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Politik

Wenig Hoffnung für Thailands Demokratie

21. März 2017

Die Militärregierung in Thailand zeigt keine Anstalten, die versprochene Rückkehr zur Demokratie einzuleiten. Das hängt auch mit dem Tod König Bhumibols und mit seinem Nachfolger zusammen.

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Soldat hält Wache vor Müllhaufen und Porträt von König Bhumibol) (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer frei und ohne Angst über die politische Situation in Thailand sprechen will, kann das nur außerhalb des Landes. Seit das Militär 2014 geputscht hat (Artikelbild) , sind Meinung- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Kritiker werden im besten Fall von der Junta vorgeladen, um politisch auf Linie gebracht zu werden. Im schlimmsten Fall verschwinden sie spurlos.

Pavin Chachavalpongpun lehrte im Jahr des Putsches am Institut für Südostasienwissenschaften an der Universität von Kyoto. Als die Junta den bekannten Kritiker des Militärs aufforderte, nach Bangkok zurückzukehren, um mit ihm über seine politische Einstellung zu sprechen, verweigerte er dies mit dem Hinweis darauf, dass das Semester bereits begonnen und er nur sehr wenig Zeit habe. Im Scherz und in Verkennung des Ernstes der Lage schrieb er auf seiner Facebook-Seite, die mit rund 120.000 Followern viel Einfluss in Thailand hat, er könne freilich einen Stellvertreter schicken: seinen Chihuahua. Über die Provokation konnte das Militär nicht lachen, sondern entzog Pavin den Reisepass. Seither lebt er als Flüchtling in Japan.

Doch nicht nur thailändische Intellektuelle haben das Land verlassen, sondern auch Akademiker und Wissenschaftler aus Europa und der ganzen Welt machen inzwischen einen Bogen um Bangkok. Wie zum Beispiel Wolfram Schaffar vom Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien. Seit dem Putsch von 2014 ist er nicht mehr nach Thailand gereist, wo er früher regelmäßig geforscht und gearbeitet hat. Schaffar und sein Kollege Oliver Pye vom Institut für Südostasienwissenschaften an der Universität Bonn hatten Pavin vor kurzem nach Deutschland eingeladen, um über die Lage in Thailand zu sprechen.

Der im japanischen Exil lebende Pavin Chachavalpongpun und Wolfram Schaffar von der Universität Wien beim Austausch in der Uni Bonn (Foto: DW/K. Kunasean)
Der im japanischen Exil lebende Pavin Chachavalpongpun und Wolfram Schaffar von der Universität Wien beim Austausch in der Uni BonnBild: DW/K. Kunasean

Ableben Bhumibols als Einschnitt

Thailand hat in den letzten 70 Jahren 17 Staatsstreiche erlebt. Vereinfacht gesagt stehen auf der einen Seite die traditionellen Eliten aus Königshaus, Militär und Bürokratie. Sie wollen die bisherige Staatsideologie, die mit den drei Begriffen Nation, Monarchie und Buddhismus beschrieben werden kann, unbedingt erhalten. Auf der anderen Seite fordern Teile der aufstrebenden Mittelschicht, unterstützt von Bauern insbesondere im Norden des Landes, mehr Teilhabe am politischen Prozess. Die Polarisierung der thailändischen Gesellschaft hat seit Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich zugenommen.

Der Putsch von 2014 ist ebenfalls Teil dieses jahrzehntelangen Grundkonflikts,  hat aber laut Pavin eine neue Qualität, weil es nicht nur darum gegangen sei, die traditionelle Elite zurück an die Macht zu bringen, sondern das Land auf eine neue Ära vorzubereiten.

Das hängt mit Thailands König Bhumibol zusammen, der im Oktober 2016 verstarb. Jahrzehntelang war er eine der drei Säulen, die das politische Establishment Thailands getragen haben. Doch als sich 2014 abzeichnete, dass der König bald sterben würde, handelte das Militär. "Es ging darum, die königliche Nachfolge zu regeln und zu kontrollieren." Und damit die Machtstellung des Militärs und der Konservativen zu sichern, die mit der Monarchie aufs Engste verbunden ist.

Die Militärregierung wirft sich vor dem neuen König Maha Vajiralongkorn auf den Boden (Foto: Getty Images/AFP/Thai TV Pool)
Die Militärregierung huldigt dem neuen König Maha Vajiralongkorn. Aber wie verlässlich ist der neue Monarch als Stütze der Macht? Bild: Getty Images/AFP/Thai TV Pool

Monarchie als gefährdete Stütze der Eliten

Die traditionellen Eliten hatten laut Pavin Angst vor der ungewissen Zukunft und vor allem vor dem Nachfolger Vajiralongkorn. Denn der neue König Thailands ist in jeder Hinsicht das Gegenteil seines hochverehrten Vaters. "Der vorherige König Bhumibol war zu erfolgreich", erklärt Pavin. Es war klar, dass Vajiralongkorn niemals an seinen Vater heranreichen würde.

