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Am Ende erbt der Staat

Klaus Deuse11. September 2012

Was passiert mit dem Vermögen des Verstorbenen, wenn er keine Erben hinterlässt? In diesen Fällen kann der Staat die Erbschaft nicht verweigern. Aber nicht immer ist die unverhoffte Erbschaft Gold wert.

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Symboldbild Erben (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia

An den demografischen Fakten ist nicht zu rütteln: Die Deutschen werden immer älter. Und viele dieser Älteren leben nach dem Tod des Ehepartners allein. Außerdem steigt die Zahl derer, die keine Kinder oder andere nahe Verwandte haben. Etwa 170.000 alleinstehende Menschen sterben bundesweit jedes Jahr. In diesen Fällen müssen sich die Städte und Gemeinden um die Bestattung und andere Formalitäten des Verstorbenen kümmern. Auch um einen möglichen Nachlass. Schließlich stirbt nicht jeder Alleinstehende in Deutschland völlig mittellos. Bleibt nach den Kosten für die Beerdigung noch Vermögen übrig, dann fällt das an den Staat.

Ein Briefumschlag mit der Aufschrift Testament (Foto: Fotolia)
Manchmal gibt es keinen Adressaten für das TestamentBild: Fotolia

Erbe von Amts wegen

Zuständig für die Erbregelung ist das Gericht am Wohnort des Verstorbenen. Stellt das Gericht nach umfangreichen Ermittlungen fest, dass es keinen per Testament festgelegten Erben oder nahestehenden Verwandten gibt, dann bekommt zum Beispiel im Bundesland Nordrhein-Westfalen Thomas Peperhove Post vom Gericht, dass er wieder einmal geerbt hat. Nicht persönlich, sondern von Amts wegen. Regierungsrat Peperhove ist nämlich zuständig für den Bereich "fiskalische Erbschaften" bei der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands. "In der Regel ist es so, dass wir die Sachen bekommen, für die keine Erben da sind", sagt Peperhove. "Aber vielfach gibt es auch Fälle, in denen die Erben das Erbe ausgeschlagen haben, weil sie wussten, dass sie sonst nur Schulden geerbt hätten."

Egal welches Erbe auf seinem Schreibtisch landet, Peperhove darf es nicht ablehnen. "Es gibt die gesetzliche Regelung, die den Staat verpflichtet, insofern keine Erben da sind, das Zwangserbe anzunehmen", erläutert der Regierungsrat.

Eine Altbauwohnung in Berlin (Foto: Fotolia)
Nicht immer ist die geerbte Immobilie ein SchmuckstückBild: Fotolia/Kalle Kolodziej

Nicht jedes Erbe lohnt sich

Meist handelt es sich um Grundstücke, mit denen der Staat selten etwas anfangen kann, vor allem wenn es sich um eingestürzte Lagerhallen, Brandruinen oder nicht mehr bewohnbare Immobilien handelt. Erbschaften, auf denen Peperhove und seine vier Mitarbeiter nicht sitzen bleiben wollen. Denn deren Verwaltung verursacht Kosten. Zu Lasten des Steuerzahlers. "Wir können solche Grundstücke nicht herrenlos in der Gegend rumstehen lassen. Da muss sich drum gekümmert werden, damit da keine Gefahren von ausgehen können", so Peperhove.

Zum Beispiel bei einem Wasserrohrbruch, bei Schnee und Glatteis im Winter oder durch die Errichtung von Schutzzäunen, um den Zutritt zu diesen Grundstücken zu verhindern. Selbst wenn das vererbte Grundstück in anderen Bundesländern wie Bayern liegt. Peperhove und sein Team haben viel zu tun, denn der Anteil dieser sogenannten Schrottimmobilien hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Das staatliche Erbe zu versilbern, ist auch sonst nicht problemlos. "Manchmal erben wir auch nur Eigentumsanteile. Und da sind dann zum Teil große Erbengemeinschaften, mit denen wir uns dann erst einmal auseinandersetzen müssen", weiß Peperhove. Dann werde bei den Eigentümern abgefragt, ob sie eventuell bereit wären, den Eigentumsanteil der Stadt zu übernehmen.

Internationale Erbschaftsprobleme

Neben etlichen Problem-Erbschaften gibt es aber auch ab und zu richtige Glücksfälle. "In diesem Jahr hatten wir einen Erbfall in Höhe von 1,2 Millionen Euro, bei dem sich tatsächlich kein Erbe hat finden lassen, obwohl wir zwei Jahre intensiv recherchiert haben", berichtet der Regierungsrat. Der Bereich "fiskalische Erbschaften" bei der Bezirksregierung Arnsberg kann über mangelnde Beschäftigung nicht klagen. 2001 gab es 96 Erbschaften von alleinstehenden Verstorbenen zu bearbeiten, 2011 waren es bereits 246 Fälle. Die aktuelle Tendenz, sagt Peperhove, ist deutlich steigend: "Bis Ende Juli dieses Jahres hatten wir 180 Fälle. Wenn es so weiter geht, könnten wir möglicherweise die 300er Marke in diesem Jahr zum ersten Mal knacken."

Finger einer alten Frau in einer Geldbörse, in der sich nur wenige Cent befinden (Foto: dpa)
Manchmal können die üppigen Erbschaften den Städten helfen, ihre Schulden zu drückenBild: picture-alliance/dpa

Und mit einer spürbaren Erleichterung stellt er fest, dass nicht mehr ganz so viel Schrott dabei ist. "Da haben wir schon ein paar schöne Sachen dabei: Ferienhäuser in Spanien oder Apartments in Frankreich" und ein Segelboot mit Liegeplatz in Portugal, zählt Peperhove auf. So mancher Bundesbürger verbringt seinen Lebensabend mittlerweile in südlicheren Gefilden. Für den staatlichen Erbverwalter Peperhove bedeutet das letztlich mehr Arbeit: "Da ist auch die Frage, welches Erbrecht letztlich anwendbar ist. Da stehen wir momentan in Kontakt mit der deutschen Botschaft in Lissabon und müssen mal sehen, wie das weitergeht.“

Die ganz tiefen Haushaltlöcher in den Etats der deutschen Bundesländer werden die immer zahlreicheren Erbschaften alleinstehender verstorbener Bürger nicht stopfen können. Aber allein bei der Bezirksregierung Arnsberg steht für 2011 ein ansehnliches Plus von 900.00 Euro unter dem Strich. Der deutsche Staat muss als Erbe zwar alles akzeptieren, was ihm hinterlassen wird, aber in einer Hinsicht hat er es besser als jeder deutscher Bürger, der erbt. Er muss, und bei dieser Bemerkung kann sich Thomas Peperhove ein Schmunzeln nicht verkneifen, nämlich keinerlei Steuern zahlen. "Das wäre ein bisschen unsinnig, wenn der Staat an sich selber noch eine Steuer entrichten müsste, da es letztlich ja in die gleiche Kasse geht."