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Glockenklang-Forschung

Marcus Schwandner31. Oktober 2007

In den letzten 60 Jahren sind mehr Kirchenglocken kaputtgegangen als in den 600 Jahren zuvor. Um das zu untersuchen, läuten Wissenschaftler aus Kempten Glocken zu Tode - vorher messen sie aber, was das Zeug hält.

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Kirchenglocke, Quelle: dw-tv
Es gibt einige Faktoren, die zum frühzeitigen Glockentod führenBild: DW-TV

Normalerweise wird im Schall-Labor in der Fachhochschule Kempten gemessen, wie laut Traktoren, Mähdrescher und LKW-Motoren sind. Nun aber stehen in diesem Raum sechs Glocken. Doch kein Mensch erfreut sich an ihrem Klang, stattdessen kleben Sensoren und Mikrofone an den Glocken. Und die messen rund um die Uhr, denn die Glocken schlagen 24 Stunden am Tag, auch am Wochenende. Und wenn eine der Glocken endlich springt, dann freuen sich die Wissenschaftler über die Daten.

Nach ungefähr 2000 Stunden Dauerläuten ist eine Glocke gerissen. Das entspricht etwa 50 bis 60 Jahren auf einem Kirchturm. Denn eine Kirchenglocke wird pro Tag nur fünf bis zehn Minuten geläutet. Die Forscher raffen also die Zeit, um im Namen der Wissenschaft herauszufinden, was Glocken zerstört.

Die hohe Kunst des Glockengießens

Kloster Maria Laach in der Eifel. Romantisch ist es hier, im Gegensatz zum Schall-Labor in Kempten. Auf dem Hof steht erhaben eine drei Tonnen schwere Glocke. Daneben schimmern neun kleinere Glöckchen in der Sonne. Bruder Michael schabt an den Gussformen für eine Glocke. Aus Ziegelsteinen, Lehm, Pferdemist und Strohhäcksel werden die Formen hergestellt. In den Zwischenraum wird später das Glockenmetall gefüllt. Wenn die Formen fertig sind, werden sie in einer Erdgrube vergraben. So wird sichergestellt, dass das flüssige Metall die Formen nicht auseinander drücken kann. Dann wird die Bronze in einem Tiegel mit einem Ölbrenner erhitzt.

Erst ein Gebet

Wie viel Arbeit es ist, eine Glocke zu gießen, weiß Bruder Michael. Er und seine beiden Kollegen ziehen feuersichere Kleidung an, dann noch ein Gebet, und die Männer schöpfen die brodelnde Bronze aus dem Tiegel mit langstieligen Kellen in die Glockenform. Dabei dürfen keine Luftblasen entstehen. Der Fluss der Bronze aus den Einfüllöffnungen in die Formen darf nicht abreißen. Die Männer müssen also zügig arbeiten.

Nach zehn Minuten ist alles vorbei. Jetzt muss die Glocke abkühlen und das Metall härten. Das dauert bei der kleinen Glocke nur einen Tag. Dann wird sie ausgegraben, von den Formen befreit und ausprobiert.

Zu harte Klöppel

Professor Andreas Rupp an der Fachhochschule Kempten hat durch seine Messungen an den Glocken herausgefunden, was Glocken beschädigt. "Wenn Sie eine Glocke aufhängen und die Glocke sehr hoch geläutet wird, dann besteht das Risiko, dass die Glocke sehr schnell zerstört wird", erläutert Rupp. Diese Schadensfälle gäbe es häufig.

Auch zu harte Klöppel können Glocken zerstören. Im letzten Jahrhundert wurde immer härterer Stahl hergestellt, auch für Klöppel. Offensichtlich schädigt dieser harte Stahl die Glocken. Aber es gibt noch eine dritte Ursache dafür, dass immer mehr Glocken reißen: Sie werden kaum noch per Hand geläutet. Sozusagen Gefühllose Läutwerke können Glocken beschädigen.

Die Gießerei ist nicht immer schuld

Es sind also nicht immer Gussfehler, die Glocken springen lassen. Genau das soll im Rahmen des EU Projektes "Probell" untersucht werden. Denn bislang muss immer die Gießerei für Schäden haften. Denn sie kann kaum nachweisen, dass ihre Glocke keinen Gussfehler hatte. Die ersten Ergebnisse der Studie an der FH Kempten haben Gießereien schon entlastet. In einer Kirche in Südtirol zum Beispiel waren die Läutebedingungen falsch eingestellt. "Die Glocke hat keine Chance gehabt, sie musste kaputt gehen," meint Rupp.

Auch alte und teilweise sehr berühmte Glocken profitieren von dem EU Forschungsprojekt. "Wir sind jetzt schon dabei, die berühmten Glocken Europas mit unseren Messverfahren zu analysieren und entsprechend einzureihen und zu bewerten, wie schädigend die geläutet werden."