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Kein Mann des Kreml

8. Februar 2010

Schnelle Antworten über den außenpolitischen Kurs von Viktor Janukowitsch könnten sich als falsch erweisen.

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Wahlsieger Viktor Janukowitsch (Foto: DW)
"Er hat sich geändert"Bild: DW

Im Westen ist seit Jahren das Bild eines russlandorientierten Viktor Janukowitsch und einer westorientierten Julia Timoschenko vermittelt worden. Die Ukraine-Expertin Amanda Paul vom European Policy Centre, einer Brüsseler Denkfabrik, hält das für ein Zerrbild. “In der Frage der Beziehungen zur EU unterscheiden sich die beiden kaum voneinander. Sie versuchen pragmatisch, die Beziehungen zur EU und zu Russland auszubalancieren.“

Außerdem habe sich Janukowitsch verändert. “Heute sind die Männer im Kreml nicht mehr so scharf auf ihn wie früher. Ich würde ihn heute nicht mehr als Mann des Kreml bezeichnen.“ Und das gelte auch und gerade in der Energiepolitik, für die sich die EU besonders interessiert. Die EU als Energie-Endabnehmer hat bisher jeden Streit zwischen Russland und der Ukraine zu spüren bekommen, im vergangenen Winter besonders drastisch. Mit Präsident Janukowitsch, so Amanda Paul, werde die Energiepolitik zwischen Russland und der Ukraine keineswegs einfacher.

Beruhigung in der Bündnisfrage

Der bisherige Präsident Viktor Juschtschenko 2005 beim damaligen US-Präsidenten Bush in Washington (Foto: AP)
NATO-Beitritt "zu offensiv betrieben"Bild: AP

Doch wie steht es mit der Frage des Militärbündnisses? Präsident Viktor Juschtschenko, der Sieger der Orangefarbenen Revolution, hatte sich nicht nur für eine EU-, sondern auch für eine NATO-Mitgliedschaft seines Landes stark gemacht. Die schien umso aussichtsreicher, als es in US-Präsident George Bush einen mächtigen Fürsprecher gab. Doch viele NATO-Länder lehnten eine ukrainische NATO-Mitgliedschaft ab, und seit Präsident Barack Obama im Amt ist, hört man kaum noch etwas davon.

Amanda Paul glaubt, Janukowitsch werde an seiner Ablehnung einer NATO-Mitgliedschaft nichts ändern. Da das die Mehrheit der Ukrainer auch so sehe, sei das kein Problem für ihn. “Es könnte sogar positiv sein: Juschtschenko hat die Mitgliedschaft zu offensiv betrieben, jetzt geht das gemächlicher, denn die Ukraine wird in jedem Fall weiter mit der NATO zusammenarbeiten, aber auf einer pragmatischeren Ebene.“

"Die ewige Frage"

Auch mit der EU arbeitet die Ukraine bereits jetzt in vielen Bereichen zusammen. Das Land ist Teil der sogenannten EU-Nachbarschaftspolitik. Dafür war bisher als Kommissarin Benita Ferrero-Waldner zuständig. Bereits 2006 versuchte sie aber, allzu hohe ukrainische Erwartungen zu zerstreuen. “Es gibt im Moment keine Beitrittsperspektive. Gleichzeitig kann ich ganz klar sagen, dass die Zukunft offen ist,“ pflichtet ihr Amanda Paul bei.

Doch wie offen ist die Zukunft mit einem Präsidenten Viktor Janukowitsch? Und will überhaupt eine Mehrheit in der Ukraine in die EU, oder war das schon immer ein Projekt nur einer kleinen Elite? Amanda Paul meint, die Mehrheit wolle nach wie vor die Integration in den Westen. Doch die Menschen seien auch enttäuscht von der EU, weil es nach wie vor keine Beitrittsperspektive gebe.

Durch eine klare Russland-zuerst-Politik mehrerer EU-Staaten werde die Ukraine hingehalten. “Aber wenn die Ukraine Reformen durchführt, ihre Hausaufgaben macht und wirklich politische und wirtschaftliche Stabilität schafft, wird irgendwann die EU vor der ewigen Frage stehen: Können wir der Ukraine jetzt diese Perspektive geben oder nicht?“ Sollte sich Präsident Janukowitsch am Ende als erfolgreicher Reformer erweisen, könnte die EU vielleicht früher vor dieser Frage stehen, als ihr selbst lieb ist.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Fabian Schmidt