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Wer trägt uns durch die Flut? Der Nothelfer Christophorus

26. Juli 2014

Die katholische Tradition kennt die 14 Nothelfer: Heilige, die den Menschen beistehen sollen. Dieser Beistand ist heute keineswegs überholt, so jedenfalls die Meinung von P. Heribert Arens von der katholischen Kirche.

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Albi Kathedrale Schlusstein Hl. Christophorus
Albi Kathedrale, Schlusstein Hl. ChristophorusBild: picture-alliance/akg-images/Michel Escourbiac

Es war während des Hochwassers im Sommer 2013. Große Flächen von Süd und Ostdeutschland standen unter Wasser. Ich saß in unserer Wallfahrtsbasilika der vierzehn Nothelfer in Oberfranken – und mein Blick fiel auf die Statue des heiligen Christophorus. Dieser Hüne trägt das Jesuskind auf seinen Schultern. Er hat den kleinen Jesus durch das Wasser getragen, erzählt seine Lebensgeschichte. Vorgestern haben wir sein Fest gefeiert.

Christophorus wollte nur dem mächtigsten Herrn dienen. Darum ging er in den Dienst eines Königs. Doch er merkte, dass der König sich ängstlich bekreuzigte, wenn vom Teufel die Rede war. Der musste also mächtiger sein. Darum ging Christophorus in den Dienst des Teufels. Der wiederum zeigte sich ängstlich, als er ein Kreuz sah. Dann musste der gekreuzigte Christus mächtiger sein. Also wollte er ihm dienen. Aber wo war der zu finden? Er fragte einen Einsiedler um Rat. Der sagte ihm: „In der Nähe ist ein reißender Fluss. Du bist kräftig und von großer Gestalt. Geh an den Fluss und trag die Menschen, die ihn aus eigener Kraft nicht überqueren können, ans andere Ufer. Vielleicht ist er unter denen, die du durch den Fluss trägst.“ Das tat er. So trug er auch ein Kind hinüber. Je weiter er durch den Fluss ging, umso schwerer wurde das Kind. Christophorus hatte den Eindruck, er trüge die ganze Welt auf seinen Schultern. An anderen Ufer wurde ihm bewusst, dass er den durch den Fluss getragen hat, dem seine Suche galt: Jesus Christus.

Christophorus mit dem Kind auf seiner Schulter: bei diesem Bild gingen mir die Bilder durch den Kopf, die damals täglich in allen Fernsehnachrichten zu sehen waren. Sonst so friedliche Flüsse wie Donau, Elbe, Mulde oder Saale waren zu reißenden Flüssen geworden, die Straßen, Felder, Dörfer und Städte überfluteten. In diesem Jahr haben wir ähnliche Bilder aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien gesehen. Und immer wieder waren in diesen Fluten Helfer zu sehen, die Menschen durch das Wasser trugen. Da wurde die Christophorus-Legende in unseren Tagen lebendig.

Wie gut, dass es „Christophorusse“, Christus-Träger, auch heute gibt. Tausende von freiwilligen Helfern fanden sich ein. Eine große Solidarität zeigte sich: Menschen spendeten Geld, Kleidung, Lebensmittel und anderes Lebensnotwendige, damit die Betroffenen die Flut überleben konnten. Andere schleppten Sandsäcke. Wieder andere halfen, die Möbel in die Obergeschosse zu transportieren – und später halfen sie beim Aufräumen. Wahrhaftig, da hat sich die Christophorus-Legende wiederholt, war greifbare Wirklichkeit geworden.

Diese Bilder brachten mich ins Nachdenken, denn nicht nur Wasser kann uns überschwemmen: Wir werden von Werbung überschwemmt – bis zum Ertrinken. Wer trägt uns durch diese Flut? Viele werden von ihren Gefühlen überschwemmt. Manchen reißen sie einfach mit und nehmen ihm den Halt unter den Füßen. Wer trägt uns durch diese Flut? Länder wie Syrien und die Ostukraine werden von Krieg überschwemmt. Wer trägt die Menschen durch die reißende Flut? Eine Flut von Sinnangeboten überschwemmt unsere Gesellschaft, angefangen von der Kirche bis hin zu zweifelhaften Ratgebern. Wer gibt Orientierung und Halt? Wer trägt uns durch diese Flut?

Christophorus wollte den mächtigsten Herrn finden und ihm dienen. Darum trug er Menschen durch die Flut. Er fand den, den er suchte, in einem Kind. Gott verbirgt sich oft in den Nöten der Menschen. Wir dienen ihm, wenn wir den Menschen dienen! Mancher Helfer in den Hochwassergebieten von 2013 und 2014 hat vielleicht auch Christus durch die Flut getragen – ohne es zu wissen. „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan.“

Menschen in den Überschwemmungsgebieten brauchten und brauchen unsere Hilfe. Sie brauchen den Christophorus, der zupackt – und der auch materiell hilft. Sie brauchen aber vor allem den Christophorus, der Anteil nimmt. Nur wer Anteil nimmt, hebt das Kind auf seine Schultern und trägt es durch die Flut!

Pater Heribert Arens OFM Geismar Kloster Hülfensberg
Pater Heribert Arens ofmBild: Heribert Arens

Zum Autor:

P. Heribert Arens ist Franziskaner und lebt im Franziskanerkloster Vierzehnheiligen in Oberfranken. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, insbesondere zu Predigt und Spiritualität. Außerdem ist er Mitarbeiter bei der Zeitschrift „Der Prediger und Katechet“ und Mitglied im Kuratorium für den Deutschen Predigtpreis.