinton (Foto: AP)
US-Außenministerin ClintonBild: AP

Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Robert Gibbs, bezeichnete am Mittwoch (08.09.2010) die Pläne der Sekte als unvereinbar mit den amerikanischen Werten. Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, verwies darauf, dass die in Gainesville geplante Aktion Anschläge gegen amerikanische Soldaten provozieren könnte. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der sich in Washington aufhielt, äußerte sich ebenfalls besorgt. Koran-Verbrennungen widersprächen "allen Werten, für die wir stehen und für die wir kämpfen".

Der Führer der radikalen Mini-Gemeinde zeigt sich unbeeindruckt: "Wir sind entschlossen, es zu tun", sagte er dem TV-Sender CBS. Ein mögliches Einlenken komme für ihn nur infrage, wenn Gott ihm ein entsprechendes Signal sende, sagte Jones, der nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 100 Morddrohungen erhalten hat.

Weltweite Empörung

UN-Sondergesandter Staffan di Mistura (Foto: AP)
Staffan di MisturaBild: AP

Politische und religiöse Führer sind empört. Für die Vereinten Nationen verurteilte deren Sondergesandter in Afghanistan, Staffan di Mistura, die geplante Verbrennung des Koran. "Im Namen der Vereinten Nationen und der gesamten in Afghanistan vertretenen Internationalen Gemeinschaft möchte ich unsere Sorge und tatsächlich unsere Empörung in schärfster Form zum Ausdruck bringen". Meinungsfreiheit dürfe nicht mit der Absicht verwechselt werden, die Religion und den Glauben von Millionen Menschen zu verletzen.

Sollte die "abscheuliche Tat" wirklich vollzogen werden, würde das den Argumenten all jener Vorschub leisten, die gegen Frieden und Versöhnung am Hindukusch seien, so der Chef der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) weiter. Eine derartige Aktion könne auch die Anstrengungen vieler Afghanen und Ausländer bedrohen, die versuchen, Afghanistan zu Frieden und Stabilität zu verhelfen. Di Mistura forderte die Sekte auf, ihre "Drohung" nicht wahr zu machen.

Demonstranten in Kabul verbrennen eine Puppe des Predigers Terry Jones - der will den Koran verbrennen (Foto: AP)
Demonstranten in Kabul verbrennen schon mal eine Puppe des Predigers Terry JonesBild: AP

Mit Protest reagierten auch die Arabische Liga, die EU und der Vatikan. In einer Erklärung des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog hieß es am Mittwoch, "die beklagenswerten Gewaltakte des 11. September rechtfertigten nicht eine abscheuliche und schwerwiegende Geste gegen ein Buch, das einer religiösen Gemeinschaft heilig ist“. Jede Religion habe das Recht auf Respektierung und Schutz ihrer heiligen Bücher, ihrer Stätten und Gottesdienste sowie ihrer Symbole, hebt der Vatikan-Rat hervor. Die Würde jedes Menschen, der Anhänger dieser Religion ist, sowie auch seine Freiheit in religiösen Fragen müssten respektiert werden. Zugleich sei jeder religiöse Führer sowie jeder einzelne aufgerufen, die scharfe Verurteilung aller Formen von Gewalt zu erneuern.

Proteste in Deutschland

Politiker und Vertreter der Religionen zeigen sich entsetzt über die angekündigte Koranverbrennung durch die Sekte in Florida. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte das Vorhaben schlicht respektlos, abstoßend und einfach falsch. Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, bezeichnete den Plan der christlich-fundamentalistischen Gruppe als "unerträgliche Provokation“. Die Aktion, so Schindehütte am Mittwoch in Hannover weiter, sei mit dem christlichen Zeugnis nicht vereinbar, löse keine Probleme und schaffe kein Vertrauen. Gerade zum Ende des Fastenmonats Ramadan, den Muslime in aller Welt in diesen Tagen begehen, diene eine solche Handlung nicht der Verständigung, sondern gebe radikalen Positionen und Reaktionen neuen Nährboden. Christen seien verpflichtet, unter klarem Bezug auf ihr eigenes Zeugnis mit Muslimen in guter Nachbarschaft zu leben und zum Frieden beizutragen.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland (Foto: dpa)
Charlotte KnoblochBild: picture-alliance/ dpa

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte sich empört über die Pläne, das Heilige Buch der Muslime zu verbrennen. Die Vorstellung verbrannter Koran-Schriften sei "schrecklich und abstoßend", so Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch in München. Sie erinnerte an die von den Nazis 1933 in 70 deutschen Städten organisierten Bücherverbrennungen. Der 11. September 2001 mit seinem Terroranschlag auf das World Trade Center sei ein Tag des Hasses gewesen und habe in der Folge weltweit eine Vielzahl von Hass-Reflexen heraufbeschworen.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass eine in bestimmten Kreisen praktizierte, oft subtile und fast immer stillschweigend akzeptierte Angst- und Hasspolitik unvermindert fortgesetzt wird." Knobloch mahnte, was mit geistiger Brandstiftung beginne, münde über den Weg tatsächlicher Brandstiftung schließlich in Mord.

Spuren nach Deutschland

Das Haus Haus der "Christlichen Gemeinde Köln", in der Prediger Jones bis 2008 wirkte (Foto: dpa)
"Christliche Gemeinde Köln"Bild: picture alliance/dpa


Wie bei den Terror-Attacken vom 11. September 2001 führen auch im Fall der rund 50 Fundamentalisten aus Florida Spuren nach Deutschland. Der radikale Prediger Terry Jones hatte in den Achtziger Jahren auch in Köln eine kleine Gemeinde gegründet. Mitglieder der heute noch bestehenden "Christlichen Gemeinde Köln“ bezeichnen Jones als Mann, der wie ein Sektenführer geherrscht und die Leute psychisch unter Druck gesetzt habe. Man sei froh, seit 2008 nichts mehr mit ihm zu tun zu haben.

Nach den Worten des zweiten Vorsitzenden Staphan Baar distanziert sich die Gemeinde ausdrücklich von dem Vorhaben von Terry Jones und möchte damit in keiner Weise in Verbindung gebracht werden.

Autor: Hartmut Lüning (dapd, dpa, epd, KNA)
Redaktion: Oliver Samson

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