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Wenn die Flüchtlinge ausbleiben

Kate Brady / glh10. April 2016

Während an der Grenze zu Mazedonien Flüchtlinge in Zelten schlafen und andere Menschen in die Türkei abgeschoben werden, leeren sich die Unterkünfte in Deutschland. Zu Besuch in einem Containerwohnheim am Rande von Köln.

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Containerdorf in Köln (Foto: Kate Brady)
Bild: DW/K. Brady

Sie sehen aus wie Bausteine, aber es sind kleine Wohnungen, die aufeinander gestapelt wurden. Diese Containeranlage liegt etwas außerhalb von Köln. 480 Menschen könnte man hier unterbringen. Derzeit leben allerdings nur 30 in den Blechkisten. Zu Beginn des Jahres hätten sie zum ersten Mal gemerkt, dass die Zahl der ankommenden Flüchtlinge stark zurückging, erzählt Patrick Quack. Er arbeitet für die Hilfsorganisation der Johanniter, die die Flüchtlingsunterkunft betreibt.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kamen im März 2016 circa 5000 Flüchtlinge nach Deutschland. Das waren etwa die 200 Menschen am Tag. Nur zwei Monate davor, im Januar dieses Jahres, kamen noch rund 2000 Menschen täglich in Deutschland an.

Als Grund für den Rückgang nennt das Ministerium die Schließung der sogenannten "Balkanroute". Bevor die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien dicht gemacht wurde, waren tausende Flüchtlinge tagtäglich auf diesem Weg nach Deutschland oder andere Länder Nord- und Westeuropas gekommen. Hinzu kommt das neue Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei, welches die Zahlen der in der EU ankommenden Flüchtlinge ebenfalls stark reduziert hat.

22 Flüchtlingsunterkünfte in NRW geschlossen

Das Ergebnis dieser politischen Maßnahmen sind zahlreiche leer stehende Flüchtlingsunterkünfte. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden seit Beginn des Jahres 22 Unterkünfte wieder geschlossen. Sporthallen und andere schnell eröffnete Notunterkünfte werden nun wieder für ihre eigentliche Zwecke genutzt.

Helfer der Johanniter (Foto: Kate Brady)
Mika Kaiser (links) und Patrick Quack von den JohanniternBild: DW/K. Brady

Auch auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft in Bayenthal ist es ruhig. Man trifft selten jemanden auf dem Flur und im Speisesaal sitzen mehr Angestellte der Sicherheitsfirma als Flüchtlinge. Im Kindergarten liegen die Kuscheltiere und Puppen herum, es sind wenige Kinder da. Nur vier kleine Mädchen sitzen in einer Ecke und spielen miteinander.

Ruhe gibt Zeit zum Reflektieren

Die Ruhe in der Flüchtlingsunterkunft hat auch ihre Vorteile, sagt Patrick Quack. Die Angestellten und freiwilligen Helfer hätten etwas Zeit zum Durchatmen. "Bei weniger Bewohnern können wir natürlich viel intensiver mit den Menschen arbeiten und unsere Angebote für die Flüchtlinge verbessern", so Quack.

Noch im vergangenen Jahr waren insgesamt 1,1 Millionen Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Viel Zeit für Reflektion und Weiterbildung gab es da für Betreiber und Helfer in Flüchtlingsunterkünften nicht. Jetzt, da man sich um weniger Menschen kümmern muss, nutzen die Betreiber vieler Unterkünfte die Zeit, um zu schauen, was man in Zukunft besser machen kann. Aber auch zur Vorbereitung, falls im Sommer doch wieder mehr Menschen nach Deutschland kommen.

"Heute würden wir anders auf solch eine Situation reagieren, als noch vor einem halben Jahr", sagt Quack. "Wir konnten die Zeit nutzen, um Konzepte zum Schutz gegen Gewalt zu entwickeln und umzusetzen." Auch habe man den kompletten Service ausgebaut und verbessert, sagt Quack.

Zimmer von innen (Foto: Kate Brady)
Erst einmal ankommen: So gemütlich kann man es sich in der Unterkunft machenBild: DW/K. Brady

Diese Veränderungen sind auch sichtbar. Die saubere und helle Einrichtung erinnert nicht mehr an die dunklen, engen und zum Teil feuchten Unterkünfte, die Mitte 2015 auf die Schnelle aufgebaut wurden. An den Wänden hängen Bilder, die die Kinder gemalt haben, bunte Kissen liegen auf einer Couch und auf dem Tisch eine bestickte Tischdecke. All das macht die Übergangsunterkunft zu einem Zuhause auf Zeit für Menschen, die oft Schlimmes erlebt haben.

"Situation kann sich jeden Moment ändern"

Auch wenn die Zahl der Flüchtlinge stark zurückgegangen ist, diese Containerunterkunft in Bayenthal soll vorerst nicht geschlossen werden, sagt Quack. "Die Situation könnte sich ja jeden Moment wieder ändern."

Während immer mehr Menschen in das Flüchtlingslager Idomeni kommen und auf eine mögliche Öffnung der Grenze zu Mazedonien hoffen, gibt es auch Berichte von Flüchtlingen, die über Libyen und Italien nach Europa kommen wollen.

In Bayenthal soll die Unterkunft jetzt sogar erweitert werden, sodass bis zu 960 Menschen hier leben können. Gleichzeitig machen sich Quack und sein Team bereit: "Wir haben viele Erfahrungen gesammelt und sind gut vorbereitet, wenn wieder mehr Flüchtlinge zu uns kommen."