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Deutsch für die Zukunft

29. November 2010

Wohl in keinem afrikanischen Land wird soviel Deutsch gesprochen wie in Kamerun: von etwa 300.000 Menschen. Deutsch ist angesagt in Kamerun – nicht nur wegen der Möglichkeiten, so einen besseren Job zu bekommen.

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Eine afrikanische Schulklasse (Foto: dw)
Deutsch ist in den Schulen Kameruns ein beliebtes Fach

Hilaire Mbakop plaudert über das Wetter. Das tut er sehr anschaulich und in bestem Deutsch. Denn Deutsch ist die Sprache, in der er träumt, in der er schreibt. Hilaire Mbakop ist Präsident des Vereins deutschsprachiger Schriftsteller in Afrika. Ein kleiner Verein, der erst im Oktober 2009 gegründet wurde und bislang eine Handvoll Mitglieder zählt.

Deutsch gegen die Zensur

Hilaire Mbakop, Präsident des Vereins deutschsprachiger Schriftsteller in Afrika (Foto: dw / Dirk Bathe)
Hilaire Mbakop, Präsident des Vereins deutschsprachiger Schriftsteller in AfrikaBild: Dirk Bathe

Wieso schreibt er ausgerechnet auf Deutsch? "Ich bin ja Literaturwissenschaftler, habe in Deutschland studiert. Und ich nutze die deutsche Sprache, um bestimmte Sachen präzise und klar ausdrücken zu können." Präzise und klar sieht er auch die Ziele seines Vereins: "Wir sollten versuchen, den großen deutschsprachigen Markt zu nutzen. Auch, um die Zensur hier in Kamerun zu umgehen."

Hilaire Mbakop hat selbst schon Ärger wegen seiner klaren Worte bekommen. Von heute auf morgen und ohne Begründung wurde sein Job als Dozent an der Universität Jaunde gekündigt. Eine Strafaktion für sein Buch "Mambes Heimat" vermutet er, denn in dem in Deutschland veröffentlichten Buch beschreibt er schonungslos den Alltag in Kamerun.

Goethe als Vorbild

Jetzt arbeitet der 37-Jährige an einer Kolonialgeschichte Kameruns, vor allem die Zeit der Unabhängigkeit interessiert ihn, "und dabei werde ich auf ein Stilmittel Goethes zurückgreifen: Fakten mit Fiktion vermischen und eher einen Roman als ein Sachbuch schreiben."

David Simo, Chef der Germanistik-Fakultät in Jaunde (Foto: dw / David Simo)
David Simo, Chef der Germanistik-Fakultät in JaundeBild: Dirk Bathe

Goethe ist auch einer der Lieblingsschriftsteller von David Simo. Aber der Chef der Germanistischen Fakultät in Jaunde ist eher ein Freund neuester und neuerer deutscher Literatur wie Hubert Fichte und auch Günther Grass. Deutschland fasziniert ihn, er ist ständig bei Kongressen und Tagungen, hält sich auf dem Laufenden, vermittelt aber auch Informationen über Germanistik in einem afrikanischen Land. In Kamerun gibt es etwa 300.000 Menschen, die Deutsch lernen oder sprechen, seine eigene Fakultät erlebt einen stetig wachsenden Zulauf. Hängt das nur damit zusammen, dass Kamerun ein deutsches Schutzgebiet war?

"Aber nein, das hängt paradoxerweise mit den Franzosen zusammen, die ja das koloniale Erbe angetreten hatten", erklärt Simo. Denn Deutsch war in Frankreich eine verpflichtende Fremdsprache und in Kamerun wurde das französische Schulsystem eins zu eins übernommen. Also auch die Fremdsprache Deutsch als Schulfach.

Eine afrikanische Germanistik

Doch die Germanistik in Kamerun hat sich weiterentwickelt. "Wir können natürlich in Kamerun nicht so lehren wie in Asien oder anderen europäischen Ländern. Hier heißt Germanistik auch, sich mit der deutsch-kamerunischen Geschichte zu beschäftigen. Aber natürlich geht es auch um das Land Deutschland und dessen Besonderheiten."

Germanistikstudent Charles Ekollo (Foto: dw / Dirk Bathe)
Germanistikstudent Charles EkolloBild: Dirk Bathe

Das sieht auch Charles Ekollo so. Der Germanistik-Student ist, wie er sagt, "eher durch Zufall in dieses Studienfach geraten. Denn die Fächer Englisch und Französisch waren schon belegt. Da habe ich eben Deutsch genommen und dann gemerkt, wie faszinierend Germanistik ist." Ekollo verspricht sich auf zwei Ebenen Gewinn durch sein Studienfach: Zum einen erhofft er sich einen guten Job als Deutschlehrer oder im diplomatischen Dienst – zum anderen aber auch Erkenntnisse über seine eigene Identität als Afrikaner. "Denn indem ich mich mit der Geschichte der deutsch-kamerunischen Beziehungen beschäftige, erfahre ich auch etwas über meine Geschichte als Afrikaner. Unsere eigene Tradition und Geschichte wird ja in der Schule kaum gelehrt."

"Deutschland ganz weit oben"

Dafür aber Deutsch als Sprache. In den weiterführenden Schulen können sich die Schüler zwischen Spanisch und Deutsch als zweiter Fremdsprache entscheiden – und "fast immer wählen sie Deutsch", freut sich Marie Noelle Ntouba Ngolle. Sie ist Deutschlehrerin in Duala und hat schon hunderte Kinder unterrichtet. Viele davon wollen selbst Deutschlehrer werden, "aber die meisten interessieren sich einfach für Deutschland als Wirtschaftsmacht und Kulturland." Der Ruf Deutschlands hat durch die Kolonialgeschichte in Kamerun zumindest nicht gelitten, auch wenn Unterdrückung und Ausbeutung durchaus nicht vergessen sind. Marie Noelle Ntouba Ngolle: "Aber wir sehen in die Zukunft und da steht Deutschland ganz weit oben."

Und so muss sich Hilaire Mbakop wohl keine Sorgen um Nachwuchs für seinen Verein von deutschsprachigen Schriftstellern in Afrika machen. Noch ist der Verein klein, aber Mbakop ist zuversichtlich: "Denn wie heißt es so schön: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."

Autor: Dirk Bathe
Redaktion: Klaudia Pape