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Wer die Wahl hat ...

Konstantin Klein30. September 2002

Hollywood ist die Welthauptstadt der Kreativität. Und deshalb kommen von dort auch schon mal Vorschläge zur Belebung der Demokratie. DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein hat sie aufgeschnappt.

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Wie man mit Politikverdrossenheit und Wählerschwund professionell umgeht, haben uns die Amerikaner im Herbst 2000 vorgemacht. Aus einer vorhersehbaren Wahlentscheidung (erfolgreicher, intellektuell brillanter Vizepräsident gegen Provinzgouverneur mit Formulierungsschwierigkeiten) machten sie ein ausgewachsenes Drama, komplett mit Helden und Schurken und ihren jeweiligen Rechtsanwälten, und wenn am Ende nicht die Kavallerie in Gestalt des Obersten Gerichtshofes eingegriffen hätte, intrigierten sie heute noch.

Seltsamerweise kam die Großinszenierung beim Publikum wenige gut an, als erwartet. Und während man in Florida in bester klassischer Tradition auf die Tragödie die Farce folgen läßt – auch die brandneuen, schweineteuren Wahlmaschinen, die man dort jetzt zu den Kongress-Zwischenwahlen einsetzen will, funktionieren nicht so, wie sie sollen - arbeiten in Hollywood schon die Profis an einer wirklich spannenden, volksnahen Wahl. Wenn man eben nicht alles selber macht...

Die Profis, das sind der Dokumentarfilmer R.J.Cutler, Jay Roach, der Regisseur der "Austin Powers"-Filme, unddie Sendergewaltigen des Fox-Networks, das uns auch "World's Wildest Police Videos" und den publizistischen Vorschlaghammer Bill O'Reilly gebracht hat. Diese Profis sahen sich nun den überwältigenden Erfolg an, den eine Show namens "American Idol" in diesem Sommer hatte (Prinzip: Jeder darf vorsingen, es gibt ein langes und zum Teil sadistisches Auswahlverfahren, und am Ende wird Kelly Clarksen, Kellnerin aus Texas, zum Superstar), und dachten sich: "Hmmm."

Die Folge dieses "Hmmm" wird "American Candidate" heißen und soll von Anfang bis Mitte 2004 laufen, also zu der Zeit, in der die etablierten Parteien in den USA ihren Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl suchen. Show-Idee: Jeder, der mindestens 50 Unterschriften von Unterstützern aufbringen kann, darf mitspielen, und am Ende eines langen und zum Teil sadistischen Auswahlverfahrens soll ein "Kandidat des Volkes" stehen, ein Mensch, dem die Jury der Show und die Zuschauer das Zeug zum Präsidenten zutrauen.

Ob der Sieger der TV-Show dann tatsächlich gegen den amtierenden Präsidenten und den Menschen, den die Demokraten bis dahin für einen aussichtsreichen Herausforderer halten, antritt, ist ihm oder ihr überlassen – und ein ganz klein wenig auch der Fähigkeit des "American Candidate", gegen die Wahlkampfmillionen der etablierten Kandidaten anzustinken.

Zwei der aussichtsreichsten Aspiranten für die Kandidatur des TV-Volkes haben übrigens keine Chance: Weder FOX-Eigentümer Rupert Murdoch noch "Idol"-Obersadist Simon Cowell können auf diese Art Präsident werden (obwohl Cowell beim Volk echte Chancen hätte): Murdoch ist Australier, Cowell ist Brite – und die US-Verfassung verlangt doch tatsächlich, daß der Präsident gebürtiger US-Bürger ist.Aber das kriegen die bei Fox auch noch hin.