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Wenn aus Routine ein Ernstfall wird

Kai Steinecke
17. März 2017

Es war ein Schock, als 50 Meter von Boris Behncke entfernt die austretende Lava am Vulkan Ätna explodierte. Eigentlich war der Vulkanologe nur auf einer Routineuntersuchung.

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Italien Vulkanausbruch Ätna
Bild: picture-alliance/AA/S. Allegra

DW: Wie konnte es überhaupt zu der heftigen Explosion kommen?

Dr. Boris Behncke: Die langsam austretende Lava floss über Schnee. Bei diesem Prozess ist offensichtlich ein Volumen von Schnee komplett von der Lava eingeschlossen worden. Dabei ist das Wasser dann schlagartig zu Dampf geworden und Dampf braucht sehr viel mehr Platz als Schnee oder Wasser. Deshalb ist es ein hochexplosiver Vorgang. Über uns ist dann die Lava niedergeprasselt.  

Wie haben Sie in dem Moment reagiert?

Es passierte alles in Sekunden. Nach zwei Sekunden hatte ich verstanden was da los war und habe festgestellt: "Huch! Das ist verdammt nah!". Dann habe ich zugesehen, dass ich dort wegkomme. Als nächstes sind uns die ganzen Steine um die Ohren geflogen und ich habe mir noch schnell meine Kapuze übergezogen, was wenigstens ein bisschen geholfen hat. 

Wie groß waren die Steinbrocken?

Einige, die ich gesehen habe, waren schon faustgroß. Ich habe nur eine Platzwunde davongetragen, weil der Großteil der Steine aber auch kleiner war. 

Vulkanausbruch überrascht Filmteam

Gab es so etwas vorher schon einmal?

Bei einer solchen Art von Ausbruch (langsame Lava, die den Ätna hinunterfließt) ist so etwas noch nicht passiert. Ein ähnliches Szenario hatten wir erst vor zwei Wochen, aber da ist nichts explodiert.  

Ist so eine Wasserdampfexplosion vorhersehbar?

Es wird immer mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet, aber ein aktiver Vulkan wie der Ätna ist zu allem fähig. Ausschließen kann man fast gar nichts. Genauso wenig, wie Sie vorhersagen können, dass Sie in der Badewanne ausrutschen. 

Vulkanologe am Institut für Geophysik und Vulkanologie - Dr. Boris Behncke
Boris Behncke beobachtet seit Jahren den Ätna und hat eine solche Explosion bisher nur selten erlebtBild: Dr. Boris Behncke

Womit grenzen Sie denn diese Wahrscheinlichkeiten ein?

Alles was irgendwie messbar ist: seismische Aktivitäten, schwillt der Vulkan an, weil sich Magma nach oben bewegt, Gasmessungen, Wärmemessungen, Satelliten-Daten. Einfach alles.

Aber der Vulkan hat immer das letzte Wort. Wir können nicht mehr sagen, als der Vulkan uns mitteilt. Wir bekommen Signale, die klar oder diffus sind und das ist alles, was wir haben. Wie der gescheiterte Nieser, den wir alle kennen und dann kommt doch kein Nieser. Das gleiche passiert Vulkanen andauernd.

Was ist das gefährlichste an solchen Ausbrüchen?

Bei heftigeren Ausbrüchen mit Lavaexplosionen ist noch niemand ums Leben gekommen. Die einzigen Todesfälle, die wir vom Ätna kennen, sind diese verdammten Dampfexplosionen. 

Sind diese langsamen Ausbrüche des Ätna ein Zeichen dafür, dass es demnächst richtig abgehen könnte?

Ein aktiver Vulkan ist niemals harmlos. Der Ätna ist jetzt seit sechs Jahren in dieser Phase von Ausbrüchen, wie jetzt auch bei diesem. Offensichtlich ist der Vulkan zufrieden mit dieser Art von Tätigkeit. Momentan zeichnet es sich nicht ab, dass sich das in nächster Zeit wesentlich ändern wird. 

Dr. Boris Behncke (55) ist Vulkanologe am Institut für Geophysik und Vulkanologie in Catania, Italien. Zuvor studierte er Geologie an der Ruhr-Universität Bochum und an der Universität von Catania mit dem Schwerpunkt Vulkanologie.

Das Interview führte Kai Steinecke.