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Sicherheitslage in Dresden

Matthias von Hein19. Januar 2015

Nachdem Sicherheitsbehörden in Deutschland seit Monaten eine "abstrakt hohe" Gefährdungslage sehen, spricht die Polizei in Dresden nun von einer "konkreten" Anschlagsgefahr. Grund sind Geheimdienstinformationen.

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Mehrere schwer bewaffnete und vermumte Polizisten stehen bei einer Anti-Terror Razzia in Berlin am 16.01.2015 vor einem Hauseingang (Copyright: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Bild: Reuters/F. Bensch

Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut, eigens von der Verfassung geschützt. Die Polizeidirektion der sächsischen Landeshauptstadt Dresden hat dieses Grundrecht für diesen Montag ausgesetzt und "alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel untersagt" – wegen der "konkreten Gefahr" eines islamistischen Terrorangriffs, wie es in der Verfügung der Dresdener Polizei heißt. Allerdings liegen laut dieser Verfügung keine Hinweise für die Ermittlung potentieller Täter vor. Von dem Verbot sind sowohl die montägliche Pegida-Demonstration als auch mögliche Gegendemonstrationen betroffen.

An den vergangenen zwölf Montagen war die Islam-kritische Pegida bereits durch Dresden und andere deutsche Städte gezogen. Da hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Gefährdungslage noch als "abstrakt hoch" bezeichnet, eben ohne konkrete Anschlagshinweise. An dieser Einschätzung hatte sich auch nach den Anschlägen von Paris nichts grundsätzlich geändert. Im Fernsehsender Phoenix betonte de Maizière noch in der vergangenen Woche, die Sicherheitslage gebe zwar "Grund zur Sorge, aber nicht zu Panik und Angst".

Lutz Bachmann auf PEGIDA-Demonstration in Dresden (Copyright: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Besonders gefährdet: Lutz BachmannBild: Reuters/H. Hanschke

Geheimdienste fangen Drohungen ab

Dass die Behörden in Dresden zu einer anderen Einschätzung und mit dem faktischen Demonstrationsverbot dann auch zu einer außerordentlich weitgehenden Schlussfolgerung gekommen sind, hängt für den ARD-Terrorexperten Holger Schmidt mit Geheimdienstinformationen zusammen. Die würden auf die US-Dienste und einen Geheimdienst aus Südosteuropa zurückgehen. Demnach hätten hochrangige Islamisten auf Arabisch einen Angriff auf die islam-kritische Bewegung und speziell auch auf Pegida-Organisator Lutz Bachmann diskutiert. Dabei handele es sich nicht um anonyme Drohungen. Es ginge vielmehr um abgefangene Kommunikation zwischen Menschen, die mit gewaltbereitem Dschihad in Verbindung gebracht würden.

Dennoch macht Schmidt aus seiner Meinung keinen Hehl, dass er die Reaktion der Dresdener Behörden für übertrieben hält. Schmidt hebt hervor, dass es Hinweise auf eine Gefährdung der Pegida-Demonstrationen schon vor den Anschlägen von Paris gegeben habe. Dennoch hätten solche Demonstrationen stattgefunden, "ohne dass etwas passiert wäre und ohne dass die Sicherheitsbehörden offen kommuniziert hätten, dass sie dabei große Bauchschmerzen hatten". Auch die konkreten Hinweise auf einen Angriff auf Pegida-Initiator Bachman enthielten keinen Hinweis, der speziell auf diesen Montag hindeuten würde. "Nächsten Montag oder schon am Mittwoch in Leipzig stellt sich die Situation eigentlich wieder ganz genauso dar", analysiert der ARD-Terrorexperte.

Portrait Holger Schmidt (Copyright: SWR)
ARD-Terrorexperte Holger SchmidtBild: SWR

Demonstrationsverbot muss Ausnahme bleiben

Vielleicht deshalb hat Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin betont, die Absage von Demonstrationen aufgrund von Anschlagsdrohungen müsse eine Ausnahme bleiben. Seibert hob ebenso wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hervor, das Verbot der Pegida-Demonstration sei von den sächsischen Sicherheitsbehörden und der Landesregierung in eigener Zuständigkeit ausgesprochen worden. Zur Frage, ob die Bundesregierung das Demonstrationsverbot für richtig oder falsch halte, äußerte sich Seibert nicht.

Klar ist, hundertprozentige Sicherheit ist in einer offenen Gesellschaft nicht möglich. Gegen Anschläge wie den in Paris könne man sich kaum schützen, analysiert deshalb auch der Kriminologe Andreas Armborst von der Universität Leeds. "Solange es Terroristen gibt, die zu solchen Taten bereit sind, werden sie in einer freiheitlichen Gesellschaft immer eine Möglichkeit finden, so ein unverfrorenes Attentat durchzuführen", so das düstere Fazit Armborsts im DW-Gespräch.

260 "Gefährder" – Tendenz steigend

Bislang hat es in Deutschland einen islamistischen Anschlag mit Todesfolge gegeben: Im März 2011 erschoss ein Kosovo-Albaner am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten. Allerdings gab es mehrere Attentatsversuche. Die schlugen entweder fehl oder sie wurden vereitelt. Die Gefahr wächst im Gleichschritt mit dem Wachstum der islamistischen Szene. Besonders hohen Zulauf hat die Gruppe der sehr konservativ orientierten Salafisten. Ihre Zahl hat sich in den letzten drei Jahren auf heute geschätzt 7000 verdoppelt. Als besonders gefährlich schätzen Sicherheitsexperten Rückkehrer aus dem Kriegsgebiet in Syrien und dem Irak ein.

Vermumte IS Kämpfer in Tarnkleidung präsentieren Sturmgewehre (Copyright: Medyan Dairieh/ZUMA Wire/ZUMAPRESS.com)
Gelten als besonders gefährlich: Rückkehrer aus dem Krieg in SyrienBild: picture alliance/ZUMA Press/M. Dairieh

Nach offiziellen Angaben sind rund 600 radikale Islamisten in das Gebiet des sogenannten "Islamischen Staates" gereist. Manche Beobachter wie der Berliner Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour gehen sogar von 1500 bis 2000 deutschen Dschihadisten im syrischen Bürgerkrieg aus. Rund 180 der Ausgereisten sind inzwischen wieder zurück in Deutschland.

In Deutschland stufen die Sicherheitsbehörden etwa 260 Menschen als sogenannte "Gefährder" ein. Tendenz eher steigend. Die "Gefährder" werden in unterschiedliche Kategorien eingestuft, die unterschiedlich genau beobachtet werden. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, wie sie sich im Internet äußern. Werden beispielsweise die Terroranschläge von Paris bejubelt? Gibt es Kontakte zu ausgereisten Dschihadisten? War der "Gefährder" womöglich selbst in Syrien an Kämpfen beteiligt? Nur die gefährlichsten Islamisten können rund um die Uhr beobachtet werden. Um alle "Gefährder" flächendeckend zu überwachen, fehlt das Personal.