Tatsächlich ist er das krasse Gegenteil seines Vaters, der als diszipliniert und pflichtbewusst galt. Sein Sohn ist durch seinen glamourösen Lebensstil, zu dem auffällige Tätowierungen ebenso gehören wie die inzwischen dritte Ehe, in den Augen vieler Thais diskreditiert. Auch dass der neue König sich lieber in der süddeutschen Stadt München aufhält als in Bangkok, sorgt für Unsicherheit. "Die Thais machen schon einen Witz: Die Hauptstadt von Thailand ist nicht länger Bangkok, sondern München", erzählt  Pavin. Ohne Zweifel sei das Image des Königs, das Bhumibol über Jahrzehnte aufgebaut hat, bereits zerstört. Die königsnahen Eliten fürchten, dass der neue König das traditionelle Glaubenssystem der Thais untergräbt und damit eine der tragenden Säulen ihrer Macht.

Regierungschef und Ex-General Prayuth stimmt beim Referendum vom August 2016 über die neue Verfassung ab (Foto: Getty Images/AFP/L. Suwandrumpha)
Regierungschef und Ex-General Prayuth stimmt beim Referendum vom August 2016 über die neue Verfassung abBild: Getty Images/AFP/L. Suwandrumpha

Auf dem Weg in den Autoritarismus

Um dem Machtverlust zu begegnen, hat die thailändische Militärregierung eine neue Verfassung entworfen, die im August 2016 per Referendum vom Volk angenommen wurde. Die neue Verfassung reduziert die Zahl der gewählten Senatoren im thailändischen Oberhaus und stärkt Institutionen wie das Verfassungsgericht, die Anti-Korruptionsbehörde oder die Wahlkommission. Das sind in Thailand machtvolle Institutionen, die sich direkt ins politische Geschäft einmischen, statt neutrale Akteure, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schützen. 2008 erzwang beispielsweise das Verfassungsgericht einen Regierungswechsel gegen die durch demokratische Wahlen legitimierte Regierungspartei. "Das ist schon verrückt. In anderen Ländern dienen diese Institutionen der Verteidigung der Demokratie. In Thailand sind sie sehr eng mit den Interessen der traditionellen Elite verbunden", erklärt der Dissident Pavin.

Wie es dazu kommen konnte, dass die Bevölkerung die neue Verfassung angenommen hat, war Pavin zuerst unbegreiflich. Heute und nach vielen Gesprächen glaubt er, dass die Menschen einfach wollten, dass es voran geht. Bei einer Ablehnung der Verfassung hätte das Militär einen neuen Anlauf unternommen und die versprochenen, aber bisher immer wieder verschobenen Wahlen wären in noch weitere Ferne gerückt. Pavin sagt dazu: "Das war kurzfristig gedacht. Denn die neue Verfassung wird die thailändische Politik für viele Jahre prägen." Sein Fazit: "In jeder Hinsicht bewegt sich Thailand in Richtung Autoritarismus."

Proteste am zweiten Jahrestag des Putsches in Bangkok
Proteste gegen den Putsch haben noch keine breite Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft angestoßenBild: picture alliance/AP Photo/M. Baker

Wo bleibt der Widerstand?

Oliver Pye vom Institut für Südostasienwissenschaften an der Universität Bonn erinnert an viele erfolgreiche Demokratiebewegungen in Südostasien. Etwa den Sturz von Diktator Marcos auf den Philippinen oder Suharto in Indonesien. Dass die Monarchie unter dem neuen König an Einfluss verliere, weise darauf hin, dass die bisherige Staatsideologie tiefe Risse habe: "Es hat den Anschein, dass sich vieles nicht im Sinne der Junta entwickelt." Pye fragte den thailändischen Gast, ob solche Auflösungserscheinungen verbunden mit wachsendem Widerstand der Zivilgesellschaft auch in Thailand zu erkennen seien.

Pavin Chachavalpongpun ist skeptisch. Er glaube zwar auch, dass die Tage des Dreiklangs von Nation, Monarchie und Buddhismus in Thailand gezählt sind, sehe aber noch keine Alternative, auch wenn für ihn klar sei, woher die Antwort kommen muss. "Der Schlüssel ist die Mittelklasse." Auf sie werde es letztlich ankommen, wenn es darum gehe, eine neue gesellschaftliche Ordnung zu etablieren. Doch zurzeit sei das noch nicht abzusehen.

 

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia